Arm trotz Rente und Grundsicherung
Horst Mang hat im Alter nicht genug zum Leben
Oberderdingen-Flehingen (ger) „150 Euro muss ich jeden Monat zusätzlich aufbringen, da meine Rente und Grundsicherung zu gering sind. So viel plane ich monatlich für Essen, Kleidung und Sonstiges. Wer kann mir regelmäßig einen kleinen Beitrag überweisen?“ Altersarmut ist auch in der Region ein großes Thema, das sich aber eher im Verborgenen abspielt und nur selten so deutlich zutage tritt, wie im Text dieser Kleinanzeige. Welches Schicksal steckt dahinter?
Rente von 440 Euro
Aufgegeben hat die Anzeige Horst Mang. Im Gespräch mit ihm wird schnell klar, dass Armut auch Menschen treffen kann, bei denen man es nicht erwartet. Mang ist 78 Jahre alt. Er bekommt nur eine kleine Rente von 440 Euro, hat aber fast sein Leben lang gearbeitet. Begonnen hat er seine berufliche Laufbahn als Funktechniker. In den 70ern hat er Funktürme gewartet. Dazu musste er nicht selten an den Masten hochsteigen, auf eine Höhe von 70 bis 140 Meter. Eine Aufgabe nur für ganz Unerschrockene, waren die Sicherheitsvorkehrungen damals doch eher mau. Dementsprechend bestand der Arbeitstrupp, den er leitete, aus einer Handvoll hervorragender, aber waghalsiger Techniker. „Irgendwann konnte ich das nicht mehr, weil mir die Verantwortung für diese Menschen zu groß war“, sagt er.
"Bis Sie in Rente sind, gibt es die Einheitsrente"
Er machte sich selbstständig mit dem Vertrieb und der Wartung von mobilen Heizgeräten für Industriebetriebe. „Es war ein Saisongeschäft. Im Sommer verdienten wir weniger als im Winter“, erläutert Mang. Es war jedoch genug, um seinen drei Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Wegen der Selbstständigkeit ist Mang heute noch privat versichert. Der Steuerberater riet ihm, keine private Rentenversicherung abzuschließen. „‘Bis Sie in Rente sind, gibt es die Einheitsrente‘, sagte er damals zu mir“, erinnert sich der 78-Jährige. Aber dann ging die Firma insolvent. Durch neue Standards beim Bau von Industriehallen waren keine mobilen Heizgeräte mehr nötig.
Herzinfarkte bremsen rüstigen Rentner aus
Bis vor fünf Jahren hat sich der gebürtige Offenbacher noch mit Verkaufsjobs über Wasser gehalten, aber jetzt, nach mehreren Herzinfarkten, gehe das einfach nicht mehr. Bis Ende September hat Mang in Bad Rappenau gewohnt. Aber die Nebenkosten seiner Wohnung seien so gestiegen, dass er sich nach günstigerem Wohnraum umgesehen habe. In Flehingen wurde er fündig. Da die Wohnung aber erst ab Januar frei wurde, wohnte er zwischenzeitlich für drei Monate zur Zwischenmiete in einem Brettener Stadtteil bei seiner Tochter.
Grundsicherung reicht nicht aus
Laut der Deutschen Rentenversicherung kann derjenige, dessen gesamtes Einkommen unter 924 Euro liegt, prüfen lassen, ob er Anspruch auf Grundsicherung (GS) hat. Die GS soll den Lebensunterhalt, Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie Vorsorgebeiträge abdecken. Sie berechnet sich aus einem Regelbedarf – bei Alleinstehenden wie dem geschiedenen Horst Mang beläuft er sich auf 449 Euro – plus dem Bedarf für Unterkunft und Heizung. Letzterer entspricht jedoch nicht den tatsächlichen Kosten, die sich bei Mang für 47 Quadratmeter auf 685 Euro Warmmiete (ohne Strom und Internet) belaufen. Stattdessen berücksichtigt das Amt für Grundsatz und Soziales nur die am Ort „geltenden maximal angemessenen Werte für einen Ein-Personen-Haushalt“ und erstattet ihm nur 501 Euro.
Tafel als wichtiges Standbein
Abzüglich Krankenversicherung (384,58 Euro) und Pflegeversicherung (61,80 Euro) bekommt Mang voraussichtlich 648,38 Euro Grundsicherung. Das hat er selbst berechnet, denn seit Oktober, seit er also in den Landkreis gezogen ist, hat er noch kein Geld bekommen. Die Sachbearbeiterin beim Amt für Grundsatz und Soziales habe sich beim letzten Telefonat aber optimistisch gezeigt, dass sich der Amtsleiter "bei Gelegenheit" darum kümmern werde. Mit Strom, Handy und Internet, Medikamenten und Arztzahlungen, Fahrtkosten (Auto hat er keins mehr), Lebensmittel, Kleidung und allem, was man sonst zum Leben braucht, geht Mang davon aus, dass ihm bei der derzeitigen Inflation monatlich an die 200 Euro fehlen. In Bad Rappenau hatte er einen Tafelausweis, dort wird er auch in Oberderdingen wieder hingehen müssen.
Geld für Weihnachtsgeschenke ist nicht drin
Mang ist ein nüchterner, pragmatischer Typ. Er ist gut informiert und bleibt mit Ausdauer am Amt dran, um sein Geld zu bekommen. Dass die sozialen Leistungen Menschen wie ihm nicht reichen, findet er durchaus ungerecht und sieht auch den sozialen Sprengstoff darin. „Geld beiseite zu legen, für Weihnachtsgeschenke für die Enkel zum Beispiel, ist eigentlich nicht möglich“, bedauert er.
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.