Diskussion zum BVG Klimaschutzurteil
Initiativkreis-Kraichgau-Treffen
Engagierte Diskussion zum Karlsruher Klimaschutzurteil
Schwerpunktthema beim Initiativkreis-Treffen lotet die Hintergründe und Folgen des richtungsweisenden Urteils zum Klimaschutz aus
Coronabedingt als web-Treffen fand die öffentliche Zusammenkunft des Initiativkreises Energie Kraichgau am 20. Mai statt. Als Schwerpunktthema war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zum Klimaschutzgesetz der Bundesregierung (KSG) ausgewählt worden – dessen Bedeutung für konkrete Maßnahmen gegen den sich beschleunigenden Klimawandel hin zum Kippen des Klimas in eine Heißzeit kaum hoch genug eingeschätzt werden kann. Worum geht es hierbei? Und was bedeutet es auch für die Maßnahmen in den Kommunen gegen den Klimawandel?
Den Einstieg zum Abend machte ein Impulsvortrag von Dr. Volker Behrens auf der Basis der Mitteilung des BVG zum Klimaurteil sowie Stellungnahmen von Rechtsanwalt Prof. Remo Klinger und den Gesetzestexten, auf die das BVG Bezug nimmt – das Grundgesetz der Bundesrepublik, das UN-Klimaschutzabkommen von 2015 (‚Paris-Abkommen‘) sowie das Bundes-Klimaschutzgesetz.
Was aber genau ist an dem Bundes-Klimaschutzgesetz verfassungswidrig? Die Grundlage für die Begründung des BVG beginnt mit dem wissenschaftlichen Stand des Wissens zum Klimawandel: jede weitere Freisetzung von Treibhausgasen aus der Verbrennung von Kohle, Erdgas und Öl in die Atmosphäre ist unumkehrbar und verbraucht das Kontingent für Deutschland, das noch in Anspruch genommen werden darf, ohne Klima-Kipppunkte zu überschreiten. Diese Erkenntnisse war bereits die Grundlage für das UN-Klimaschutzabkommen 2015 in Paris, das völkerrechtlich verbindlich ist - auch für Deutschland. Wenn jetzt, so das Verfassungsgericht, die Bundesregierung durch Vorgaben im Klimaschutzgesetz dieses für Deutschland noch zur Verfügung stehende Rest-Treibhausgas-Kontingent im Zeitraum bis 2030 weitgehend aufgebraucht wird, dann werden die Lebensbedingungen nach 2030 durch jetziges Handeln (genauer: durch jetziges unzureichendes Handeln) absehbar so verschlechtert, dass die Freiheitsrechte der dann Lebenden in verfassungswidriger Weise beschnitten werden. Entsprechend wird die Bundesregierung durch das Bundesverfassungsgericht verpflichtet, darzulegen, was für Maßnahmen sie zu ergreifen gedenkt, um das Recht auf eine lebenswerte Zukunft – vor allen Dingen der jetzigen Jugend – sicher zu stellen. Die Regierung hat nicht das Recht, Maßnahmen nach politischem Belieben festzulegen und damit die Hauptlast der Umstellung zu einer klimaneutralen Gesellschaft um 10 Jahre hinauszuschieben.
Im Anschluss an den Impulsvortrag wurden in einer lebhaften Diskussion die Folgen dieses Urteils erörtert. Sehr positiv fiel die Wertung für die Klimaschutz-Arbeit auf der Kommunal-, Regional- und Bundesebene aus. Die dringend notwendigen Maßnahmen zum Umstieg auf 100% erneuerbare Energien, für die sich der Initiativkreis seit fast 20 Jahren engagiert, erhalten durch das BVG-Urteil nicht nur Rückenwind – Klimaschutz ist jetzt in Verfassungsrang erhoben. Mit Kopfschütteln wurden die veröffentlichten Reaktionen der gegenwärtigen Regierungsparteien in Berlin auf das Urteil quittiert – hier schieben sich plötzlich SPD und CDU gegenseitig die Schuld für unzureichenden Klimaschutz zu. Angesichts der jahrelangen Blockadehaltung der CDU gegenüber den ohnehin ambitionsarmen Klimaschutzzielen der SPD ein bemerkenswertes Schauspiel. Kontrovers diskutiert wurden die Planungen der Bundesregierung zur Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes. Einerseits wurde anerkannt, dass auf die Forderung des BVG schnell reagiert wurde. Denn wir als Gesellschaft müssen, nachdem die letzten 16 Jahre effektiver Klimaschutz durch die Bundesregierungen ausgebremst wurde, die letzte Chance nutzen, ein Kippen unseres Klimas in eine Heißzeit zu verhindern. Anderseits wurde darauf hingewiesen, dass die jetzigen ‚Nachbesserungen‘ nicht ausreichend sind – und vor allen Dingen: Ziele formulieren ist gut – aber wenn nicht Programme angestoßen werden, wie diese tatsächlich zu erreichen sind, dann ist die Zielverfehlung vorprogrammiert. Und an dieser Stelle nahm die Diskussion eine Wende: im September dieses Jahrs ist Bundestagswahl – und die Frage, ob die nächste Bundesregierung Klimaschutz und die Umgestaltung unserer Wirtschaft beherzt angehen wird, wird von erheblicher Bedeutung sein. Die Bundestagswahl zur Klimawahl zu machen – das war Konsens, ist auch für den Initiativkreis ein Schwerpunkt für die nächsten Monate.
Weitere Informationen finden sich auf der Homepage des Initiativkreises unter www.energie-kraichgau.de .
Autor:Sönke Flach aus Region |
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