Gutachten: Verkehrsentlastung durch Umgehungsstraße in Bretten gering
BIVEB fordert Transparenz bei Kommunikation über Umgehung
Bretten (ger) Die im Bundesverkehrswegeplan 2030 als vordringlich eingestufte B294 Ortsumfahrung (Südwesttangente) von Bretten soll, so betonen es die Stadtverwaltung und Gemeinderatsfraktionen wie die CDU und „die aktiven“ immer wieder, für eine deutliche Verkehrsentlastung der Innenstadt sorgen. Die BIVEB (Bürgerinitiative Verkehrsentlastung Bretten) plädiert dafür, diese Behauptung durch Zahlen zu belegen. „Wir wollen das, was ständig wiederholt wird, mit inhaltlichem Leben und seriösen Zahlen füllen“, betont Sprecherin Kathrin Breuer. Das Verkehrsgutachten, auf das im vom Regierungspräsidium veranlassten Scoping-Verfahren zur Umgehungsstraße Bezug genommen wird, bestätigt die BIVEB nach eigenen Angaben in ihrer Einschätzung, dass die Innenstadt durch die Umgehung nur mäßig entlastet, dafür aber zusätzlicher Fernverkehr angezogen werde.
"Aussage von Verkehrswegeplan widerlegt"
Im Scoping-Verfahren wird der Umfang für die durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung festgelegt. Seit Mitte März liegt das Gutachten von Koehler & Leutwein, einem Ingenieurbüro für Verkehrswesen aus Karlsruhe, der BIVEB sowie der Stadtverwaltung vor und kann seit kurzem auch von jedem Bürger auf der Homepage des Regierungspräsidiums eingesehen werden. Das komplexe, 99 Seiten umfassende Dokument haben Kathrin Breuer und Frank Schneidereit von der BIVEB im Dialog mit der zuständigen Stelle am Regierungspräsidium grundlegend geprüft. Das Gutachten prognostiziere, so die BIVEB, dass die Verkehrsentlastung in der Innenstadt durch die Umgehung nur gering ausfallen werde. Und an anderen Stellen werde es durch die Verlagerung von Verkehrsströmen gar ansteigen. „Damit widerlegt es die Aussage im Bundesverkehrswegeplan, die von fast einer Halbierung des Verkehrs auf bestimmten Abschnitten in der Innenstadt von Bretten spricht“, so Schneidereit.
"Kommunikation falscher Zahlen"
Das Gutachten basiert auf einer Verkehrszählung vom 22. und 24. Oktober 2019 und sagt die Verkehrssituation im Jahr 2035 in drei Modellen voraus. Im ersten Modell („Nullfall“) ändert sich nichts am Straßenverlauf. Das zweite Modell betrachtet die Teilumgehung, die am südlichen Ortseingang nach Westen abzweigt und am Alexanderplatz auf die B35 einmündet. Und im dritten Modell, der Südumfahrung, zweigt die Umgehung, die von der Stadt bevorzugt wird, ebenfalls im Süden ab und führt in einem großen Bogen westlich von Rinklingen auf die B293. Insgesamt geht das Gutachten von einer Steigerung des gesamten Kfz-Verkehrs bis 2035 um 7,5 Prozent aus, beim Schwerlastverkehr um 17 Prozent. Dagegen sprach Oberbürgermeister Martin Wolff in der letzten Gemeinderatssitzung von einer Zunahme von 39 Prozent. „Diese Kommunikation falscher Zahlen verursacht in der Bevölkerung nicht realisierbare Vorstellungen“, bemängelt die BIVEB in diesem Zusammenhang.
Bedeutet Umgehung mehr Verkehr?
Die Teilumgehung würde in der Innenstadt – also entlang der Pforzheimer Straße, Wilhelmstraße und Melanchthonstraße – eine durchschnittliche Entlastung von 11,6 Prozent bringen, während es bei der Südumfahrung 9,5 Prozent wären, so das Gutachten. Beide Umgehungsvarianten würden aber zugleich ein erhöhtes Verkehrsaufkommen von über 45 Prozent im Vergleich zu 2019 nach sich ziehen, „mit allen Folgen für Natur, Frischluft, Naherholung und Lärmemission“, wie die BIVEB betont. Zugleich hätten innerstädtische Strecken ebenfalls mit einem bemerkenswerten Zuwachs an Verkehr zu rechnen, nämlich in der Pforzheimer Straße auf Höhe der Firma Neff bei der Südumfahrung von rund 13 Prozent oder in der Georg-Wörner-Straße bei beiden Varianten zwischen fünf und acht Prozent.
BIVEB fordert transparenten Austausch
„Die Entlastung ist weit entfernt von dem, was im Bundesverkehrswegeplan steht und was die Stadt und manche Fraktionen sagen“, resümiert Breuer. „Wir argumentieren schon immer, dass die Umgehung mehr Verkehr anziehen wird“, ergänzt Schneidereit. „Die ortsdurchfahrtsfreie Verbindung zwischen Pforzheim und Bruchsal wird eher die Autobahnen entlasten.“ Die BIVEB fordert daher alle Akteure zum transparenten Austausch auf. Dabei sollten alle Zahlen und Beweggründe unter Beachtung aller entscheidenden Faktoren offengelegt werden. „In einer Gesamtbilanz sollten dann Ent- und Belastungseffekte, Naturverbrauch und Klimaschutz in Verantwortung für nachfolgende Generationen abgewogen werden“, so die BIVEB. Auch die Gartenschau, die 2031 in Bretten stattfinden wird und die seither von der Stadt als weiterer Grund für die Umgehung ins Feld geführt wird, müsse man neu bewerten. „Es braucht beherzte Maßnahmen in Bretten für ein modernes Mobilitätskonzept. Nur die Umfahrung wird es nicht bringen“, so Schneidereit.
Transparente Aufklärung gefordert
„Die Bevölkerung sollte transparent über die Zahlen aufgeklärt werden. Es ist ja unbestritten, dass die Anwohner eine Entlastung brauchen. Aber dass die Umfahrung dieses Problem löst, stimmt eben nicht“, fasst Breuer zusammen, und weiter: „Es wäre traurig, wenn durch die Baumaßnahmen viel Natur kaputt gemacht wird, und dann merken die Brettener erst, dass es gar keine wirkliche Entlastung ist.“
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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