Im Knittlinger Gemeinderat herrscht dicke Luft
„In der Sache meilenweit voneinander entfernt“
Knittlingen (ger) "Eine gute Nachricht aus Knittlingen", hieß es in einer Mail aus dem Rathaus kurz vor Pfingsten. Der Haushaltsplan 2023 der Stadt sei von der Kommunalaufsicht Enzkreis genehmigt worden. Jetzt könne die Stadtverwaltung den vom Gemeinderat mehrheitlich beschlossenen Plan umsetzen. Und gerade das „mehrheitlich“ im Beschluss sorgt für Unruhe im Gremium. Drei der fünf SPD-Räte, nämlich Jörg Steinhilper, Michael Arnold und Timo Steinhilper, sowie der einzige PWV-Stadtrat, Ralf Schwarzien, hatten dem Haushalt nicht zugestimmt. Die CDU-Fraktion meldete sich daraufhin in einer Pressemitteilung zu Wort, in der sie zu einem "Schulterschluss zwischen Stadtverwaltung und Gemeinderat" aufrief und den kritischen Räten „Symbolpolitik“ vorhielt. Diese wiederum konnten diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und widersprachen in sehr ausführlichen Mitteilungen.
Die Vorgeschichte
Zur Vorgeschichte: Der im Februar einstimmig beschlossene Haushaltsplan war von der Aufsichtsbehörde wegen der schlechten Finanzlage abgelehnt worden. "Einnahmen erhöhen, Ausgaben senken", waren die Hausaufgaben, die die Stadt mitbekam. Und so wurden Gewerbe-, Grund-, Hunde- und Vergnügungssteuer sowie die Gebühren für Kindergarten, Schulkindbetreuung, Parken, Friedhof sowie Eintrittsgelder für Faustmuseum und Freibad erhöht. Gleichzeitig spart die Stadt künftig, wenn irgendwie möglich, bei Versicherungen, Gebäudeunterhalt und -reinigung und baut mittelfristig Personal ab. Aber – und das war explizit der Grund dafür, dass die vier Ratsmitglieder den Haushaltsplan ablehnten – auch alle "Investitionen, die nicht dringend geboten sind", wurden zurückgestellt. Das traf neben einer Pumptrack-Anlage (es handelt sich um einen Radparcours, vornehmlich für die Jugend) und die Sanierung des Dorfplatzes in Kleinvillars auch das Steinhaus und die Alte Kelter.
"Gravierende Vorwürfe haben uns überrascht"
Jörg Steinhilper, Sprecher der SPD-Fraktion, sagte im Gespräch mit dieser Redaktion, die Mitteilung der CDU „mit gravierenden Vorwürfen“ habe ihn überrascht. Die Erwiderung der SPD, nachzulesen auch im Knittlinger Amtsblatt, sei so ausführlich, damit die Bevölkerung die Zusammenhänge nachvollziehen könne. Für SPD und PWV geht es vor allem um die Kelter, die als Veranstaltungsraum dringend benötigt würde. Wie auch das Steinhaus im Sanierungsgebiet „Historische Altstadt“ gelegen, würden dort 60 Prozent Fördergelder von Bund und Land auf zuwendungsfähige Kosten kommen. Bei der Sanierung des Sportplatzes, die die CDU, anders als die der Kelter, vorangetrieben habe, seien es dagegen nur sieben Prozent, rechnet Schwarzien in seiner Mitteilung vor. Das Sanierungsgebiet läuft bald aus, dann stünden die Gelder dafür nicht mehr zur Verfügung. „Die Projekte im Sanierungsgebiet sollten doch Priorität genießen. Wie stehen wir dann auch bei den Geldgebern da, wenn wir das Geld nicht abrufen?“, sorgt sich Jörg Steinhilper, auch im Hinblick auf künftige Sanierungsgebiets-Anträge.
"Kalthalle schafft keine Abhilfe für Hallenmisere"
Der Vorschlag der CDU, die Kelter nur als Kalthalle zu sanieren, würde der Hallenmisere, die ja gerade bei kalter Witterung zu Buche schlage, nicht viel bringen. Es sei auch nicht wahr, dass immer neue Wünsche seitens der SPD die Sanierung, die schon seit 2015 anvisiert sei, verzögert habe. Das damals gegründete ehrenamtliche Ausbaugremium, in dem auch der frühere CDU-Sprecher Klaus Meiser gewesen sei, habe verschiedenen Ausbaustufen vorgeschlagen. Von den größeren Fraktionen im Rat seien immer wieder Erkenntnisse angezweifelt und gefordert worden, sie nochmals zu überprüfen. So sei es zum Beispiel mit einer früheren Teilunterkellerung gewesen, die bestanden hatte und nur provisorisch aufgefüllt worden sei. „Da man diesen Bereich sowieso wieder ausheben muss, würde sich doch anbieten, dort Toiletten zu schaffen“, so Jörg Steinhilper.
"Investive Haushalt war aufgebläht"
Ein Problem sei auch, so Steinhilper, dass der investive Bereich in den Haushalten der letzten Jahre geradezu aufgebläht gewesen sei. „In 2022 haben wir doppelt so viel geplant, wie dann wirklich ausgeführt wurde. 2023 wollten wir zwölf Millionen Euro investieren, in Spitze haben wir in einem Jahr fünf Millionen Euro tatsächlich investiert“, macht er auf die Diskrepanz aufmerksam.
CDU hofft noch auf Lösung bei Kelter
CDU-Sprecher Bernd Vogt verteidigt auf Nachfrage die Haltung seiner Fraktion. „Der erste Haushaltsplan war nicht genehmigungsfähig. Laut Bürgermeister Kozel hatte das Landratsamt schon angedroht, das Faustmuseum zu schließen und das Freibad gar nicht aufzumachen“, beschreibt er die Dringlichkeit, einen Haushalt hinzubekommen. „Uns wäre sonst das Heft des Handelns aus der Hand genommen worden.“ Dass Teile der SPD und PWV-Stadtrat Schwarzien den Haushalt abgelehnt haben, habe er als ein „Unding in dieser Situation empfunden“. Der CDU sei auch an der Kelter gelegen, in einer Sitzung habe man sich darauf verständigt, wenigstens noch 150.000 Euro für die Sanierung in 2023 einzustellen, was die Behörde aber abgelehnt habe. SPD und PWV kritisieren auch, dass sich die Mehrheit im Gremium gegen eine, wie sie sagen, rentable Beteiligung bei der EnBW entschieden hatte und stattdessen die Wasserwerke subventioniert hatten. Laut Vogt war beides vom Kämmerer empfohlen und auch die Vertagung der Entscheidung über die Kelter im Dezember 2021 sei von der Verwaltung nahegelegt worden. Er und seine Fraktion hofften auch darauf, dass es für die Kelter noch eine Lösung geben werde.
„Vorgeplänkel zu den Kommunalwahlen“
Bürgermeister Alexander Kozel sieht in den Querelen des Rats vielleicht ein „Vorgeplänkel zu den Kommunalwahlen“ im nächsten Jahr. „Es gehört ja zur demokratischen Meinungsbildung dazu, dass es mal eine Diskussion geben muss“, fügt er hinzu. Es sei verständlich, dass bei der „wichtigsten Entscheidung des Rats“ Unzufriedenheit herrsche, wenn keine Einigkeit bestehe. Im Gegensatz zu Jörg Steinhilper, der die Fraktionen derzeit „in der Sache meilenweit voneinander entfernt“ sieht, ist Kozel aber optimistisch, dass sich die Situation bald wieder beruhigen wird.
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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