Mehr Nachtruhe für geplagte Bahnanwohner: Brettener Gemeinderat begrüßt DB-Lärmschutzprogramm
Einen Monat nach Bekanntwerden der Planungen bei der Deutschen Bahn (DB) für systematischen Lärmschutz entlang der DB-Strecken in der Brettener Kernstadt sowie den Stadtteilen Diedelsheim, Rinklingen und Ruit vor allem gegen laute Güterzüge (wir berichteten) sind die einzelnen Maßnahmen gestern im Brettener Gemeinderat vorgestellt worden.
BRETTEN (ch) Einen Monat nach Bekanntwerden der Planungen bei der Deutschen Bahn (DB) für systematischen Lärmschutz entlang der DB-Strecken in der Brettener Kernstadt sowie den Stadtteilen Diedelsheim, Rinklingen und Ruit vor allem gegen laute Güterzüge (wir berichteten) sind die einzelnen Maßnahmen gestern im Brettener Gemeinderat vorgestellt worden. Dabei soll es aber nicht bleiben. Mit zwei Informationsveranstaltungen in Diedelsheim und Ruit will die Bahn im Juni auch auf die betroffenen Einwohner zugehen.
Aktiver und passiver Lärmschutz
Wie die verantwortliche Projektleiterin der DB Netz AG, Sabine Weiler, ausführte, sollen die geplanten Maßnahmen gewährleisten, dass die für die Nachtzeit geltenden gesetzlichen Schallgrenzwerte eingehalten werden. Diese betragen derzeit 57 dB(A), auch Dezibel genannt, in Wohngebieten und 59 dB(A) in Kern- und Dorfgebieten. Sie beziehen sich auf alle Schlafräume, Wohn- und Esszimmer sowie Wohnküchen. Geplant sind aktive Schallschutzmaßnahmen in Form stark schallschluckender Lärmschutzwände mit der größtmöglichen Höhe von drei Metern. Für den Fall, dass diese nicht ausreichen, um die Grenzwerte zu erreichen, oder aktive Maßnahmen nicht förderfähig sind, sollen auch passive Maßnahmen an privaten Wohngebäuden zum Zuge kommen - in Form des Austauschs alter Fenster gegen neue Lärmschutzfenster, der Dämmung von Rollladenkästen und Dächern sowie des Einbaus sogenannter Schalldämmlüfter, die lärmgeschütztes Lüften bei geschlossenen Fenstern ermöglichen.
Neue Lärmschutzwände in Diedelsheim und Ruit
Die genaue Darstellung der geplanten Maßnahmen anhand von Plänen überließ die Projektleiterin ihrem Begleiter Martin Reichert, der Bereichsleiter Schallschutz bei der Firma Modus Consult in Bruchsal ist. Nach seinen Worten schlägt die DB für Diedelsheim eine einseitige Lärmschutzwand vor, die sich aus Richtung Bruchsal vom Ortseingang Diedelsheim 1140 Meter entlang der Gleise bis kurz vor die B35-Brücke bei Rinklingen zieht. Lediglich der Bahnübergang Diedelsheim bleibt ausgespart und bildet insofern eine Lücke. In Rinklingen sieht die DB keinen Handlungsbedarf, da dort bereits eine Lärmschutzwand existiere und die Gewerbegebiete nicht unter die Förderrichtlinien fallen. Ebenso wenig ist eine Wand für den in der Kernstadt liegenden Streckenabschnitt vorgesehen, weil dort laut Reichert das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu niedrig ausfällt. Dafür ist dann in Ruit wieder eine Lärmschutzwand in nahezu der gleichen Länge wie in Diedelsheim geplant: 1139 Meter soll sie sich talseitig über die gesamte Ortslage bis zum Ortsausgang in Richtung Mühlacker ziehen. Allerdings bleibt die hangseitige Bebauung oberhalb des Durchlasses der Bauschlotter Straße ungeschützt, da auch dort laut DB-Berechnungen der Kosten-Nutzen-Wert zu gering ausfällt.
Informationsveranstaltungen für die Bürger
Damit sich die Bürger selbst informieren können, lädt die DB zunächst die Diedelsheimer und Rinklinger am Mittwoch, 20. Juni, um 19 Uhr zu einer Veranstaltung in die Schulsporthalle Diedelsheim, Seestraße 21-23, ein. Am Montag, 25. Juni, um 19 Uhr folgt dann eine Veranstaltung für die Bewohner von Kernstadt und Ruit in der Ruiter Festhalle, Im Ruiter Tal 27. Beide Termine sind laut Stadtverwaltung mit den Ortsvorstehern abgestimmt.
