Kindergruppe Kid.T der Diakonie Bretten
Ein geschützter Raum für Kinder psychisch kranker Eltern

Wenn Eltern sucht- oder psychisch krank sind, leiden auch die Kinder. Das Gruppenangebot Kid.T der Diakonie in Bretten bietet professionelle Unterstützung.
 | Foto: Valeriy Muhmed - stock.adobe.com
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Bretten (ger) Wenn Eltern sucht- oder psychisch krank sind, leiden auch die Kinder. So kann das Stigma der Erkrankung die Kinder ebenfalls in die Isolation treiben. Sie laden zum Beispiel keine Freunde mehr nach Hause ein und suchen aus Furcht vor möglichen Konsequenzen nur selten nach Hilfe. Durch längere Arbeitsunfähigkeit oder Krankenhausaufenthalte haben die betroffenen Familien oft auch mit finanzieller Not zu kämpfen. Die Kinder- und Jugendlichengruppe „Kid.T“, die das Diakonische Werk in Bretten in Kooperation mit der Suchtberatungsstelle der Evangelischen Stadtmission Heidelberg anbietet, richtet sich an betroffene Kinder und Jugendliche zwischen acht und 16 Jahren. Das professionelle Team aus der Psychologin Sabine Junginger-Gregorian und der Sozialpädagogin Renate Fischer führt in neuer Besetzung seit Ende 2019 die Arbeit fort, gemeinsam mit Ergotherapeutin und Erlebnispädagogin Karin Kalenda, die schon seit der Planungsphase 2016 dabei ist.

Unbeschwertes Zusammensein mit Gleichaltrigen

Auch Kinder, bei denen nicht die Eltern, sondern eine andere Bezugsperson wie Großeltern oder Geschwister von einer psychischen Erkrankung oder einer Abhängigkeit betroffen sind, sind bei den Kindern der Tafelrunde, wie sie sich selbst nennen, willkommen. Die Gruppe trifft sich, nach Jungen und Mädchen getrennt, montagnachmittags alle zwei Wochen für zwei Stunden in den Räumlichkeiten der Tagesstätte „Buena Vista“ im Erdgeschoss der Diakonie und will ein unbeschwertes Zusammensein mit Gleichaltrigen, die in einer ähnlichen Familiensituation sind, in einem geschützten Rahmen ermöglichen. „In erster Linie geht es darum, bei den Kindern die Resilienz zu stärken, also die psychische Widerstandskraft “, erläutert Junginger-Gregorian im Gespräch mit der Brettener Woche/kraichgau.news. Dadurch sollen die psychosoziale Belastung und Isolation, der sie ausgesetzt sind, abgefedert werden.

Isolation und Überforderung durch familiäre Situation

Die Erkrankung eines Angehörigen kann die unterschiedlichsten Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen haben. So kann das „unausgesprochene Familiengeheimnis“ die Kinder zu Geheimnisträgern machen. Als Folge der Loyalität den Eltern gegenüber ziehen sie sich sozial immer mehr zurück, wodurch Zugang zu Hilfe von außen erschwert wird. Auch die Übernahme von Elternpflichten ist nicht selten; manche kümmern sich um jüngere Geschwister oder den Haushalt oder kontrollieren die Medikamenteneinnahme der Eltern. In der Kid.T-Gruppe kommen die Kinder mit Gleichaltrigen zusammen, die einen ähnlichen Hintergrund haben. Allein das helfe schon, viele aus der Reserve zu locken.

Ehrenamtliche Fahrer gesucht

Der Ablauf der Gruppenstunde ist immer ähnlich. Die Kinder trudeln nach und nach ein – weil manche auch aus Umlandgemeinden kommen, greift das Diakonische Werk dabei auf ehrenamtliche Fahrer zurück. „Wir könnten noch ein oder zwei ehrenamtliche Fahrerinnen oder Fahrer brauchen, die einspringen, falls jemand ausfällt“, merkt Junginger-Gregorian an. Wer eingetroffen ist, isst schon mal eine Kleinigkeit, vertieft sich in ein Buch oder spielt etwas.

Spielen, basteln, werken

In einer Anfangsrunde erzählen die Kinder, in welcher Stimmung sie sind, meistens wird danach erstmal gegessen. „In entspannter Runde plaudern wir beim Essen über dies und das, was die Kinder sehr gerne mögen“, so Junginger-Gregorian. „Die Kinder wissen, dass die Gruppe einen geschützten Raum darstellt und nichts nach außen dringt.“ Danach stehen unterschiedliche Aktionen an. Wenn es die Witterung zulässt, gehen alle zusammen zum Spielen raus. „Viele Kinder kommen direkt nach der Schule und lechzen dann erstmal nach Bewegung“, sagt die Psychologin. Neben Wikinger-Schach stehen auch der Spielplatzbesuch hoch im Kurs. Wenn es zu kalt ist oder regnet, wird drinnen gebastelt, gemalt oder gespielt. Auch eine Werkstatt mit Laubsäge und anderen Werkzeugen steht den Kindern und Jugendlichen unter Aufsicht zur Verfügung.

