"Ziel eines schlanken Staates"
Der Knittlinger Bürgermeister Alexander Kozel ist Mitglied im Normenkontrollrat

Der Knittlinger Bürgermeister Alexander Kozel Foto: privat
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Knittlingen (kuna) Die Verwaltung von der überbordenden Bürokratie zu befreien: Das ist das Ziel des Normenkontrollrates (NKR) Baden-Württemberg. Mit seiner fachlichen Expertise beteiligt sich dabei auch der Knittlinger Bürgermeister Alexander Kozel (Grüne). Vor einem halben Jahr wurde er zum Mitglied des Gremiums berufen – so wie fünf weitere Personen aus Politik und Wirtschaft.

Beratung vor allem für neue Gesetze

Mit der personellen Veränderung strebt die Landesregierung laut eigener Angabe auch eine inhaltliche Neuausrichtung an. "Weg von einem Kontrollgremium hin zu einem echten Beratungsgremium", so die Worte von Ministerpräsident Winfried Kretschmann im September vergangenen Jahres. „Wir sind sechs Experten aus Verwaltung, Kommunen und Wirtschaft, die die Landesregierung ehrenamtlich im Bereich der Entbürokratisierung beraten“, erklärt Kozel. Diese Beratung betreffe in erster Linie neue Gesetzesvorhaben. „Aber auch zu bestehenden Gesetzen können wir Anregungen abgeben“, meint der Bürgermeister. Neben ihm sind zwei ehemalige Oberbürgermeister, eine Landrätin, ein Bürgermeister und die Hauptgeschäftsführerin der IHK Region Stuttgart mit an Bord. Sie übernehmen die Aufgabe für fünf Jahre.

Bürokratie sorgt im Idealfall für "hohe Einzelfallgerechtigkeit"

Doch kann die Bürokratie auch Sinn ergeben? „Diese Frage haben wir im Normenkontrollrat schon ausgiebig diskutiert", so Kozel. "Bürokratie ist wichtig, auch wenn sie häufig unflexibel und zeitraubend wirkt. Sie sorgt für Klarheit, gleiche und transparente Bedingungen sowie Nachvollziehbarkeit." Im Idealfall sorge die Bürokratie für eine "hohe Einzelfallgerechtigkeit". "Ohne klare Regelungen und Formalitäten drohen Willkür und Anarchie", so der Bürgermeister.

Wenn Vorschriften sich gegenseitig widersprechen

Dennoch fallen Kozel so einige Fälle ein, in denen die Bürokratie nur wenig förderlich ist. "Ob nun Brandschutz und Denkmalschutz gegenseitig verhindern, dass ein historisches Gebäude saniert und genutzt werden kann, oder ob Naturschutz und Hochwasserschutz sich gegenseitig widersprechen und man so entweder einen zusätzlichen Damm bauen oder ein geschütztes Biotop auf dem bisherigen Damm beseitigen müsste", zählt er auf.

Zu viel Bürokratie macht es kompliziert

Auch anhand des Baurechts könne man gut erklären, dass es die Dosis Bürokratie sei, die als störend empfunden wird. "Jede einzelne Regelung wie beispielsweise Stellplatzverpflichtung, Brandschutz, Vorgaben zu Baumaterial, Abstandsflächen oder Lärmschutz ist für sich gesehen absolut nachvollziehbar. Wenn man aber für den Bau eines Wohnhauses zig verschiedene Regelungen beachten muss, wird es kompliziert und dauert länger", so Kozel.

Aus Einwilligungs- eine Widerspruchslösung machen

Doch wie könnte man solche Fälle vereinfachen? In manchen Fällen könnte eine zusätzliche gesetzliche Regelung zu einer Entbürokratisierung führen, findet der Bürgermeister. "So könnte man beispielsweise die zig tausenden datenschutzrechtlichen Einwilligungen für die Öffentlichkeitsarbeit im Kindergarten abschaffen, indem dort gesetzlich festgelegt wird, dass grundsätzlich von einer Zustimmung ausgegangen wird. Man könne aber jederzeit widersprechen. Also aus einer Einwilligungs- eine Widerspruchslösung machen“, so Kozel.

"Ziel eines schlanken Staates"

Genau solche "bürokratischen Stilblüten" zu verhindern, wie Kozel es nennt, oder zumindest dafür zu sorgen, dass durch neue Gesetze keine Mehrbelastung entsteht, ist die Aufgabe des NKR. „Wir sehen uns als unabhängiges Beratungsgremium und die Zusammenarbeit ist hervorragend. Für uns steht das Ziel eines schlanken Staates im Vordergrund“, erklärt der Knittlinger Bürgermeister. „Gestützt von diesem Wunsch, den buchstäblichen Brombeerstrauch der Bürokratie etwas zurückzuschneiden, werden wir als Normenkontrollrat klare und bei Bedarf auch sehr kritische Stellungnahmen gegenüber dem Land abgeben." Am Ende würde es aber immer das Primat der Politik geben. Das heißt, dass nur der Landtag beziehungsweise die Landesregierung die Landesregelungen ändern könne.

Praxis-Check für Gesetzentwürfe

Seit seiner Konstituierung im Oktober 2023 fängt der NKR jedoch nicht bei Null an. „Der vorherige Normenkontrollrat hat sehr gute Empfehlungen zum Bürokratieabbau beispielsweise im Bäckereihandwerk aufgestellt. Hier sehen wir es als unsere Aufgabe, die noch nicht umgesetzten Empfehlungen in Erinnerung zu behalten“, so Kozel. Doch die hauptsächliche Aufgabe bestehe darin, zu aktuellen Gesetzgebungsverfahren Stellungnahmen abzugeben. „Zudem haben wir uns schon mit dem Großteil der Minister unterhalten können. Es stehen noch wenige Gespräche an." Eine Neuerung sei zudem, dass der NKR in Zusammenarbeit mit dem jeweils zuständigen Ministerium für ein Gesetzgebungsverfahren einen sogenannten Praxis-Check durchführen könne. Dabei werden Regelungsentwürfe modellhaft einer praktischen Anwendung unterzogen.

Ehrenamtliche Aufgabe

Und wie viel Zeit kostet die Mitarbeit im NKR dem hauptamtlichen Bürgermeister eigentlich? „Es ist eine ehrenamtliche Aufgabe, die natürlich ihre Zeit kostet. Schätzungsweise ist es etwa ein halber Tag pro Woche, wobei ich als Bürgermeister ohnehin über die neusten Gesetzesvorhaben informiert sein sollte“, erläutert Kozel.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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