Zeitzeugenbericht am ESG
Norbert Sachse berichtet von den Repressalien des Sozialismus

- Norbert Sachse erzählt den Neuntklässlern am ESG von seinen Erfahrungen in der DDR.
- Foto: nat
- hochgeladen von Natascha Becker
„Ich bin in einer Diktatur groß geworden.“ Angesichts der aktuellen Entwicklungen sei es ihm ein großes Anliegen, aufzuklären, erwiderte Norbert Sachse auf die Frage, warum er auch im Rentenalter immer noch von Schule zu Schule tingelt, um von seinen Erfahrungen als rebellischer Jugendlicher und junger Erwachsener in der DDR zu berichten.
Am vergangenen Freitag war er zu Gast am Edith-Stein-Gymnasium Bretten, um allen neunten Klassen von seinen Erlebnissen zu berichten. Als Ausgangspunkt nutze er einen Auszug aus seinem Buch „Akte S. Fünf Jahre in den Mühlen des MfS“, aus welchem er seine Festnahme und den ersten Tag im Gefängnis unter menschenunwürdigen Bedingungen und Psychoterror schilderte. Mitten aus dem Unterricht an der Berufsschule wurde der damals 17-Jährige wegen staatsfeindlicher Hetze in Handschellen in die Untersuchungshaft und schließlich ins Gefängnis abgeführt.
Er hatte Flugblätter gegen die DDR-Obrigkeit verteilt und Hakenkreuze auf Sowjetsymbole gesprüht, um zu verdeutlichen, dass der Einmarsch der Sowjetunion in die Tschechoslowakei im Rahmen des Prager Frühlings 1968 mit dem Einmarsch der Nationalsozialisten gleichzusetzen sei. Dabei war er bis dahin eigentlich auf dem besten Wege gewesen ein vorbildlicher Kommunist zu werden. Der Vater war seit jeher Mitglied der SED und auch Norbert Sachse hatte als Kind und Jugendlicher alle sogenannten Kaderschmieden wie die FDJ durchlaufen. Er hatte sich sogar für die Kadettenschule in Moskau beworben: „Ich wollte unsere Welt vor dem bösen Westen beschützen“, erinnert er sich. Zum Vorstellungstermin an dieser Schule ist er dann aber schon nicht mehr aufgetaucht. Denn zwischenzeitlich hatte er beobachtet wie sich die Militärcamps der Sowjetunion aufbauten, wie diese in die Tschechoslowakei einmarschierten, hatte Gefangenentransporte mit jungen Leuten gesehen, kaum älter als er selbst, festgebunden mit Kabelbindern. Das passte nicht in sein Weltbild des humanen Kommunismus, von dem man ihm erzählt hatte. Zumal er doch sogar in Feriencamps mit tschechoslowakischen Kindern viel Zeit verbracht hatte. Von da an fing er an heimlich Westradio zu hören und erlangte dabei völlig neue Erkenntnisse. Und so malte er mit 15 die Hakenkreuze auf russische Panzer und verteilte mit 16 Flugblätter. Später sollte er erfahren, dass zu diesem Zeitpunkt bereits nach ihm gefahndet wurde.
Nach der Entlassung aus der Haft verwehrte man ihm die Möglichkeit einer Berufsausbildung; seine Ausreiseanträge wurden aber dennoch stets abgelehnt. Erst als er sich auf dem Berliner Alexanderplatz selbst anzündete, erreichte er einen Freikauf durch die Bundesrepublik.
Mit vielen Details und persönlichen, auch humorvollen Anekdoten versuchte Norbert Sachse den Neuntklässlern des ESG möglichst viel von seinen Erfahrungen mitzugeben und beantwortete im Anschluss gerne die Fragen der Schülerinnen und Schüler.
Autor:Natascha Becker aus Bretten |
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.