Regionale CDU-Politiker zur Vorsitzenden-Wahl
Kanzlerfrage sorgt noch für Fragezeichen
Region (ger) Nach langem Hin und Her hat die CDU am Wochenende auf ihrem ersten digitalen Parteitag Armin Laschet zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Die Brettener Woche/kraichgau.news hat sich bei Parteimitgliedern an der Basis in der Region umgehört, wie sie zum neuen Vorsitzenden stehen und was sie sich für die CDU nun erhoffen.
"Kanzlerkandidat wird zügig geklärt"
Ansgar Mayr, CDU-Landtagskandidat für den Wahlkreis Bretten, war, wie alle anderen Befragten auch, nicht als Delegierter dabei und hatte daher nicht die „Qual der Wahl zwischen drei guten Bewerbern“. Er habe aber die Veranstaltung vor dem heimischen Computer live verfolgt. „Natürlich ist bei Parteitagen in der Halle eine ganz andere Stimmung, aber ich bin insgesamt sehr begeistert, wie gut organisiert und auch wie kurzweilig es war.“ Er selbst könne gut mit Laschet als Vorsitzendem leben, auch wenn er, wie die Mehrheit der baden-württembergischen CDU, Friedrich Merz favorisiert habe. Die Basis werde Laschet, der als Ministerpräsident des einwohnerstärksten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen schon regierungserfahren ist, selbstverständlich unterstützen, aber sie erwarte auch Unterstützung von ihm.„Es ist jetzt wichtig, nach vorne zu gucken.“ Dass der Vorsitzende auch Kanzlerkandidat werde, sei laut Mayr kein Automatismus. Auch Markus Söder halte er für geeignet. „Beide sind als Ministerpräsidenten erfolgreich. Ich glaube nicht, dass das Thema lange warten kann. Die Mitglieder, aber auch die Medien üben so großen Druck aus, dass sich Söder und Laschet bald treffen werden und, ich schätze mal, zügig noch im Februar oder Anfang März geklärt wird, wer Kanzlerkandidat wird.“
"Kontinuität und gleichzeitig Veränderung"
Martin Knecht, CDU-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Bretten, ist nicht glücklich damit, dass jetzt gleich nach dem Kanzlerkandidaten gefragt wird. Ihm gefalle gut, dass Laschet sich und der Partei Zeit lasse, zunächst einmal die eigenen Vorstellungen und aktuellen Programmpunkte zu formulieren. „Ich weiß auch gar nicht, ob Markus Söder nördlich des Mains überhaupt so gute Karten hätte.“ Knecht persönlich empfand den Wahlkampf und den Parteitag als fair und transparent. „Die drei ganz unterschiedlichen Kandidaten haben größtenteils fair argumentiert. Das ist vorbildhaft in der heutigen Zeit, wo so oft gleich jeder über jeden herfällt.“ Dieser menschliche und umsichtige Umgang miteinander sei ein positives Zeichen für die CDU. „Laschet hat klargemacht, was auch mein Wunsch ist, nämlich dass er den Kurs der Mitte beibehalten möchte, dass er für Kontinuität und gleichzeitig Veränderung steht“, so Knecht. Das sei typisch für die CDU und er hoffe, dass die Partei und ihr Vorsitzender damit die Breite der Gesellschaft erreichten. Klarheit in der Linie, also etwa Abgrenzung zur AfD, Stabilität in der Haltung und Offenheit gegenüber brennenden Themen in vielen Bereichen wie Klimapolitik, Wirtschaft, Sozialem oder auch Gleichberechtigung machten diese Partei der Mitte als moderne Volkspartei aus. „Mir hat gut gefallen, dass Laschet sich auch als Mensch präsentiert hat. Er scheint, die Ausübung von Macht mit Menschlichkeit verbinden zu können.“ Friedrich Merz' Reaktion, sich als Wirtschaftsminister ins Spiel zu bringen, bezeichnet Knecht als „Eigentor“. Dass Röttgen sich einbinden lässt in die Arbeit der Partei und auch seine Unterstützer dabei mitnimmt, findet hingegen seinen Beifall. Sein Resümee: „Laschet ist eine gute Wahl, er wird es aber nicht ganz leicht haben. Es wäre gut, wenn die CDU-Delegierten ihn bei der schriftlichen Schlussabstimmung mit einem starken Votum unterstützten und auch die Merz-Fans sich hinter das gemeinsame Ziel stellten.“
