Brettener Altstadt in klein und handlich
Kinder drucken 3D-Modell des historischen Stadtkerns im tecspaze

Das neue Stadtmodell aus Kunststoff wurde im tecspaze gedruckt und von den Kindern anschließend an die Stadtführer übergeben. Foto: kuna
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  • Das neue Stadtmodell aus Kunststoff wurde im tecspaze gedruckt und von den Kindern anschließend an die Stadtführer übergeben. Foto: kuna
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Bretten (kuna) In Bretten steht seit Mai eine neue Attraktion: ein Altstadtmodell aus Bronze, initiiert von Matthias Goll und der Initiative Altstadtrettung Bretten. Während sich das Modell vor dem Alten Rathaus bereits als beliebter Startpunkt für Stadtführungen etabliert hat, hatte Goll bereits die nächste Idee in petto. So konnte am Montagabend ein handliches Modell aus Kunststoff an die Stadtführer der Melanchthonstadt übergeben werden. Gedruckt wurde es von elf Kindern eines 3D-Workshops im tecspaze, einer Digitalwerkstatt für Kinder und Jugendliche im Seeburger-Gebäude, das in diesem Sommer eröffnet wurde.

Zahlreiche weitere Ideen

Dass das Bronzemodell nach all der langen Arbeit seinen Platz in der Innenstadt gefunden hat, ist für die Altstadtretter noch lange nicht der Endpunkt. So gebe es noch zahlreiche Ideen, das Modell weiterzuverwerten, erklärte Goll bei seinem ersten Besuch des 3D-Workshops Anfang November. Immerhin basiert das Bronzewerk auf einem Datensatz, der sich prinizipiell unendlich oft vervielfältigen lässt. „Es gibt zum Beispiel die Idee, das Stadtmodell in Schokolade zu gießen“, erklärte der Altstadtretter mit leuchtenden Augen, „aber jetzt drucken wir es erst einmal als 3D-Karte für Stadtführer.“

Workshops von Grafik Design bis Virtual Reality im tecspaze

Diese Idee sei ihm gekommen, als er die Eröffnung von tecspaze im Juli besucht hat, erläuterte Goll. Dabei handelt es sich um einen offenen Raum für Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre, der mit verschiedenen Workshops spielerisch Einblicke in digitale Welten von Grafik Design bis Virtual Reality (VR) gewährt. Passenderweise gibt es auch einen Workshop zum Thema 3D-Druck, der von Christian Kornblum geleitet wird und die Möglichkeit bietet, eigene Werke am Rechner zu modellieren und anschließend in 3D zu drucken.

3D-Drucker ist komplizierter als Tintenstrahldrucker

Um den Zehn- bis 14-Jährigen einen Einblick in die Entstehungsweise des bronzenen Altstadtmodells zu geben, stattete Goll den Kindern zunächst einen Besuch ab und erläuterte dabei einige technische Details. „Ein 3D-Drucker funktioniert nicht wie ein Tintenstrahldrucker, sondern ist schon komplizierter“, so Workshop-Leiter Kornblum einleitend. Das Programm müsse das Modell zunächst virtuell in Scheiben schneiden und für jede Scheibe einen Fahrweg für den Druckkopf berechnen.

Modell in Goldfarbe

„Beim 3D-Druck kann viel schief gehen“, berichtete auch Goll mit Blick auf seine eigene Erfahrung. Spannend blieb daher zunächst, ob der Druck – der mehr als 60 Stunden dauerte – überhaupt gelingt. Einige seiner eigenen Versuche hatte Goll ebenfalls dabei und zeigte den Kindern, wie unterschiedlich die Ergebnisse sein können: Mal sind die Modelle größer, mal kleiner – mal feiner, mal gröber. Und auch die Farbe ist unterschiedlich, je nach zuvor gewähltem Filament. Das Druckmaterial aus Polylactid (PLA) wird dabei von dem Drucker erhitzt, geschmolzen und extrudiert, also Schicht für Schicht auf das Druckbrett abgegeben. Bei der Farbe für das neue Modell herrschte jedenfalls schnell Einigkeit – goldenes Filament soll es werden, entschieden die Kinder.

