Interview mit dem Jugendschutzbeauftragten der Stadt Bretten
„Verständnis, Aufmerksamkeit und Hilfe sind gefragt“
Bretten (hk) Michael Krüper ist als Jugendschutzbeauftragter der Stadt Bretten, auch bekannt als „Kümmerer“, ehrenamtlich im Einsatz, um Jugendliche über das Thema Sucht aufzuklären. Im Gespräch mit der Brettener Woche/kraichgau.news blickt der 55-Jährige auf ein herausforderndes Jahr zurück.
Herr Krüper, wie sah Ihr Arbeitsalltag im Corona-Jahr 2020 aus?
Da muss man zwischen meinem Hauptberuf und meinem Ehrenamt als Jugendschutzbeauftragter differenzieren. Hauptberuf lich bin ich als „Schwimmmeister“ (Bademeister) im Schichtdienst tätig. Aufgrund meines Schichtdienstes war es nicht immer leicht, meinem Ehrenamt gerecht zu werden und als Ansprechpartner da zu sein. Zusätzlich führte ich tagsüber, aber auch abends und nachts Kontrollen in Bretten und in den Stadtteilen durch, aus präventiven Gründen oder wenn es Beschwerden von Bürgen gab, die an mich weitergeleitet wurden und denen ich nachging. Zusätzlich habe ich versucht, im Haus der Jugend Bürgersprechstunden anzubieten.
Haben sich im vergangenen Jahr Ihre Aufgaben verändert?
Selbstverständlich. Die Jugendlichen hatten bei Treffen mit ihren Freunden ab und zu keine Masken auf und die Abstandsregeln wurden nicht eingehalten, weil sie sich der Gefahren gar nicht so richtig bewusst waren. Bei Gesprächen mit den Jugendlichen und der Auf klärung über die Gefahren, haben die Jugendlichen begriffen, dass es um ihren Schutz für Leib und Leben geht und sie ihre Familien und andere Personen Gefahren aussetzen, die vermeidbar sind.
Vertrauen ist eine elementare Komponente im Jugendschutz und bei der Präventionsarbeit. Wie haben Sie, trotz Kontaktbeschränkung, eine vertrauliche Atmosphäre aufgebaut?
Im Frühjahr und Sommer war es kein Problem, den Jugendlichen, unter Einhaltung der Schutzmaßnahmen, zu begegnen und Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Auch habe ich die sozialen Medien genutzt, um mit den Jugendlichen in Kontakt zu bleiben. In Bretten und Umgebung kennt man mich auch schon. Mir wurde vor kurzem einmal gesagt, ich sei bekannt wie ein bunter Hund, womit man mir mitteilen wollte, dass man mich kennt und weiß, dass man mit mir sprechen und mir Dinge anvertrauen kann. Wenn ich privat mit meiner Frau in Bretten unterwegs bin, werde ich öfter angesprochen und als Jugendschutzbeauftragter erkannt. Dadurch, dass ich Vater und Opa bin und durch meinen Hauptberuf viel mit jungen Menschen zu tun habe, spreche ich gewissermaßen die Sprache der Jugendlichen.
Hatten Sie den Eindruck, dass sich das Konsumverhalten oder die Probleme der Jugendlichen durch die Krise verändert haben?
Die Jugendlichen, die mit Alkohol in Kontakt kommen, sind meiner Meinung nach immer jünger. Auch ist der Konsum von Cannabis immer öfter ein Thema meiner Arbeit als Jugendschutzbeauftragter. Was mich auch sehr beunruhigt und mir Sorge bereitet, ist die zunehmende Neugier von Jugendlichen Neues auszuprobieren. Ich warne immer davor und sage, dass kein Alkohol und keine Droge und andere bewusstseinsverändernde Substanzen es wert sind, sie zu probieren und zu konsumieren. Erwähnenswert ist an dieser Stelle die Tatsache, dass der Konsum von Zigaretten stark rückläufig ist und das ist erfreulich.
Was hat Sie 2020 besonders herausgefordert?
