"Mut, bewährte Pfade zu verlassen"
Evangelische Landeskirche ist im Strategieprozess

Baumaßnahmen an der Kreuzkirche in Bretten werden künftig nicht mehr aus landeskirchlichen Mitteln finanziert. Foto: hk
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Bretten/Region (hk) Mit dem Strategieprozess „ekiba 2032 – Kirche.Zukunft.Gestalten“, den die Evangelische Landeskirche in Baden angestoßen hat, will sie sich den Herausforderungen der Zukunft stellen. Der Strategieprozess sei notwendig, so die Landeskirche, weil bis 2060 mit einem Rückgang der Mitgliederzahlen um 50 Prozent und damit auch der Kirchensteuereinnahmen zu rechnen sei. Neben den finanziellen Fragestellungen muss sich die Kirche aber auch den gesellschaftlichen Umbrüchen stellen. Beispielsweise erfordere der Klimaschutz die Sanierung des kirchlichen Gebäudebestandes. Auch der Generationenwechsel bei den Pfarrerinnen und Pfarrern stellt für die Landeskirche eine drängende Frage in Bezug auf die zukünftige Personalausstattung dar. Aufgrund der sinkenden Kirchensteuereinnahmen will die Landeskirche daher bis zum Jahr 2032 insgesamt 30 Prozent der Haushaltsmittel einsparen.

"Den Menschen erfahrbar machen, wie der christliche Glaube in diesen Zeiten Halt geben kann"

Eines der zentralen Themen im Zusammenhang mit „ekiba 2032“ betreffe den Generationenwechsel, sagt Dekanin Ulrike Trautz im Gespräch mit der Brettener Woche/kraichgau.news. Dem bevorstehenden Ruhestand geburtenstarker Jahrgänge stehe ein Mangel an Nachwuchskräften gegenüber. Die Anzahl der Pfarrstellen werde deshalb angepasst, um die vorhandenen Fachkräfte optimal einzusetzen. Zudem gebe es derzeit einfach nicht genug Fachkräfte für die offenen Stellen. Konkret ist geplant, die Pfarr- und Diakonenstellen in den Kirchengemeinden und -bezirken bis zum Jahr 2036 in drei Schritten um insgesamt 30 Prozent zu reduzieren. Davon ist auch der Gemeindeverband Evangelische Kirche Region Bretten betroffen. Bis 2031 müssen hier schrittweise insgesamt drei von neun Stellen eingespart werden. „Die Alternative wäre, dass jede zweite Pfarrstelle vakant wäre und vertreten werden müsste.“ Die Reduzierung der Pfarrstellen laufe also parallel zum Rückgang der Mitgliederzahlen. Im Mitgliederschwund liegt für Dekanin Trautz die Herausforderung, aber auch der Fokus: „Den Menschen erfahrbar zu machen, wie der christliche Glaube in diesen Zeiten Halt und Stütze geben kann – das ist die eigentliche Aufgabe und alles Drumherum muss dazu dienen.“ Zur inhaltlichen Neuausrichtung gehöre auch die Schaffung neuer Stellen. Mit der neuen Diakonin der Evangelischen Kirche Region Bretten, Franziska Beck, sei beispielsweise eine neue Stelle mit dem Arbeitsschwerpunkt Kinder und Jugendliche geschaffen worden.

Gemeinsame Konfirmandenarbeit in der Region

Was viel Kraft und Geld binde wie etwa die Verwaltung, soll optimiert oder reduziert werden, sagt Trautz. "Wir wollen mehr Menschen erreichen, auch jene, die der Kirche fernstehen. Das erfordert den Mut, bewährte Pfade zu verlassen." Sich abzeichnende Vakanzen in kleineren Gemeinden hätten dazu geführt, frühzeitig über neue Kooperationsmöglichkeiten nachzudenken. „Es gibt Gemeinden, die so klein sind, dass es vom Verwaltungsaufwand her nicht mehr verantwortbar wäre, sie mit vollen Stellen zu besetzen.“ Als Beispiel für eine neue Organisationsform nennt Trautz den Zusammenschluss der Kirchengemeinden Bretten und Gölshausen.

