Altpapier-Preissturz bringt Sammler in Bredouille
Letzte Sammlung auf eigene Kosten

Kraichtal (hk) Seit Jahrzehnten bietet sich den Bewohnern Kraichtals in regelmäßigen Abständen ein vertrautes Bild: Fleißige Hände sammeln schwere Altpapierbündel vom Straßenrand auf, dann ziehen sie weiter. Andere wiederum warten an Sammelplätzen darauf, dass der Abfall bei ihnen abgeladen wird – wie zum Beispiel die Eltern der Kinder des Evangelischen Martinskindergartens in Münzesheim. Bis auf Weiteres hat die Elternschaft allerdings mit dem Sammeln aufgehört. Der Termin am 11. Januar 2020 auf dem gegenüberliegenden Parkplatz der Markgrafen-Gemeinschaftsschule musste abgesagt werden. Denn wenige Tage vor der geplanten Sammlung hatte der Elternbeirat erfahren, dass von nun an deutlich höhere Kosten für die Entsorgung auf sie zukommen würden. Der Grund: Die Preise auf dem Altpapiermarkt sind in den vergangenen Monaten teils dramatisch eingebrochen. Daher ist es für den Entsorgungsbetrieb nicht mehr wirtschaftlich, das Altpapier abzuholen und zu vergüten. „Als wir von der Entsorgungsfirma darüber informiert wurden, waren wir erst einmal geschockt und haben überlegt, ob wir überhaupt so kurzfristig absagen können“, sagt Philipp Schmidt vom Elternbeirat. Nachdem man ein anderes Entsorgungs-Unternehmen angefragt habe, sei klar geworden, dass sich keinen Ersatz finden würde. Schweren Herzens habe man dann im Gremium entschieden, die Sammlung vorerst aufzugeben.

Altpapierschwemme“ in Europa

Ursache für die drastisch gefallenen Preise für Altpapier seien die Importbeschränkungen der Volksrepublik China, informiert Uwe Bartl, Leiter des Abfallwirtschaftbetriebs des Landkreises Karlsruhe. Die Folge sei eine „Altpapierschwemme“ in Europa. „Durch dieses Überangebot gibt es seit Ende 2019 keine Erlöse für sogenanntes Mischpapier mehr, zu dem auch das von den Vereinen und karitativen Einrichtungen gesammelte Papier gehört.“ Während es vor zwei Jahren noch einen dreistelligen Betrag pro Tonne gegeben hätte, so Schmidt, sei es im vergangenen Jahr auf eine zweistellige Summe geschrumpft. „Und jetzt hätten wir sogar etwas drauflegen müssen“, sagt er.

Oberöwisheimer Floriansjünger stoßen an ihre Grenzen

Ein Blick in die Terminübersicht der Stadt Kraichtal verrät, dass auch in anderen Stadtteilen mittlerweile keine Altpapiersammlungen mehr geplant sind. Nur noch in Bahnbrücken, Gochsheim und Landshausen sollen Sammlungen stattfinden (Stand: 21. Januar). Michael Vogel, stellvertretender Abteilungskommandant der Freiwilligen Feuerwehr Kraichtal, Abteilung Oberöwisheim, kann sich gut an seine Zeit in der Jugendfeuerwehr erinnern. „Über 30 Jahre lang wurde hier mit der Jugend gesammelt“. Und die Preise hätten immer ihre „Hochs und Tiefs“ gehabt: „Wir haben gesammelt als es nur fünf Euro gegeben hat und auch 50 Euro.“ 50 Tonnen hätte man im Schnitt pro Jahr gesammelt. Doch jetzt sind auch die Oberöwisheimer Floriansjünger an ihre Grenzen gestoßen. 30 Euro je Tonne würde sie das Altpapiersammeln derzeit kosten – Tendenz steigend. Trotzdem begeben sie sich letztmalig am 8. Februar 2020 auf eigene Kosten auf Tour, um den Rohstoff für die Wiederverwertung einzuholen. „Das sind wir den Anwohnern von Oberöwisheim schuldig.“ Denn über viele Jahre hinweg hätte die Jugendfeuerwehr durch die Erlöse mehrtägige Ausflüge machen können, begründet Vogel die Entscheidung. Auch der Münzesheimer Elternbeirat hatte mit seinen Sammelaktionen Geld in die Kasse spülen können, durch das unter anderem die Anschaffung eines Spielgerätes für den Spielplatz mitfinanziert oder Weihnachtsgeschenke für die Kindergartengruppen besorgt werden konnten.

Thema nicht endgültig begraben

Dass das Altpapier-Sammeln nun ein so abruptes Ende findet, bedauert Vogel. „Die Kameraden und ich finden es sehr schade. Viele Anwohner in Oberöwisheim haben sich immer auf uns verlassen können. Bei älteren Leuten wurde das Papier auch aus dem Keller getragen“, erzählt er. Das Thema nicht endgültig begraben hat der Münzesheimer Elternbeirat, je nachdem, wie sich die Preise entwickeln. „Das Altpapier-Sammeln war aber nicht nur lukrativ, es hat auch den Gemeinschaftssinn gefördert“, ist Schmidt der Ansicht.

Keine wesentliche Preisänderung in Sicht

Als eine Folge internationaler Handelskonflikte würden, laut Bartl, Marktbeobachter kurzfristig mit keinen wesentlichen Preisänderungen rechnen. „Von dieser schwierigen Situation ist auch der Abfallwirtschaftsbetrieb betroffen, dem bereits heute etwa ein Million Euro an Verwertungserlösen fehlt, die in der Vergangenheit durch die Vermarktung von Wertstoffen erzielt wurden und die den Abfallgebührenzahlern zu Gute gekommen sind. Dies war mit ein Grund, warum dieses Jahr die Abfallgebühren im Landkreis Karlsruhe steigen“, erläutert der Abfallwirtschaftbetriebs-Leiter. Derzeit versuche der Abfallwirtschaftsbetrieb mit einer neuerlichen Abfrage eventuell doch noch ein Unternehmen zu finden, das einen Erlös für das von Vereinen und karitativen Einrichtungen gesammelte Altpapier vergütet. „Einfach wird dies aber sicherlich nicht“, so Bartl.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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