Wissen über Situation wird sensibel und altersgerecht vermittelt

Über unterschiedliche Medien wie Bücher und Filme oder im Gespräch erhalten die Kinder altersgerecht und in einfacher Sprache Wissen über die Erkrankung ihrer Bezugspersonen vermittelt. „Das ist bei den Kindern nicht so beliebt“, gibt Junginger-Gregorian zu. Die Betreuerinnen gehen hier aber sehr sensibel und situationsbezogen vor. „Zentral ist es, den Kindern zu vermitteln, dass es sich um Erkrankungen handelt und dass sie nichts für die Problematik können. Auch mögliche Auswirkungen auf die Familie gehören dazu und kommen zur Sprache.“ Informationen über die Erkrankung seien aber nur ein Faktor von mehreren im Resilienzkonzept, mit dem die Betreuerinnen den Kindern das Rüstzeug an die Hand geben, mit dem sie in ihrer Situation besser zurechtkommen können.

Selbstvertrauen stärken

Zugleich werden die Kinder und Jugendlichen befähigt, die eigenen Emotionen zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Im Miteinander der Gruppe lernen sie sachlich und fair den eigenen Standpunkt zu verdeutlichen und Verhaltensstrategien anzuwenden. Stressabbau durch Achtsamkeits- oder Imaginagionsübungen, Wissensvermittlung rund um das Thema Stress – wie man ihn bemerkt und wie man ihm vorbeugen kann – ergänzen das Angebot. „Bei allem geht es darum, das Selbstvertrauen zu stärken und die Kinder und Jugendlichen in eine Selbstwirksamkeit zu bringen“, erläutert Junginger-Gregorian. „Dabei können schon kleine Erfolgserlebnisse hilfreich sein, wie zum Beispiel beim Kochen mitzuhelfen oder erfolgreich eine Aufgabe zu Ende zu bringen.“ Auch für die Eltern haben die Betreuerinnen immer ein offenes Ohr. Dank ihrer hervorragenden Vernetzung stellen sie für die Kinder und ihre Familien, sofern gewünscht, auch Kontakte zu weiteren Beratungs- und Unterstützungsstellen her.

Niedrigschwelliges und kostenfreies Angebot

Das gesamte Angebot ist kostenfrei – in den ersten Jahren wurde die Finanzierung von der Aktion Mensch gefördert, seit November 2021 trägt der Landkreis Karlsruhe die Kosten – als auch ganz niedrigschwellig. Voraussetzung ist, dass die Erziehungsberechtigten einverstanden sind und natürlich auch, dass das Kind in die Gruppe kommen möchte. „Wenn Skepsis vorhanden ist, bieten wir beim Erstgespräch, das wir mit den Eltern und dem Kind führen, an, dass das Kind einfach mal zum Schnuppern kommen darf. Und bisher sind alle geblieben“, so Junginger-Gregorian. Die geltende Schweigepflicht für die Betreuerinnen sei ein wichtiger Faktor, um Vertrauen aufzubauen und Raum für Gespräche zu eröffnen.

Zusätzliches Angebot ab Februar 2022

Aufgrund der angestiegenen Nachfrage soll es ab Februar 2022 ein zusätzliches präventives Angebot für betroffene Kinder im Alter von sieben bis 13 Jahren geben. Unter dem Namen „Trampolin plus“ wird betroffenen Kindern und Jugendlichen in einem abgeschlossenen Kurs der Kenntnisstand über die Erkrankungen verbessert, die psychische Belastung durch Auflösung des Tabuthemas reduziert, effektive Stressbewältigungsstrategien erlernt sowie Selbstwert und Selbstwirksamkeitserwartung erhöht. Der Kurs geht über insgesamt neun Treffen, die einmal wöchentlich stattfinden. Bei zwei Terminen wird es parallel auch ein Angebot für die Eltern geben. Weitere Informationen gibt das Diakonischen Werk Bretten unter 07252/586 90-23 oder sabine.junginger-gregorian@diakonie-laka.de, karin.kalenda@diakonie-laka.de oder renate.fischer@heidelberger-suchtberatung.de.

Wenn Eltern sucht- oder psychisch krank sind, leiden auch die Kinder. Das Gruppenangebot Kid.T der Diakonie in Bretten bietet professionelle Unterstützung.
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Die Kid.T-Gruppe trifft sich immer montags im Erdgeschoss der Diakonie in Bretten in der Hermann-Beuttenmüller-Straße 14.  | Foto: ger
Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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