Leserbrief zum geplanten Mobilitätskonzept in Bretten
Mobilitätskonzept vom Kopf her denken
Leserbrief zum geplanten Mobilitätskonzept in Bretten. Den Artikel finden Sie hier.
Gegen die Erarbeitung eines Mobilitätskonzeptes für Bretten muss sich keiner wehren. Es ist schon einiges verbesserungswürdig, und die beste Energie ist die, die eingespart wird. Vehement wehren muss ich mich aber gegen die folgenden Zitate quasi als Begründung für die Aufstellung: "Mobilität ist mehr als die autogerechte Stadt" und "Aktuell gibt es kein gesamtstädtisches Verkehrs- und Mobilitätskonzept". Der Erste und Einzige, der in Bretten eine autogerechte Stadt durch entsprechenden Baufluchtenplan vorgeschlagen hatte, war 1912 Stadtbaumeister Gumpel. Genau das Gegenteil wollte schon sein Nachfolger, Stadtbaumeister Reinacher, sowie der damalige Gemeinderat und erst recht meine Wenigkeit 1975 als darauffolgender Stadtbaumeister.
Schon Anfang der 70 er Jahre hatte die Stadt und das Regierungspräsidium einen ersten Generalverkehrsplan beauftragt, den ich dann parallel zur Aufstellung des ersten Flächennutzungsplanes für die Gesamtstadt und Gondelsheim betreut habe. Beide Generalplanwerke hatten das vordringliche Ziel, zunächst die Voraussetzungen zu schaffen, dass der überregionale LKW-Wirtschaftsverkehr und der PKW-Durchreiseverkehr mit einer Umgehungsstraße im Zuge der B294 aus der Kernstadt herausgenommen werden kann. Beide Planwerke sahen auch einen innerstädtischen Verteilungsring um die historische Altstadt herum zu den dort angelagerten Großparkplätzen vor, um die historischen Altstadtgassen weitestgehend vom Autoverkehr zu befreien.
Das Endziel als Voraussetzung für die Altstadtsanierung war, alle Altstadtstraßen zu Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen mit Mischflächen zurückzubauen, was dann auch fast konsequent umgesetzt wurde. Dass aus diesem Generalverkehrsplan heute sowohl die Südwestumfahrung der B294 noch nicht existiert, als auch der Verteilungsverkehr von Pforzheimer- und Weißhoferstraße nicht auf einen Ostabschnitt des von der Landesregierung genehmigten und mit 83 Prozent Zuschuss versehenen Verteilungsrings verlagert werden konnte, ist einzig dem Widerstand von Bürgerinitiativen mit Unterstützung bestimmter Gemeinderatsfraktionen zu "verdanken". Ähnliches wiederholt sich ja ständig auch bei anderen Projekten wie Atomkraftwerken bis hin bis zu Stromtrassen und Windrädern landauf und landab. Strom kommt ja auch einfach aus der Steckdose. Es müsste doch aber jedem einleuchten, dass es nicht allein darum gehen kann, die individuelle Mobilität von den PKWs ganzjährig auf Fahrräder und auf den ÖPNV, so er denn in einem weiter verdichteten und enger getakteten, aber auch bezahlbaren Netz verbessert werden kann, zu verlagern. Ohne die Zustimmung des Brettener Gemeinderates 1983 zur Mitfinanzierung des Pilotprojektes der Stadtbahn Bretten -Karlsruhe gäbe es diesen ÖPNV vielleicht gar nicht.
Es muss vielmehr darum gehen, zunächst die Auslagerung des überregionalen LKW-Wirtschaftsverkehrs und des durchreisenden PKW-Verkehrs, sowie des durch die Kernstadt fließenden Zielverkehrs in die Stadtteile voranzutreiben. Erst dann, allenfalls gleichzeitig sollte man sich Gedanken machen, wie man den örtlichen Wirtschaftsverkehr aus LKW- Anlieferung, Handwerkerverkehr, Baustellenverkehr, Müllentsorgung, Feuerwehr und dem wachsenden Paketzustellerverkehr gebündelt auf ausreichend breiten Straßen zu seinen Zielen bringen kann. Dies könnte wie in der Altstadt auch über Mischflächen und Schritttempo erfolgen. Es darf aber nicht dazu führen, dass bisher ruhige Wohnsammelstraßen durch "Reine Wohngebiete", wie zum Beispiel in der "Wanne", einfach zu Hauptverkehrsstraßen umgewidmet werden. Verkehrsverschiebungen sind rechtlich ohne vorherige Entlastung von Fremdverkehr aus meiner Sicht kaum möglich. Hinzukommen muss auch der kommunale Wille, bei innerörtlicher Wohnnachverdichtung keine Stellplatzablösungen in der Innenstadt zuzulassen, sondern ausreichend Stellplätze zu fordern oder als Sammelgaragen für die Bewohner zu errichten. Es ist ein Witz zu glauben, die Gehwegparker seien vorwiegend Besucher. Wie man nachts sehen kann, sind es überwiegend Bewohner. Auch der Ausbau der weiterführenden Schulen hat mehr Lehrer und ältere Schüler nachgezogen, deren Wohlstand oft einen PKW mitgebracht hat. Geschuldet ist dieser Zustand auch der Aufhebung der Verwaltungsvorschrift zur Herstellung notwendiger Stellplätze vom Jahr 1996 durch die grüne Landesregierung und lockerer Neufassung.
Mein Fazit und meine Forderung: Vor Augen haben, dass Bretten keine Großstadt ist und nicht einfach nur Verkehrsflächen für Rad- und Fußwege entziehen, ohne das Gesamtproblem vom Kopf her zu denken und vielleicht zu unterstellen, vorausgegangene Verantwortliche hätten kein Konzept gehabt. Das wäre Hybris.
Gunter Lange
Bretten
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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