"Dynamisch aktuelle und zukünftige Themen anpacken"
Jutta Belstler, CDU-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat Walzbachtal und Kreisrätin, begrüßt, dass nach langer Zeit nun endlich eine Entscheidung getroffen wurde. „Es ist gut, dass ein Mann der Mitte gewählt wurde, damit man jetzt dynamisch die aktuellen und zukünftigen Themen anpacken kann.“ Sich der Sacharbeit zu widmen, sei nun das Wichtigste, zumal die Corona-Pandemie große Zukunftsaufgaben stelle, die greifen müssten. „Die gesellschaftlichen Verwerfungen, die entstanden sind, müssen aufgefangen werden.“ Auf der anderen Seite stünde die Fortsetzung der Dynamisierungsprozesse, die die jetzige Situation angestoßen habe, wie die Digitalsierung oder die Verknüpfung von Ökonomie und Ökologie. Belstler sieht Laschet als regierungserfahren und vom Ton her eher verbindlich an. „Er ist vom Typ her eher ein Verwöhner.“ Ganz klar braucht der neue Vorsitzende die Rückendeckung der Partei, innerhalb derer man sachlich und lösungsorientiert, „ohne Rumgemotze“ alles denken dürfe, um neue Wege zu beschreiten. Unerlässlich sei dabei, nicht aus den Augen zu verlieren, dass Umstrukturierungen Geld kosten und Zeit brauchen. „Ein Paradigmenwechsel ist dringend nötig, zum Beispiel im Hinblick auf Homeoffice oder die für Frauen so wichtige Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Ob Laschet für mehr Frauen in Führungspositionen einsteht, kann sie nicht einschätzen, „aber wahrscheinlich eher als Merz, zu dem ich aber vom Typ her mehr tendiere.“ Die Kanzlerfrage sollen in Belstlers Augen Söder und Laschet unter sich klären und wenn das nicht möglich sei „möge der Bessere gewinnen.“ Was das Land jetzt brauche, sei eine strategische, längerfristige und verlässliche Politik, gerade in Bereichen wie Bildung und Wirtschaft sehnten sich die Menschen nach weniger Hü und Hott. „Übrigens kann sich inzwischen auch dank der Digitalisierung jeder Mensch, der sich politisch engagieren möchte, breit selbst in der politischen Arbeit einbringen.“
Viele Diskussionen im Vorfeld
„Grandios“ fand Waltraud Günther-Best, Vorsitzende des CDU Stadtverbands Bretten, den Parteitag in digitaler Form, da auf diese Weise „alle Mitglieder die Möglichkeit hatten, dabei zu sein.“ Bei einem Präsenzparteitag sei das ja nicht so ohne weiteres möglich, wenn man nicht als Delegierter zuvor gewählt wurde. Allerdings fehlten halt die persönlichen Begegnungen, die jedem Parteitag eine besondere Atmosphäre verleihen. Mit der Kandidaten-Auswahl war Günther-Best zufrieden: „Wir hatten das Glück, drei hervorragende Kandidaten für den Bundesvorsitz zu haben, die alle wählbar waren.“ Die Wahl sei für die Delegierten deshalb schwer gewesen und in zahlreichen Gremien, in denen sie aktiv ist, wie die Kreisfrauenunion hatte Günther-Best im Vorfeld viel darüber diskutiert. Dass Armin Laschet letzten Endes das Rennen gemacht hat, freue sie sehr. „Er hat in NRW gezeigt, dass er Führungsqualitäten hat und durchaus in der Lage ist, die CDU gut durch das Wahljahr 2021 zu bringen.“ Sie könne sich Laschet auch durchaus als Bundeskanzler vorstellen. „Allerdings müssen hier erst noch die Gespräche geführt werden, da bei der Kanzlerkandidatur ja unsere Schwesterpartei CSU mit eingebunden ist.“
"Wichtigere Probleme als Ämterstreit"
Ludwig Simmel vom CDU Ortsverband Oberderdingen weist darauf hin, dass es jetzt darum geht, „dass sich alle in der Partei einig sind und es keine Störfeuer gibt.“ Seiner Ansicht nach stehen die Aussichten in dieser Hinsicht mit Laschet besser, als sie mit Merz gewesen wären, der „wahrscheinlich einen radikaleren Weg eingeschlagen hätte.“ Für Simmel ist ganz klar, dass „wir mit der Pandemie gerade wichtigere Probleme haben, als sich um Ämter zu streiten.“
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.