Flüchtlingssituation in Maulbronn
"Wenn es so bleibt, müssen wir 2024 die weiße Fahne hissen"

Der Gemeinderat Maulbronn diskutierte in seiner jüngsten Sitzung über die aktuelle Flüchtlingssituation in der Stadt. | Foto: kuna
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Maulbronn (kuna) Die Stadt Maulbronn stößt bei der Unterbringung von Flüchtlingen an ihre Grenzen. Tatsächlich habe die Kommune ihre Pflicht sogar übererfüllt, erklärte Bürgermeister Aaron Treut dem Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung am Mittwochabend, 18. Oktober. Demnach hat die Stadt mehr Menschen aufgenommen, als es der Schlüssel des Enzkreises vorgibt. Daher sehe die Stadtverwaltung keine weitere Möglichkeit, Flüchtlinge aufzunehmen – weder in der Kernstadt noch in den Stadtteilen. „Wir sind voll“, erklärte Treut.

"Wir wollen zeigen: Wir sind am Limit"

Wie Martin Gerst, Leiter des Ordnungs- und Sozialwesens, ausführte, liege das Limit der Klosterstadt bei der Aufnahme von 200 Geflüchteten. „Es gibt noch Ressourcen für rund 40 Personen“, erklärte er, „aber wenn die Zuwanderungssituation so bleibt, wie sie momentan ist, müssen wir 2024 die weiße Fahne hissen.“ Es ginge daher auch darum, dass die Stadt ein Signal an die Landtagsabgeordneten und die Politik senden wolle. „Wir wollen zeigen: Wir sind am Limit“, so Gerst.

Stadt sieht keine weiteren Möglichkeiten für Flüchtlingsunterbringung

Die Stadt selbst betreibe derzeit drei Unterkünfte, berichtete Gerst. Hinzu kommen zwei zeitlich begrenzte Unterbringungen, die durch das Landratsamt Enzkreis betrieben werden: ein Wohncontainer in der Bahnhofstraße 9, derzeit mit 62 Personen belegt, sowie Mieträume in der Lienzinger Straße 52, in der 65 Flüchtlinge wohnen. Bürgermeister Treut erklärte, dass die Stadt keine weiteren Möglichkeiten für neue Unterkünfte sehe. „Es sind sonst nur noch Hallenbelegungen oder Zeltstädte denkbar, aber das ist weder für den Sport noch für die Lebensqualität der Flüchtlinge zuträglich“, so der Bürgermeister.

Gemeindetag fordert "realitätsbezogene Migrations- und Flüchtlingspolitik"

Um auf die schwierige Situation der Kommunen hinzuweisen, hat der Gemeindetag Baden-Württemberg bereits im März einen 12-Punkte-Plan, die „Stuttgarter Erklärung“, vorgelegt. Darin plädiert der Landesverband für eine „realitätsbezogene Migrations- und Flüchtlingspolitik“. Das Papier schlägt verschiedene Maßnahmen vor, darunter: die Einrichtung von nationale Ankunftszentren, eine europaweit gleichmäßige Verteilung der Geflüchteten, eine vollständige Kostenerstattungen für kommunale Aufwendungen, die Rückführung von Personen ohne Bleibeperspektive und verbindliche Integrationsmaßnahmen.

"Wir betreiben hier keinen Wahlkampf"

Peter Wilhelm, Fraktionsvorsitzender der Liste Mensch und Umwelt (LMU), zeigte sich in Bezug auf den 12-Punkte-Plan skeptisch und stellte in Frage, ob es sich dabei nicht nur um einen allgemeinen Aktionismus des Gemeindetags handeln würde. Er habe Vorbehalte gegenüber einer zu pauschalen Darstellung, „dass alles wegen Flüchtlingen den Bach runtergeht“, so Wilhelm. „Wir betreiben hier keinen Wahlkampf“, entgegnete Treut und meinte, dass er sich als Bürgermeister aus bundespolitischen Themen heraushalten und mit dem Gemeinderat rein „in der Sache“ und bezogen auf konkrete Zahlen und Fakten diskutieren wolle.

Verhältnismäßig viele Flüchtlinge aufgenommen

Zugleich verwies Treut auf die Tatsache, dass Maulbronn als kleine Stadt relativ viele Menschen aufgenommen habe. „Es gibt Kommunen in der Nähe, die nach meiner Kenntnis bei 30.000 Einwohnern nur 381 Flüchtlinge aufgenommen haben“, sagte er und mit Anspielung auf seine Heimatstadt Bretten. Mit rund 200 Personen bei 6.600 Einwohnern habe man in Maulbronn dagegen „ein ganz anderes Verhältnis“, so der Bürgermeister.

"Wir müssen die Menschen nicht nur unterbringen, sondern auch beschäftigen"

Jürgen Link von der Bürgerlichen Wählervereinigung (BWV) meinte in Bezug auf die Wohncontainer in der Bahnhofstraße 9: „Die Anwohner der Bahnhofstraße klagen über eine immense Lärmstörung. Wir müssen die Menschen nicht nur unterbringen, sondern auch beschäftigen, sodass sie einem halbwegs geregelten Alltag nachgehen können.“ Allerdings, so beschrieb Gerst zuvor, würden die Container ohnehin nicht „bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zur Verfügung stehen“, da sie nur zeitlich befristet seien. Langfristig ist das ehemalige BayWa-Gelände in die Einrichtung des Stadtbahn-Haltepunkts Maulbronn-Stadt eingeplant.

"Noch funktioniert die Bürgergesellschaft"

Till Neugebauer (SPD) erkannte die Ausführungen der Stadtverwaltung als einen Hilferuf und richtete seinen Dank an die vielen Bürgerinnen und Bürger, die freiwillig Leistungen zur Integration von Flüchtlingen übernehmen. „Noch funktioniert die Bürgergesellschaft“, stellte er fest, „aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr geht.“ Auch Jochen Birkle (CDU) meinte: „Die Politik sollte immer von unten nach oben funktionieren. Wir sind als Kommunen an der Leistungsgrenze und dieses Signal sollte die Politik verstehen.“

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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