Als „Leuchtturmbeispiel“ für den verantwortungsvollen Umgang mit personellen Ressourcen führt Trautz die Konfirmandenarbeit in der Evangelischen Kirche Region Bretten an, wo mehrere Gemeinden eine gemeinsame Konfirmandenarbeit gestalten. Dieses Modell ermögliche es, Kräfte zu bündeln. „Andere Kollegen haben durch die drei Kollegen, die die Konfirmandenarbeit verantworten, eine Menge Arbeit weniger“, sagt Trautz. Ein weiteres Beispiel ist die gemeinsame Konfirmandenarbeit mit der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) in Kürnbach. Die Tauffeste seien auch eine Frucht des gemeinsamen Miteinanders und der Bereitschaft der Kirche, dorthin zu gehen, wo der Alltag der Menschen ist.

Förderverein für Kreuzkirche?

Im Rahmen des Strukturprozesses wird auch eine differenzierte Betrachtung der kirchlichen Gebäude mithilfe der sogenannten „Gebäudeampel“ angestrebt. Mit der Ampel werden die Liegenschaften klassifiziert und in drei Kategorien eingeteilt. Bislang gewährt die Landeskirche den Kirchengemeinden eine Grundzuweisung aus Steuermitteln, die unter anderem zur Deckung der laufenden Kosten dient. Sanierungen und Renovierungen kirchlicher Gebäude wurden von der Landeskirche mit bis zu 50 Prozent finanziell unterstützt. Der Strategieprozess sieht nun vor, dass in Zukunft Baumaßnahmen nur bei einem Drittel der Gebäude gefördert werden (grüne Ampel), zum Beispiel bei der Stiftskirche in der Kirchengemeinde Bretten-Gölshausen. Bei einem weiteren Drittel ist dies nicht mehr möglich (rot), zum Beispiel bei der Kreuzkirche in Bretten. „Den Komplex Stiftskirche und Gemeindehaus haben wir auf grün, weil wir für diese Region gesagt haben: Wenn es so etwas wie ein Zentrum für die Region gibt, dann ist es dort. Außerdem haben wir dort ein bezirkliches Interesse, weil unsere Bezirkskantorin dort arbeitet“, erklärt Dekanin Trautz.
Für das verbleibende Drittel steht die Entscheidung bis 2032 noch aus (gelb), wie zum Beispiel bei der Kirche in Gölshausen. Trautz betont, dass eine rote Markierung nicht zwangsläufig bedeute, dass das jeweilige Gebäude aufgegeben oder abgerissen werden müsse. Es könne anders finanziert oder umgenutzt werden. „Für die Kreuzkirche gibt es Pläne, zum Beispiel einen Förderverein zu gründen. Und die Kirche ist wahnsinnig beliebt für Hochzeiten. Da gibt es, glaube ich, ganz viele Leute, die man gewinnen kann, die diese Kirche erhalten wollen.“ Niemand wolle, dass die Kreuzkirche abgerissen wird. „Hier traut man sozusagen der Gemeinde zu, dass sie es selbst schafft, die Kirche zu erhalten.“ Die detaillierten Überlegungen, auch was das Personal betrifft, sollen bei einer Bezirkssynode am 10. November der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

"Sind als Christen nicht allein"

Kirchengebäude seien mit starken Emotionen verbunden, so Trautz: "Aber unser Heil hängt nicht von Gebäuden ab." Eine kirchliche Präsenz wolle man dennoch in jedem Ort bewahren, durch andere Ansätze wie Kindertagesstätten oder Initiativen wie den Weltladen in Bruchsal. „Es gibt diese Orte bereits, aber man muss sie als kirchliche Präsenz wahrnehmen“, wirbt sie für ein erweitertes Verständnis von kirchlichem Dasein. Außerdem, so Trautz, „sind wir als Christen nicht allein.“ Sich mit den Katholiken zusammenzutun und etwa Räume gemeinsam zu nutzen – auch darin sei Kirche präsent.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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