50 Jahre Enzkreis
Keine „Liebesheirat“, aber eine Erfolgsgeschichte
Neulingen-Bauschlott (enz) „Über den Graben springen“ sagt man im Enzkreis, wenn ein badisches Mädel einen Schwaben zum Mann nimmt (oder umgekehrt). Stefanie und Jörg Baumann aus Bauschlott sind so ein Beispiel: Sie ist als Bauschlotterin eine Badnerin, er stammt aus dem schwäbischen Ötisheim. „Auch meine beiden Schwestern haben einen Schwaben geheiratet“, erzählt Stefanie Baumann. In der Elterngeneration war es genau umgekehrt: Da hat der badische Vater eine Frau aus dem schwäbischen Weissach geheiratet. In Jörg Baumanns Familie ist ein Großvater „über den Graben gesprungen“, als er eine Dürrnerin heiratete. Was heute mit einem Augenzwinkern kommentiert wird, konnte einem vor zwei Generationen noch das Leben schwer machen.
Kreisreform zum 1. Januar 1973
So betrachtet kann man sich gut vorstellen, dass der Zusammenschluss badischer und württembergischer Gemeinden zu Beginn der 1970er-Jahre keine „Liebesheirat“ war. Am 1. Januar 1973 entstand der Enzkreis. An diesem Tag trat die Kreisreform in Kraft, die den Altkreis Pforzheim, 17 Gemeinden des Altkreises Vaihingen, zwölf Gemeinden des Landkreises Calw und vier Gemeinden des Altkreises Leonberg zum neu gebildeten Enzkreis zusammenführte. 1974/75 wurden Büchenbronn, Huchenfeld und Eutingen noch in den Stadtkreis Pforzheim eingegliedert. Seither zählt der Enzkreis 28 Gemeinden, darunter die fünf Städte Knittlingen, Maulbronn, Neuenbürg, Heimsheim und die Große Kreisstadt Mühlacker. Der Enzkreis umfasst je etwa zur Hälfte ehemaliges badisches und württembergisches Gebiet.
Kreis- und Gemeindereform sollte Gegensätze ausgleichen
Das Land Baden-Württemberg strebte bereits seit den 1960er-Jahren eine Modernisierung an, die leistungsfähigere Gemeinden schaffen und kommunale Aufgaben wie die Krankenhausversorgung oder die Müllbeseitigung in allen Regionen gleichwertig gut verfügbar machen sollte. Denn die einzelnen Kommunen hatten sich in der Nachkriegszeit verschieden entwickelt. Weil das Auto inzwischen für viele Menschen erschwinglich war, konnten sie zur Arbeit pendeln und mussten nicht mehr zwangsläufig in der Nähe der Arbeitsstätte wohnen. Die Gemeinden, die als Lebensort dienten, aber kaum Gewerbe oder Industrie im Ort hatten, waren mit der Finanzierung der Infrastruktur (Straßen, Kindergärten, Schulen) oft überfordert. Im Gegensatz dazu konnten sich Gemeinden mit wachsender Industrie eine gute Infrastruktur leisten. Die Kreisreform und die parallel laufende Gemeindereform sollten diese Gegensätze ausgleichen und die Gemeinden neu ordnen. Im Juli 1971 verabschiedete der Landtag das „Erste Gesetz zur Verwaltungsreform (Kreisreformgesetz)“, das dann zum 1. Januar 1973 in Kraft trat.
Badische und württembergische Akten
Die Gegensätze zwischen Badenern und Württembergern, die nun im Enzkreis zusammenwachsen sollten, zeigten sich manchmal an unerwarteter Stelle. So mussten nun etwa badisch und württembergisch geführte Akten zusammengeführt werden, wobei die Verwaltungstraditionen sehr unterschiedlich waren. Die badischen Akten waren wie ein Buch zu lesen, also von vorne nach hinten, und über eine Aktenschnur fixiert. Dagegen waren württembergische Akten eine Loseblatt-Ablage, bei der das aktuelle Schriftstück oben zu finden war. Tatsächlich dauerte es noch einige Jahre, bis sich hier ein einheitliches Vorgehen durchgesetzte. Denn zunächst wurden nach der Kreisreform, geprägt von der Herkunft des jeweiligen Amtsleiters, die Akten nach badischer oder württembergischer Manier weitergeführt. 1977 wurde dann eine einheitliche „Dienstanweisung für die Aktenverwaltung“ eingeführt. Sie schrieb die „Behördenheftung“ vor – das war ein neues System, das nun das gemeinsame werden sollte.
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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