Interview mit Gunter Hauser
"Probleme können wir nur lösen, wenn wir zusammenhalten"

Den Gottesdienst zu seinem Abschied hat Pfarrer Gunter Hauser auch musikalisch begleitet. | Foto: privat
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  • Den Gottesdienst zu seinem Abschied hat Pfarrer Gunter Hauser auch musikalisch begleitet.
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Bretten (ger) Ende Januar ist Pfarrer Gunter Hauser mit einem Gottesdienst in den Ruhestand verabschiedet worden. Vielen in Bretten und der Region ist er durch seine Tätigkeiten in der Jugendarbeit, in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Hohberghaus und für sein Engagement in der Flüchtlingshilfe bekannt. Was hat ihn angetrieben und was am meisten berührt? Darüber hat die Redaktionsleiterin der Brettener Woche Katrin Gerweck mit ihm gesprochen.

Herr Hauser, Sie waren als Pfarrer 27 Jahre im Hohberghaus tätig und parallel dazu 20 Jahre Bezirksjugendpfarrer. Die letzten sieben Jahre waren Sie Bezirksbeauftragter für Flucht und Migration des Evangelischen Kirchenbezirks Bretten-Bruchsal. Wo liegen die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten bei diesen Tätigkeiten?
Die Gemeinsamkeiten liegen im sozialen Charakter der Arbeit, im Hohberghaus und in der Flüchtlingsarbeit konnte ich Menschen in Notsituationen helfen.
Als Bezirksjugendpfarrer habe ich Jugendlichen, die nicht in Notlagen waren, größere Perspektiven über den Bezirk hinaus eröffnet bis hin zur Teilnahme am Kirchentag und am Landesjugendtreffen. Wir haben Volleyballturniere im Bezirk veranstaltet. Es lief auch viel über die Musik. Wir haben Bezirksgottesdienste mit Musik und Band organisiert sowie Weihnachtskonzerte.
Bei der Arbeit mit Geflüchteten ist der interkulturelle Aspekt stärker, auch der religiöse Dialog zwischen Islam und Christentum. Wobei sich das auch schon im Hohberghaus angebahnt hatte. Da ich damals schon muslimische Schüler*innen hatte, haben wir neben den Kirchen auch die Grüne Moschee in Bretten besucht und der Imam war zu Besuch bei uns im Hohberghaus.

Stammt aus dieser Zeit auch Ihre Idee, das „Himmlische Fest“ ins Leben zu rufen?
Das „Himmlische Fest“ geht auf das Café International zurück. Das Team hat ein Jahresfest geplant und das Integrationsamt hatte die Idee, das mit dem Kinderfest der Stadt zu verbinden. Mir fiel dann der Begriff „Himmlisches Fest“ ein mit einer symbolisch langen Tafel durch den Stadtpark, an der sich jeder willkommen fühlen kann wie im Wort aus dem Lukas-Evangelium „Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ Die Geschwisterlichkeit aller Menschen war dabei der Grundgedanke.