"Im Krieg wurden nur drei Häuser in Bretten zerstört"

Doch bevor es losging, erläuterte Goll, wieso den Altstadtrettern der historische Kern von Bretten überhaupt so wichtig ist. „Es gibt viele Städte im Umkreis, die im Krieg zerbombt wurden, in Bretten war das aber nicht der Fall“, erklärte er. Dennoch sei die Melanchthonstadt vor Abrissen nicht verschont geblieben. Goll zeigte den Kindern einige Fotos von zerfallenen Häusern oder Baulücken, die es mitten im Zentrum der Stadt gibt. Einige Bilder erkannten die Kinder sofort. „Im Krieg wurden nur drei Häuser zerstört, den Rest hat die Stadt selbst abgerissen“, verdeutlichte Goll das Problem.

Kinder drucken Weihnachtsmarkt

Um das Ursprungsmodell am heimischen Rechner zu erstellen, seien verschiedene Daten eingeflossen, berichtete der Altstadtretter weiter, so etwa vom Landesamt für Vermessung. Diese seien allerdings oft unvollständig gewesen, sodass er einzelne Häuser in einem Programm nachgezeichnet habe. Wie das Modellieren funktioniert, auch das lernen die Kinder in dem Workshop, in dem auch schon einige Kreationen entstanden sind. So modellieren und drucken die Kinder derzeit einen eigenen Weihnachtsmarkt, der später mit kleinen LED-Lämpchen beleuchtet werden kann.

Modell für Stadtführer sofort einsatzbereit

Ein ganz anderes Schicksal erlitt dagegen das ursprüngliche Kunststoffmodell für das Bronzestück, das in einem Heimsheimer Unternehmen gedruckt und beim Bronzeguss in der Skulpturenwerkstatt anschließend wieder geschmolzen ist. Das goldene Modell für die Stadtführer ist dagegen direkt nach dem Druck einsatzbereit und muss auch nicht großartig nachbearbeitet werden. „Es gibt nur hier und da noch feine Kunststofffäden, die von den Kindern weggebürstet werden“, erläutert Workshop-Leiter Kornblum.

"Ganz anderer Blick auf Stadt"

Um das Modell nach dem gelungenen Druck am Montagabend abzuholen, war neben Bürgermeister Michael Nöltner auch Edgar Schlotterbeck, SPD-Stadtrat und Stadtführer, in den tecspaze gekommen. Nöltner zeigte sich erfreut über das gelungene Projekt und die Herangehensweise, Kinder an die technische Herausforderung des 3D-Drucks heranzuführen und dabei zugleich mit der Brettener Altstadt vertraut zu machen. „Durch die intensive Beschäftigung haben die Kinder auch gleich einen ganz anderen Blick auf die Stadt“, so Nöltner.

Turm der Stiftskirche höchster Punkt

Gemeinsam mit Schlotterbeck bewunderte er den Detailreichtum des leichten und handlichen Drucks, der nun von den Stadtführern von Station zu Station mitgeführt werden kann. „Wenn die Stadtführung unterwegs ist, kann dann direkt gezeigt werden, an welchem Punkt man gerade steht“, so Goll. Ein Vorteil sei auch, dass an dem Modell – im Gegensatz zu einer flachen Karte – die Topografie erkennbar ist. So sehe man auf den ersten Blick, dass die katholische Laurentiuskirche nicht höher ist als die evangelische Stiftskirche, merkte Nöltner an. „Das war damals wichtig, da Bretten beim Bau der Laurentiuskirche noch protestantisch geprägt war“, erläuterte er. Und Schlotterbeck ergänzte: „Mit 61 Metern ist die Stiftskirche der höchste Punkt der Altstadt."

Das neue Stadtmodell aus Kunststoff wurde im tecspaze gedruckt und von den Kindern anschließend an die Stadtführer übergeben. Foto: kuna
Das neu gedruckte Stadtmodell aus Kunststoff lässt viele Details erkennen. | Foto: kuna
Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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