Weingüter aus der Region berichten über Probleme
Mangel an Nachwuchs als wachsendes Problem
Kürnbach/Oberderdingen (kuna) Wenig Nachwuchs, finanzielle Schieflagen und widersprüchliche Vorschriften. Die Weingüter der Region stecken in einer Krise, manche kämpfen bereits um ihr Überleben. Wie konnte es so weit kommen?
Winzer-Beruf im Wandel
Der Beruf des Winzers befindet sich im Wandel. Neben den klassischen Aufgaben in der Natur oder im Keller sind mittlerweile weitere Tätigkeiten relevant. „Ein Winzer muss heute Vermarktungsgenie, Entertainer und Weinmacher zugleich sein“, sagt Jochen Grahm, selbstständiger Winzer aus Kürnbach. Das erklärt er sich unter anderem auch mit dem steigenden Frauenanteil in seinem Sektor. „Viele Frauen, die in der Weinbranche Fuß fassen, haben eine ganz andere Herangehensweise an den Beruf – das bringt frischen Wind“, meint er. Kreativität und ein Gespür für Marketing seien mittlerweile unabdingbar. Wolle man nicht außen vor bleiben, müssten Winzer sich diesem Trend anpassen. Aber auch die Corona-Pandemie hat ihren Beitrag geleistet: Veranstaltungen und Feiern mussten abgesagt werden, konnten allerhöchstens im Digitalen stattfinden. Neue Vermarktungskanäle zu finden, ist daher Teil einer Überlebensstrategie.
Mangel an Nachwuchs
Eine zusätzliche Herausforderung ist der Mangel an Nachwuchs. Grahm zählt mehrere mögliche Gründe auf. Einerseits leide die Landwirtschaft im Allgemeinen an einem schlechten Image, das durch negative Schlagzeilen vonseiten der Presse bekräftigt werde. Andererseits trage auch die schlechte Vergütung ihren Teil bei. „Wir wollen unsere Mitarbeiter natürlich angemessen bezahlen. Aber es gibt jetzt schon Fälle, dass Betriebsinhaber weniger verdienen als ihre Hilfskräfte“, berichtet Grahm. Auch Carina Gugel, Weinbetriebswirtin vom Weingut Vinçon-Zerrer in Großvillars, wählt deutliche Worte und berichtet von einer „katastrophalen Bezahlung“, wie sie bei allen Berufen im landwirtschaftlichen Sektor der Fall sei. „Auszubildende verdienen nur einen Bruchteil dessen, was sie in anderen Wirtschaftszweigen verdienen können. Als Ausgelernter wird es nicht besser“, so Gugel. Hinzu komme ein "reduzierter Urlaubsanspruch von gerade einmal 24 Tagen." Sie ist sich sicher: „Wer diesen Beruf erlernen möchte, den muss die Leidenschaft gepackt haben.“
"Unsere Arbeit richtet sich nach der Natur"
Grahm und Gugel sprechen auch die äußeren Rahmenbedingungen an, die den Beruf für junge Menschen zunächst wenig attraktiv machen würden. „Unsere Arbeit richtet sich nach der Natur. Sie gibt uns die Vorgaben. Da gerät die Work-Life-Balance in der Hochsaison häufig mal aus dem Gleichgewicht“, so Grahm. Das unterstreicht auch Gugel. Die Arbeitsbedingungen seien im Vergleich zu anderen Berufen „echt hart“.
"Arbeitszeiten variieren je nach Jahreszeit"
„Die Arbeitszeiten variieren je nach Jahreszeit. Im Sommer beginnen wir zum Beispiel sehr früh, um den hohen Temperaturen auszuweichen“, erklärt sie. Winzer zu sein, bedeute also nicht nur in der Natur zu arbeiten, sondern auch mit den Launen der Natur auszukommen. „Egal, ob bei 30 Grad im Schatten oder bei minus zehn Grad – wir müssen in den Weinberg, um die jeweiligen Qualitätsmaßnahmen durchzuführen“, führt Gugel weiter aus. Dennoch berichtet sie davon, dass ihr Weingut immer wieder Ausbildungsanfragen erhalten würde: „Es gibt also tatsächlich noch junge Menschen – meist Männer –, die diesen Beruf noch erlernen möchten.“ Im August werde ihr erster Azubi im Betrieb starten. Auch Grahm macht sich Gedanken darüber, wie er dem Nachwuchs einen einfacheren Start in den Beruf bieten könnte. „Denkbar wäre, dass sich mehrere Betriebe einen Azubi teilen. Das würde die Möglichkeit bieten, etwas Entlastung in den eigenen Betrieb zu bringen. Gleichzeitig würde es dem Azubi Abwechslung und Vielfältigkeit bieten, von mehreren Lehrmeistern zu lernen“, so die Überlegungen des Winzers.
Preisgestaltung als Problem
Ein wesentliches Problem für die Weingüter der Region sei darüber hinaus die Preisgestaltung der großen Zwischenhändler, berichten die beiden. „Während Corona haben die Menschen zwar mehr Wein getrunken. Die meisten kaufen aber bei den großen Lebensmittelhändlern ein. Deren Preisgestaltung hat einen wesentlichen Einfluss auf die Weinpreise“, erklärt Grahm. Im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) herrschten niedrigere Preise. Wie das Deutsche Weininstitut auf Nachfrage erklärt, lagen 2021 die Durchschnittspreise im LEH für Wein bei 3,78 Euro pro Liter, für deutschen Wein bei 3,83 Euro. „Weine, die heutzutage zu Preisen unter vier Euro je Liter verkauft werden, können vom Hersteller nur auf Kosten der Qualität oder durch extremes Lohndumping erzeugt werden“, kritisiert Gugel. „Wenn man den Umweltschutz einhalten will und Winzer von ihrer Arbeit leben können sollen, dann müssen die Produkte auch dementsprechend kosten“, meint auch Grahm. Bei „qualitätsbewussten Supermärkten“ hätte aber schon vor einigen Jahren ein Umdenken stattgefunden, so Gugel. Aber auch diese stünden in Konkurrenz zu den billigen Weinen.
"Alles ist exorbitant teurer geworden"
In Discountern und Supermärkten herrscht auch ein großes Angebot an Wein aus dem Ausland. Grahm wünscht sich, dass deutsche Waren wieder mehr Wertschätzung erfahren. „Wir müssen wieder schätzen lernen, was wir vor der Haustüre haben“, so der Winzer. Und: „Ohne ausländischen Wein stünden deutsche Winzer besser da. Natürlich probiert man sich gerne mal durch. Aber in Deutschland ist bereits alles da, für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel.“ Grahm kritisiert vor allem die unterschiedlichen Bedingungen, die durch den Import ausländischer Produkte entstehen würden. „Es wäre schön, wenn die Waren, die aus dem Ausland kommen, auch nach deutscher Gesetzeslage produziert werden müssten. So haben wir in Deutschland beispielsweise einen Mindestlohn zu entrichten, der in anderen Weinländern Europas bei weitem nicht erreicht wird.“ So könne kein fairer Wettbewerb entstehen, lautet sein Fazit. Die Preise für regionalen Wein stabil zu halten oder gar zu senken, sei nicht zuletzt durch den Ukrainekrieg und die Inflation unmöglich geworden. „Jedes Produkt, egal, ob auf konventioneller oder auf ökologischer Basis - alles ist exorbitant teurer geworden“, berichtet Grahm.
Autor:Kathrin Kuna aus Bretten |
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