Was waren die berührendsten Momente?
Immer die persönlichen Begegnungen mit den Menschen, vor allem, wenn es um große Krisen ging. Zum Beispiel wenn wir es im Hohberghaus geschafft haben, Kindern und Jugendlichen in schwersten Lebenskrisen eine neue Perspektive zu geben. Schon damals litten nicht wenige unter den Folgen von Gewalt oder sexuellem Missbrauch, ob in der Familie oder in einem anderen Umfeld. Viele leiden bis heute darunter mit schweren psychischen Folgen. Es war vor über 30 Jahren schon klar, dass wir als Gesellschaft dieses Thema mal gründlich aufarbeiten müssen. Das passiert jetzt und ich hoffe, dass die Kirchen da eine vorbildliche Arbeit leisten. Andere Bereiche werden folgen. Ich finde es bewegend, wenn mich heute noch ehemalige Schüler*innen anrufen und um Rat fragen, oder auch nur um zu zeigen, „ich hab’s geschafft“.
Eine sehr schöne Geschichte gab es im Migrationsbereich mit einer jungen Frau aus dem Kosovo. Sie ist zunächst freiwillig wieder zurück in ihre Heimat und konnte dann mit einem Berufsvisum wieder kommen. Sie ist hochqualifiziert und spricht viele Sprachen. Sie hat in der Kultur-sensiblen Altenhilfe begonnen und ist inzwischen Pflegedienstleiterin in einem Pflegeheim. Die vielen Unterlagen, die Menschen hier vorlegen müssen, um mit einem Arbeitsvisum zu uns zu kommen, können sie in den meisten Fällen gar nicht selbst besorgen. Sie müssen einen Arbeits- und einen Mietvertrag vorlegen. Für die Arbeitsstelle muss nachgewiesen werden, dass kein anderer Bewerber für sie in Frage kommt. Die Gleichwertigkeit des Schulabschlusses muss nachgewiesen werden, wobei in den Heimatländern andere, auch falsche Maßstäbe angewandt werden. Der ganze Prozess dauert über zwei Jahre. Es ist wirklich eine Odyssee, auch für hochqualifizierte Kräfte, die wir ja brauchen.

Was war Ihr Antrieb in all den Jahren?
Einfach die Menschen. Es ist immer wieder lohnend, was an Wertschätzung und Freundschaft zurückkommt. In meinen Augen macht es keinen Sinn die Menschen nach Hautfarbe oder Religionen aufzuteilen. Wir sind alle Geschöpfe dieses einen großen Geistes, der unsere Welt mehr als 13 Milliarden Jahre vor uns gestartet hat.

Wie sehen Sie die politische und gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland im Hinblick auf die Erstarkung von Parteien an den Rändern, die Rassismus und Nationalismus vorantreiben?
Das macht mir große Sorgen. Nationalismus wird überall stärker, hat aber in der Geschichte immer zu Krieg geführt. Die Probleme der Welt können wir nur lösen, wenn wir alle zusammenhalten. Die Welt ist inzwischen ein Dorf. In Kultur und Wissenschaft arbeiten schon längst alle zusammen, auf der ISS forschen Russen und Amerikaner Seite an Seite. Durch Trennung werden wir nur schwächer. Wir sind alle Geschwister, wenn alle zusammen arbeiten, geht alles besser. Die Migranten aus Deutschland jetzt fortzuschicken, würde gar nicht funktionieren. Viele Industriebetriebe müssten schließen, der Pflegebereich und das Handwerk hätten noch weniger Fachkräfte, das ganze Wirtschafts- und Rentensystem würde zusammenklappen. Die meisten Migranten machen notwendige Arbeit, sie zahlen Steuern und Sozialbeiträge und sind wertvolle Mitbürger.

Sie sind ja auch Musiker und Produzent, zum Beispiel organisieren Sie seit Jahrzehnten Songwriting-Seminare. Konzentrieren Sie sich nun im Ruhestand ganz darauf?
Tatsächlich arbeite ich zu 30 Prozent noch zwei Jahre weiter bei der Kirche, weil man keine Nachfolge gefunden hat. Aber jetzt habe ich mehr Zeit für die Musik. Gerade geht das Europe Spirit Songwriting in die nächste Runde, bei dem sich im August Musikerinnen und Musiker in Straßburg treffen, um gemeinsam neue Songs zu schreiben. Außerdem produzieren wir in England den jungen Songwriter Rory Douglas und in Deutschland das Duo „In Dialogue“, und etwas Neues aus der Reihe Spirit’n’Jazz wird es auch geben. Nach der letztjährigen Single "Turn Around" kommt in diesem Jahr wahrscheinlich eine neue Single mit dem Titel "Freedom".

Den Gottesdienst zu seinem Abschied hat Pfarrer Gunter Hauser auch musikalisch begleitet. | Foto: privat
Gunter Hauser | Foto: privat
Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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