Kraftstoffpreise setzen Speditionen unter Druck
"Nicht jeder wird das überstehen"

Die Logistikbranche wird von den steigenden Spritkosten hart getroffen. Foto: m.mphoto - stock.adobe.com
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Region (hk) Die Logistikbranche steht aufgrund der stark gestiegenen Kraftstoffpreise vor großen Herausforderungen. Auch in den Unternehmen der Region werden das Thema und dessen Auswirkungen heiß diskutiert.

„Immens und wirtschaftlich zum Teil nicht tragbar“

Dominik Meffle, Leiter Vertrieb und Marketing bei der Brettener Spedition Wolfmüller, berichtet, dass mehrere Themen im Unternehmen präsent seien. Zum einen werde der in der Branche ohnehin schon vorhandene Fahrermangel durch den Ukraine-Krieg noch verschärft: „Das liegt daran, dass rund 30.000 Lkw-Fahrer aus der Ukraine nicht zur Verfügung stehen“, erklärt Meffle. Das wirke sich immens auf den Fahrzeugmarkt aus. Zum anderen würden die Kosten in der Lagerlogistik bei weiter steigenden Energiekosten zunehmen. „Diese Kosten können wir nicht alleine tragen und müssen sie an unsere Kunden weitergeben“, beklagt er. Die größte Herausforderung seien jedoch die derzeit „exorbitant steigenden Kraftstoffpreise“. Bei einem durchschnittlichen monatlichen Dieselbedarf von 35.000 Liter seien die Mehrkosten „immens und wirtschaftlich zum Teil nicht tragbar“, verdeutlicht Meffle. Diese Kosten müssten auch an die Kunden weitergegeben werden. Auch Armin Oharek, Geschäftsführer der Oharek GmbH aus Oberderdingen, berichtet von einem „steigenden Fahrermangel im gesamten europäischen Markt“. Für Stirnrunzeln würden die Kraftstoffpreise und die dadurch „extrem steigenden Kosten für uns als Unternehmen, aber auch für unsere Mitarbeiter“ sorgen. Denkbar sei die Einführung von Tankgutscheinen für die Mitarbeiter im Unternehmen – diese Möglichkeit der Entlastung werde derzeit geprüft. Dennoch könne auch die Oharek GmbH eine Preisanpassung, die an die Kunden weitergegeben werde, nicht ausschließen.

Branche leidet unter einer niedrigen Gewinnmarge

In der Regel, so Meffle, werde versucht, Kraftstoffkosten durch sogenannte „Dieselfloatermodelle“ abzubilden. Ein Dieselfloater ist dabei als prozentualer Zuschlag beziehungsweise Abschlag auf die Nettofracht zu sehen. „Bei steigenden Kraftstoffkosten wird dieser erhöht, bei sinkenden Preisen reduziert, bis hin zu einem Negativfloater“, erklärt er. Die Herausforderung bei diesen Modellen für Spediteure sei der Erhebungszeitraum des Zu- und Abschlags, der die Unternehmen in die Lage versetze, einige Wochen bis Monate in Vorleistung zu gehen. Als Beispiel zieht er die Dieselmenge von 35.000 Litern heran, die zu Mehrkosten im fünfstelligen Bereich führe. Man versuche, mit Kunden über kurzfristige Lösungen zu sprechen. „Dies funktioniert zum Großteil gut, da Verständnis für unsere Situation da ist“, so Meffle und ergänzt: „Trotz allem gibt es Marktbegleiter, die einen solchen Floater bei ihren Kunden nicht anwenden. Hier droht tatsächlich der Verlust der Existenz. Aus meiner Sicht wird nicht jeder, vor allem Mittelständler, diese Herausforderung überstehen.“ Zudem, so Oharek, leide die Branche generell unter einer niedrigen Gewinnmarge. „Es wird sicherlich den einen oder anderen Lieferengpass geben.“ Philipp Enderes von der Enderes Spedition und Logistik aus Bretten rechnet konkret vor: "Unsere Flotte benötigt im Monat circa 50.000 Liter Diesel, das bedeutet bei den momentanen Preisen an den Zapfsäulen eine Mehrbelastung von circa 60 Cent je getanktem Liter. Im Umkehrschluss sind das monatlich 30.000 Euro mehr, als vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine."

