Rainer Dosch aus Bretten: „Den Klimawandel kann man nicht abstreiten“
Der Elektroniker Rainer Dosch aus Bretten misst Feinstaub mit selbst gebauten Messgeräten und hofft auf Mitstreiter.
Bretten (hk) „Am Anfang war es reine Neugier, die mich gepackt hat, und das Messen von Feinstaubpartikeln war eine Spielerei aus Spaß – das muss ich ehrlich zugeben“, sagt Rainer Dosch aus Bretten mit einem Lachen. Inzwischen hat sich der gelernte Elektroniker in der Region einen Ruf als ernstzunehmender Feinstaub-Experte erarbeitet. Vor etwa eineinhalb Jahren kam der 65-Jährige, im wahrsten Sinne des Wortes, mit Feinstaub in Berührung, als er auf seinem Garagendach eine schwarze Staubschicht entdeckte. Dosch, der laut eigenem Bekunden aus einer „Tüftlerfamilie“ stammt, folgte seinem Entdeckergeist und stellte dabei fest, dass es für Bretten keine amtlichen Daten gibt, mit denen eine Aussage über die Belastung der Luft gemacht werden kann.
Feinstaub wird aus Millionen von privat gemessenen Werten sichtbar
Mithilfe des Stuttgarter OK Lab-Projekts „luftdaten.info“ und einem selbst gebauten Feinstaub-Messgerät begann dann seine Arbeit als Feinstaubjäger, unter anderem in Bretten, Gondelsheim, Kraichtal und Bruchsal. Aus den bundesweit übermittelten Daten privater Nutzer generiert „luftdaten.info“ eine sich ständig aktualisierende Feinstaub-Karte. So wird Feinstaub aus Millionen von privat gemessenen Werten sichtbar: Je roter eine Kachel auf der Karte ist, desto mehr Feinstaubpartikel zirkulieren dort in der Luft. „Inzwischen sind weltweit Tausende von diesen Feinstaub-Sensoren in Betrieb: Im Februar wurde die 7.000-Marke-geknackt“, freut sich Dosch. „Wenn andere morgens die Tageszeitung aufschlagen, lese ich meine Feinstaubwerte durch“, verrät Dosch, der ein stärkeres Bewusstsein für das Problem schaffen will.
50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter im Tagesdurchschnitt gelten als Grenzwert
So geht der Elektroniker, der jahrelang Erfahrungen am Karlsruher Institut für Technologie im Bereich Messtechnik gesammelt hat, mit gutem Beispiel voran. In Gondelsheim hat der Tüftler im Winter dieses Jahres eine 24-Stunden-Messung auf einem Parkplatz in der Nähe des Bahnübergangs durchgeführt. Gemessen wurden Feinstaubpartikel der Größe 2,5 und 10. „Die Konstanz der Werte hat mich sehr irritiert“, so Dosch. So lagen bei der Partikelgröße 2,5 die Werte knapp, aber stetig unterhalb der 40-Mikrogramm-pro-Kubikmeter-Marke und bei der Partikelgröße 10 im Schnitt bei etwa 60 Mikrogramm pro Kubikmeter. „Ich war überrascht und habe wesentlich geringere Werte erwartet“, sagt Dosch. 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter im Tagesdurchschnitt gelten als Grenzwert. Wenn diese Grenze an mehr als 35 Tagen im Jahr überschritten wird, müssen Kommunen Maßnahmen zur Verringerung der Luftbelastung ergreifen. Und auch Dosch will wissen: „Was nützt einem die beste Messstation, wenn man aus den damit gewonnenen Daten keine Konsequenzen zieht?“
„Halte nichts von ‚Hinterhof-Messungen‘“
In Bretten wird laut „luftdaten.info“ an drei Stellen die Feinstaub-Belastung gemessen: Im Bereich Brunnenstube, Postweg und Hebererweg. Doch das geht Dosch nicht weit genug. Es gehe ihm darum, möglichst viele Daten zu sammeln, um eine genauere Vergleichbarkeit zu erzielen. Solange es wenige Mess-Stationen gebe, könne man nicht auf Basis vergleichbarer Fakten ermitteln, zu welchem Grad die Luft verschmutzt ist. "Das Ganze muss Hand und Fuß haben – ich halte nichts von 'Hinterhof-Messungen'", bekundet Dosch. Als Erklärung bringt er ein Beispiel: „Wenn der Nachbar Holz sägt oder die staubige Straße kehrt, schnellen die Werte in diesem Bereich hoch.“ Und weiter: „Wenn ich Feinstaub messe, dann wird nicht nur der Feinstaub gemessen, der momentan lokal erzeugt wird, sondern auch die Partikel, die sich vielleicht seit einer Woche angesammelt haben.“ Um stark abweichende Werte oder Fehlmeldungen auszugleichen, brauche man zudem Referenzen. Darum wirbt er um weitere Mitstreiter: „Ich würde mir sehr wünschen, dass sich mehr Menschen mit dem Thema befassen. Denn den Klimawandel kann man nicht abstreiten.“
LUBW misst an der Pforzheimer Straße
Seit Anfang des Jahres werden auch durch die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) an der Pforzheimer Straße Messungen der Luftqualität vorgenommen. Die Konzentration von Stickstoffdioxid (NO2) wird dazu mit sogenannten „Passivsammlern“ ermittelt. Auch wenn Dosch die amtliche Messung begrüßt, habe er Bedenken. Man könne zwar anhand solcher Passivsammler Mittelwerte eines längeren Zeitraums messen, nicht aber Spitzenwerte. Einer Sprecherin der LUBW zufolge sollen die Auswertungen im Frühsommer vorliegen.
Ähnlicher Kurvenverlauf wie Profigerät
Können die Messgeräte im Do-It-Yourself-Stil überhaupt mit professionellen Geräten mithalten? Die LUBW hat in der Zeit von Anfang Februar bis Anfang April 2017 PM10-Vergleichsmessungen des von OK Lab verwendeten Sensortyps SDS011 mit einem eignungsgeprüften Feinstaubanalysator durchgeführt. Fazit: Die Messwerte weisen an Tagen mit einer mittleren Luftfeuchtigkeit und einer Staubbelastung unter 20 Mikrogramm pro Kubikmeter eine „zufriedenstellende Korrelation“ auf. Allerdings reagiert der SDS011 auf Schwankungen der klimatischen Bedingungen wie Luftfeuchte, Luftdruck und Lufttemperatur, wodurch deutliche Abweichungen auftreten. Die Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart hat dagegen festgestellt, dass die Sensoren von OK Lab im Bereich der kleineren Partikelgrößen PM 1 und PM 2,5 einen ähnlichen Kurvenverlauf wie ein Profimessgerät vorweisen. Wichtig hierbei: Es sind gerade die kleineren Feinstaubpartikel, die schwere Krankheiten verursachen können. „Die Feinstaubbelastung der Luft ist keineswegs nur ein Problem von Großstädten“, sagt Dosch. Denn: Die Feinstaubquellen seien vielfältig. Neben dem Straßenverkehr und der Landwirtschaft sei auch das Verfeuern von Pellets eine nicht zu unterschätzende Quelle. Bald will Dosch auch NOx (Stickoxid) und CO2 (Kohlendioxid) messen. „Ich warte nur noch darauf, dass ich den neuen Sensor bekomme“, so Dosch.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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