Eine Herausforderung ist es immer wieder, auf vielfältige Weise, den Kontakt zu Kindern, Jugendlichen, Heranwachsenden, den Erziehungsberechtigten und so weiter zu halten und zu erweitern. Herausfordernd ist es auch, anderen begreif lich zu vermitteln, dass Gewalt oft im Zusammenspiel mit Alkohol und Drogen stattfindet und das nicht immer zu trennen ist. Auch Mobbing ist Gewalt und kommt immer öfter vor, was mich sehr besorgt und beschäftigt. Mobbing wird in unserer Gesellschaft immer noch heruntergespielt und belächelt. Das finde ich schlimm und ich kämpfe dagegen an und versuche andere Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren.Ich finde es wichtig, dass ich mich für meine „Arbeit“ beziehungsweise Berufung weiterbilde. Ich habe mich sehr gefreut, dass das Ordnungsamt und die Stadt Bretten es mir ermöglicht haben, ein Seminar zum Thema Gewalt und Gewaltprävention besuchen zu können und würde es begrüßen, wenn es mir nach der Pandemie ermöglicht wird, weitere Seminare und Weiterbildungen zu besuchen. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Stadtverwaltung und insbesondere das Ordnungsamt mich immer unterstützt haben, egal welche Anliegen und Wünsche ich hatte und mir wichtig waren. Auch möchte ich darauf hinweisen, dass das Ordnungsamt und die Stadt Bretten mir ein Handy zur Verfügung gestellt haben, auf dem ich in meiner Funktion als Jugendschutzbeauftragter unter 0152 25663410 erreichbar bin.
Hatte die Krise denn eventuell auch einen positiven Einfluss auf Ihre Arbeit?
Nein, genau das Gegenteil ist der Fall. Die Pandemie erschwert meine Arbeit sehr. Oft stoße ich an Grenzen, die es gilt, zu überwinden. Es ist normal, dass sich die Jugendlichen in der kalten Jahreszeit aus der Öffentlichkeit mehr in den privaten Bereich zurückziehen. Durch die Pandemie wird dieser Trend noch intensiver. Aber es spornt mich auch an, Wege zu finden, um doch Kontakt zu den Jugendlichen und Erziehungsberechtigten zu finden. Da kommen dann wieder die sozialen Netzwerke und Medien ins Spiel.
Gibt es etwas, das jeder Einzelne zum Schutz gefährdeter Kinder tun kann?
Ja, jeder Einzelne sollte verstärkt mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen. Man sollte die Scheuklappen, die uns nur in eine Richtung führen, beiseitelegen und auch mal über den Tellerrand hinausschauen und sich mehr Zeit für Kinder und Jugendliche nehmen. In der heutigen, schnelllebigen Zeit vernachlässigen Erwachsene oft, meist unbewusst, die Schutzbefohlenen. Dadurch, dass beide Partner in einer Familie arbeiten müssen, um den Lebensunterhalt zu stemmen, geraten immer mehr Kinder und Jugendliche ins Abseits und werden sich selbst überlassen. Es sind oft nicht die materiellen Dinge, die Kinder und Jugendlichen brauchen. Ich appelliere auch an alle Mitmenschen, aufmerksam zu sein und wenn Kinder und Jugendliche offensichtlich in Not sind, einzugreifen oder Hilfe von Polizei, Rettungsdienst oder aber auch von mir anfordern – und nicht zu denken, dass sie das nichts angeht. Verständnis, Aufmerksamkeit und Hilfe sind hier gefragt.
Welche Ziele haben Sie sich für 2021 gesetzt?
Viele Ziele, die ich mir für das Jahr 2020 gesetzt hatte, waren und sind wegen der Pandemie nicht zu realisieren gewesen und traten aufgrund der ernsten Lage in den Hintergrund, obwohl das Thema Jugendschutz sehr wichtig ist. Nicht realisieren konnte ich ein Treffen mit Schulleiter der Schulen in Bretten, mit den Ortsvorstehern, mit einem Streetworker des Internationalen Bunds, mit dem Jugendgemeinderat, mit Mitarbeitern des Hohberghauses Bretten, mit Oberbürgermeister Wolff und Bürgermeister Nöltner, mit dem ehemaligem Jugendschutzbeauftragten Hans Schmitt und mit Einrichtungen und Beratungsstellen. Diese Dinge versuche ich, trotz Pandemie, dieses Jahr zu realisieren.
Die Fragen stellte Redakteurin Havva Keskin.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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