"Kapazitäten fehlen uns auf dem deutschen Transportmarkt"

Zumindest droht den regionalen Unternehmen nicht der Verlust ukrainischer Lkw-Fahrer. Dies sei aber bei Subunternehmern der Fall, so Oharek, und auch „direkte Marktbegleiter“ hätten diese Probleme, berichtet Meffle. Die Wolfmüller Spedition selbst beschäftigt keine ukrainischen Fahrer. Philipp Enderes weiß aber von polnischen Partnerunternehmen, dass diese viele ukrainische Fahrer angestellt haben. "Diese Kapazitäten fehlen uns natürlich auch teilweise auf dem deutschen Transportmarkt." Wie können Speditionsunternehmen nun versuchen, mit den Auswirkungen umzugehen? Grundsätzlich, erklärt Meffle, würden sogenannte „Teilpartien“ zusammen verladen, solange sie geographisch zusammenpassen. "Es ist immer das Ziel einer Disposition, einen Lkw komplett auszulasten, um wirtschaftlich zu sein."

„Komplett vom Kunden abhängig“

"Diese Denkweise hat uns nicht erst Corona oder die Ukraine-Krise beigebracht“, betont er. Dass Fahrten zu einem vollen Lkw zusammengefasst werden, ist auch bei der Oharek GmbH das Grundprinzip, um wirtschaftlich und ökologisch mit den Ressourcen umzugehen. Ob Fahrten so geplant werden, dass sie beispielsweise nicht zu den Hauptstauzeiten gefahren werden, hänge in vielen Fällen aber von den Terminvorgaben der Kunden ab. „Da aber terminlich meist zu Arbeitsbeginn abgeladen wird, ist das Fahrzeug oftmals in den frühen Morgenstunden unterwegs. Diese Zeiten sind nicht so stark frequentiert“, so Meffle. Auch Armin Oharek ist in dieser Hinsicht „komplett vom Kunden abhängig.“ Gleichzeitig müsse jeder Auftrag daraufhin überprüft werden, ob er sich noch rechne, erzählt Ralf Genthner von der R & H Genthner GdbR mit Sitz in Oberderdingen. Bei der Oharek GmbH erfolge zudem eine Nachkalkulation: „Bei allen großen Kunden ist der Dieselpreis über eine Klausel abgesichert und wird monatlich oder quartalsweise den aktuellen Preisen angepasst“, erklärt Geschäftsführer Armin Oharek.

„Größte Sorge ist, dass sich der Krieg weiter ausbreiten könnte“

Einen Ansatz gegenzusteuern, sieht Meffle zum Beispiel in der temporären Aussetzung der Steuern auf Kraftstoffe. „Das wäre eine Möglichkeit, andere Länder in Europa machen dies gerade vor“, sagt er. Seit dem vergangenen Wochenende wisse man nun auch, dass das Finanzministerium der Bundesregierung an einer Entlastung arbeite. „Wie diese aussieht und inwieweit sie auf die Logistikbranche umsetzbar ist, wird sich zeigen“, meint Meffle dazu. Doch auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs sei am Spritpreis dennoch der Großteil Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer, die im Januar angehoben wurde. Gerade Letztere habe den Preis bereits vor der Krise deutlich ansteigen lassen. Und nach wie vor gebe es eine Pandemie, die es zu berücksichtigen gelte. „Es fallen immer wieder Mitarbeiter aus, da diese in Quarantäne müssen. Das ist nach wie vor eine Herausforderung“, erinnert Oharek. Gleichzeitig müssten die Mitarbeiter schauen, wie sie es sich noch leisten könnten, zur Arbeit zu kommen. „Die allergrößte Sorge ist jedoch, dass sich der Krieg weiter ausbreiten könnte und wir dann ‚mittendrin‘ sind“, stellt Oharek klar.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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