Neujahrsempfang 2017 in Oberderdingen: Mit Optimismus die Zukunft gewinnen
(ch) Wer sich angesichts einiger unliebsamer Überraschungen und Irritationen auf nationaler wie internationaler Ebene im vergangenen Jahr nach ein wenig Aufmunterung und Optimismus sehnte, wurde beim diesjährigen Neujahrsempfang in Oberderdingen nicht enttäuscht.
„Angst spielt in Deutschland zurzeit eine viel zu große Rolle“, lautete eine Kernaussage. Sie stammt von Professor Dr. Bernd Nolte, der am Dreikönigstag vor großem Publikum in der Aschingerhalle und umrahmt vom örtlichen Musikverein den mit viel Applaus bedachten Festvortrag hielt.
Stetiger Wandel
Zuvor hatte Bürgermeister Thomas Nowitzki in seiner Neujahrsansprache eine Rückschau auf das bis dato Erreichte mit einer Vorschau auf kommende Gemeindeprojekte verknüpft. Erfolgreich umgesetzte Maßnahmen wie der Bau der Entlastungsstraße, das neue Feuerwehrhaus, die Verlagerung von Penny und Rossmann sowie der Umbau des Flehinger Bahnhofs für Vereine seien bereits Geschichte, Gemeinde und Bürgerschaft „einem stetigen Wandel unterworfen“. Er verwies auf die großen Anstrengungen der Gemeinde bei der Integration der Flüchtlinge und dankte den ehrenamtlichen Mitarbeitern für ihr Engagement.
Investitionen für Gesundheit, Senioren und Kinder
Neben der Ankündigung des im Herbst geplanten Baubeginns für ein weiteres Gebäude auf dem ehemaligen Krebsareal, wo derzeit ein Gesundheitszentrum entsteht, versprach er eine positive Änderung des Ortsbilds durch die geplante Hangmauer für einen Gehweg an der Flehingerstraße und kritisierte die Verzögerungen des Betreuten Wohnen-Projekts in Flehingen. Er begrüßte den Beginn des zweiten Bauabschnitts der betreuten Wohnanlage in den Kohlwiesen und kündigte an, dass er dem Gemeinderat die Schaffung weiteren Wohnraums für ältere Mitbürger vorschlagen werde. Die Feststellung, dass Oberderdingen die Kommune mit den jüngsten Einwohnern im Landkreis sei, verband er mit dem Hinweis, dass die Gemeinde den „Löwenanteil für alle Kindereinrichtungen“ trage.
Neue Wohn- und Gewerbeflächen
Über bereits beschlossene Maßnahmen zur Schaffung neuen Wohnraums hinaus fasste er unter der Überschrift „Oberderdingen 2035“ die Weiterentwicklung des Flächennutzungsplans unter Einbeziehung der Nachbargemeinden ins Auge und warf schon mal einen Blick auf die Zeit nach Erschließung des achten und neunten Bauabschnitts im Interkommunalen Gewerbegebiet: Jetzt gelte es, „die Weichen für die nächsten 20 Jahre zu stellen.“
Größtes Projekt wird neue Schlossgartenhalle
Nach dem erfolgreich eingeweihten Naturerlebnisbad stehe nun die Sanierung des fast 60-jährigen Oberderdinger Bads „auf der Agenda“. Als „größtes Projekt der nächsten Jahre“ bezeichnete Thomas Nowitzki den Neubau der Flehinger Schlossgartenhalle mit dazugehörigem Quartierskonzept. Wobei das „nicht die letzte Halle“ sein werde. Sein kurzer Rückblick auf das erfolgreiche Oberderdinger Jubiläumsjahr mündete in ein Bekenntnis zu den Partnergemeinden, die gerade heute, wo die vermeintlich stabile europäische Idee erschüttert werde, wichtig seien. Seine abschließende Botschaft: „Gemeindeverwaltung und Gemeinderat wollen Oberderdingen weiter zukunftsfähig aufstellen.“
"Wer gewinnt die Zukunft?"
Dann trat Festredner Bernd Nolte vor die zahlreichen Zuhörer, unter ihnen der Bundestagsabgeordnete Axel E. Fischer, die Landtagsabgeordneten Joachim Kößler und Andrea Schwarz sowie weitere Vertreter aus Landes-, Kreis- und Lokalpolitik, Vertreter aus Kultur, Wirtschaft und den Vereinen, verschiedene Funktionsträger sowie Jungbürger des Jahrgangs 1999. Das Thema des ohne Manuskript gehaltenen, ebenso unterhaltsamen wie wissenschaftlich fundierten Vortrags lautete „Deutschland und Europa am Scheideweg – wer gewinnt die Zukunft und wer eher nicht?“
Die "German Angst" ernst nehmen
Ausgehend vom erstaunlichen Kontrast zwischen der positiven Außenwahrnehmung Deutschlands in vielen Teilen der Welt und der verbreiteten negativen Selbstwahrnehmung der Deutschen entwarf der Stuttgarter Wirtschaftsprofessor ein Bild des von einem starken Bedürfnis nach Harmonie und Ausgewogenheit geprägten deutschen Charakters, der den Deutschen einerseits die Tugend der Sorgfalt, andererseits aber auch eine Neigung, sich Sorgen zu machen und eine gewisse Ängstlichkeit beschere. Diese – im Ausland manchmal als „German Angst“ belächelte – Stimmung „sollte man ernst nehmen“, warnte der Redner und fügte, auch mit Blick auf das bevorstehende Wahljahr, hinzu: „Sonst lässt man Spielraum denen, die Politik mit der Angst machen.“
Verängstigte Menschen abholen und teilhaben lassen
Als Gründe für die Angst identifizierte er neben der aktuellen Terrorgefahr den mit 40 Prozent bereits großen und weiter wachsenden Anteil alter Menschen in der Gesellschaft sowie die zu Abhängigkeit und Armut führende Umverteilung von Vermögen infolge der Niedrigzinspolitik. „Eine Gesellschaft, die das nicht ernst nimmt, bekommt die Quittung“, warnte der Redner mit Verweis auf den Brexit, den Ausgang der US-Wahlen und analoge Entwicklungen mit Gefahr für Europa. Sein Appell im Hinblick auf das verängstigte, von Armut und Abhängigkeit bedrohte Drittel der Gesellschaft: „Wir müssen diese Menschen abholen und teilhaben lassen.“
Optimistischer Ausblick
Nolte schloss mit einem optimistischen Ausblick: „Man kann selber was machen, um die drei A´s – Angst, Alter, Armut – aus der Welt zu schaffen.“ Dann werde Deutschland auch in Zukunft in jeder Hinsicht erfolgreich sein. Wie das anzupacken wäre, konnten die Zuhörerinnen und Zuhörer dann froh gestimmt beim anschließenden Stehempfang mit Brezeln und gutem Oberderdinger Wein noch ausgiebig diskutieren.
Alle Fotos: Chris Heinemann
Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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