Migrationsfamilien stärken
Zu Besuch beim "Emoji"-Workshop im Diakonischen Werk
Bretten (hk) Bretten "Kinder werden durch die Fluchterfahrung Dingen ausgesetzt, denen ein Kind nicht ausgesetzt sein sollte", bringt es Sozialpädagogin Patricia Böckle auf den Punkt. Diplom-Sozialpädagoge Michael Diem und Psychologin Sabine Junginger-Gregorian nicken zustimmend. Das Team des Projekts "Emoji" war am Donnerstagvormittag letzter Woche beim Diakonischen Werk in Bretten anzutreffen. "Emoji" ist ein Angebot der Psychologischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Diakonischen Werkes Bretten. Es richtet sich an Kinder mit Migrations- und Fluchterfahrung im Alter von acht bis zehn Jahren, damit sie sich mit Kindern, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, austauschen und bei abwechslungsreichen Aktivitäten wie Basteln und Spielen auch neue Freundschaften schließen können. „Migrationsfamilien stärken“ lautet der Untertitel des Projekts, das von der Evangelischen Landeskirche in Baden angestoßen wurde.
Zum ersten ist eine Sprachmittlerin dabei
An fünf Workshop-Tagen haben die Kinder ein ausgewogenes Programm vor sich. Im Mittelpunkt von "Emoji" stehen Gespräche über Gefühle, Heimat, die eigenen Stärken und kulturelle Vielfalt: "Es besteht ein unheimlich großer Redebedarf. Es ist manchmal ganz schön schwierig, alle Geschichten unterzukriegen", sagt Diem mit einem Lächeln. Dass dieses Mal ukrainische Kinder ohne Deutschkenntnisse mit Kindern aus dem Irak oder Polen zusammenkommen, die bereits Deutsch können, sei eine besondere Herausforderung und eine Premiere für die fünfte Runde des Emoji-Workshops, so Böckle. Aus diesem Grund ist eine Sprachmittlerin anwesend, die die Schilderungen der ukrainischen Kinder – zum Beispiel Erzählungen über ihre Migrationswege – ins Deutsche übersetzt und umgekehrt die Fragen der deutsch sprechenden Kinder ins Ukrainische.
Lebhafte Erinnerungen an die Flucht
Dabei kommt so manches Erlebnis ans Tageslicht, das "auch uns sehr berührt", berichtet Junger-Gregorian. Durch die Schilderungen der Kinder, die beispielsweise von den Sammelstellen handeln, werde klar, dass "man als Familie keine Privatsphäre hat. Es gibt nur Stofftrennwände. Die Kinder bekommen jedes negative Gefühl auf der anderen Seite der Trennwand mit. Man kann sich dem nicht entziehen, und man kann noch so sehr darum kämpfen, dass es einem besser geht. Aber wenn alle um einen herum weinen, ist das nicht einfach", sagt sie. Berührend sind zum Beispiel die Erlebnisse der kleinen Ella, die sich lebhaft an ihre Flucht aus ihrer Heimat Ukraine über Moldawien nach Deutschland erinnert: Wie sie in den Fernsehnachrichten sah, dass der Krieg begonnen hatte und wie ihre Mutter daraufhin einkaufen ging, weil sie nicht wusste, wie es weitergehen würde. Sie mussten sich drei Tage lang im Keller verstecken, während die Stadt bombardiert wurde. Ella erzählt, wie sie und ihre Familie sich mit nur einem Koffer und drei Taschen auf den Weg zur Sammelstelle machten. Unterwegs, sagt sie, wurde der Koffer gestohlen. Einige Zeit verbrachten sie in der Sammelstelle, bevor sich die Familie nach einer fast 24-stündigen Autofahrt in Deutschland in Sicherheit bringen konnte.
Mit Gefühlen umgehen und sie regulieren
Es kommen aber auch positive Erfahrungen der Kinder zum Vorschein: So berichtet Evelyn aus der Ukraine von den Süßigkeiten in der Sammelstelle in Polen, die sie zuvor noch nie gegessen hatte. Oder die Erinnerung von Ella an einen Spielplatz in der Nähe der Sammelstelle. Bei "Emoji" lernen die Kinder, ihre Gefühle zu benennen, berichtet Diem und fährt fort: "Die Kinder lernen auch, mit ihren Gefühlen umzugehen und sie zu regulieren." Auf diese Weise erhalten die Kinder "Werkzeuge", also Strategien, um mit ihren Gefühlen umzugehen, wenn sie von ihnen überwältigt werden. Durch die Anwesenheit der Sprachmittlerin lernten die Kinder, aufeinander Rücksicht zu nehmen, indem sie warteten, bis die Übersetzung fertig war. Es sei lobenswert, wie rücksichtsvoll und geduldig die Kinder trotz der Sprachbarrieren miteinander umgehen. Bei der Abschlussfeier mit den Eltern und Kindern, habe sich dem Emoji-Team wieder einmal gezeigt, wie wichtig ihr Angebot für diese Familien ist, berichten Böckle, Diem und Junger-Gregorian rückblickend. "Die Kinder haben es auf ihre Art in der Rückmeldung formuliert: Mehr Emoji!", sagen sie.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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