Lärmschutz contra freie Sicht?
Bei der anschließenden Fragerunde der Stadträte zeichneten sich – ungeachtet grundsätzlich positiver Aufnahme der Pläne – bereits mögliche Interessenskonflikte zwischen Lärmschutz und dem Anspruch auf ungehinderte Sichtverhältnisse ab. Manchen Bürgern könnten drei Meter zu hoch, anderen zu niedrig sein. „Für vier Meter hohe Wände gebe es keine Akzeptanz“, beschied die Projektleiterin. Ob man denn zwei und drei Meter hohe Wände kombinieren könne, wollte der Ruiter Ortsvorsteher und Stadtrat Aaron Treut (CDU) wissen. Grundsätzlich schon, erwiderte die Projektleiterin, man müsse natürlich durchrechnen, ob damit der Kosten-Nutzen-Faktor noch gewährleistet und das Gesamtbild noch akzeptabel sei. An bestimmten Punkten wie Brücken und Haltestellen seien auch transparente Wandelemente einsetzbar.
Stadt könnte „draufsatteln“
Beide Referenten bejahten auch die Frage von Bürgermeister Michael Nöltner, ob es richtig sei, dass Wände, die nur zwei Meter hoch sind, weniger Lärm abhalten, und weiter entfernt Wohnende von höheren Wänden profitieren. Ähnlich die Antwort auf die Frage von Harald Müller (Die Grünen) nach der Schallminderung für die am Hang gelegenen Häuser in Diedelsheim: „Anwohner am Hang werden auf jeden Fall profitieren“, so die Aussage. Sie gilt offenbar jedoch nur eingeschränkt. Denn das Lärmschutzprogramm begünstigt nur Wohngebäude und –gebiete, die entweder vor dem 1. April 1974 errichtet wurden oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen, der vor dem 1. April 1974 rechtskräftig wurde. Wodurch zum Beispiel neuere Hangbebauungen am Ortseingang von Diedelsheim ungeschützt blieben. Ein Umstand, der Stadtrat Otto Mansdörfer (Die Grünen) zur Frage veranlasste, ob die Stadt die fehlenden 50 Meter Lärmschutzwand nicht auf das Programm „draufsatteln“ könnte. Das könnte sie, lautete die Antwort. Aber die Stadt müsste dieses Wandstück dann zu 100 Prozent bezahlen.
Baubeginn frühestens 2023
Warum nicht gleich beidseitig der Gleise Wände gebaut würden, wandte Stadträtin Renate Knauss (SPD) ein. Weil nur dort gebaut werden könne, wo Wände durch das entsprechende Bundesprogramm förderbar seien und das gelte nun mal nur für Wohngebiete. Die Sorge von Stadtrat Gernot Fritz (FWV), weiter steigende Baupreise könnten den Kosten-Nutzen-Faktor verschlechtern und das gesamte Vorhaben in Gefahr bringen, suchte Sabine Weiler zu zerstreuen. Allerdings blieb sie bei ihrer Prognose, dass unter günstigsten Umständen frühestens 2023 mit den Baumaßnahmen begonnen werden könne.
Weder Rechtsanspruch noch Verpflichtung
Die Referentin wies auch darauf hin, dass es sich bei dem bereits 1998 von der Bundesregierung beschlossenen Sonderprogramm zur Minderung des Schienenverkehrslärms an besonders stark belasteten Strecken um eine freiwillige Leistung des Bundes handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Umgekehrt sind die Eigentümer nicht verpflichtet, die angebotenen passiven Lärmschutzmaßnahmen durchzuführen. Diese werden zu 75 Prozent bezuschusst, die restlichen 25 Prozent der Kosten müssen die Eigentümer selbst tragen. Auf Nachfrage von Sibille Elskamp (die aktiven) skizzierte die Projektleiterin den Ablauf: Die Betroffenen werden angeschrieben, ein Ingenieurbüro erstellt nach einer Wohnungsbegehung kostenlos ein Gutachten, dann kann der Eigentümer sich aussuchen, ob er alles oder nur Teile umsetzt.
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Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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