Zahlreiche Menschen haben ihr Hab und Gut verloren
„Es gibt sie doch, die helfenden Engel“

Gondelsheim wurde besonders schwer vom vergangenen Unwetter getroffen. Foto: Waldemar Gress / EinsatzReport24
  • Gondelsheim wurde besonders schwer vom vergangenen Unwetter getroffen. Foto: Waldemar Gress / EinsatzReport24
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Bretten/Region (hk/kuna) Am 13. August wurde die Region von einem dramatischen Naturereignis heimgesucht: Ein heftiger Starkregen richtete vor allem in Gondelsheim und Bruchsal, aber auch in Bretten durch Hochwasser schwere Schäden an und stellte die Verantwortlichen der Gemeinden, die Einsatzkräfte und die Bevölkerung vor enorme Herausforderungen.

Bürgermeister Rupp spricht von „biblischem Ausmaß“

Gondelsheims Bürgermeister Markus Rupp bezeichnete das Ereignis als „Unwetter mit beinahe biblischem Ausmaß“. Der Saalbach stieg innerhalb kürzester Zeit auf über 2,80 Meter an. Zum Vergleich: Beim letzten großen Starkregenereignis in Gondelsheim im Jahr 2013 war der Pegel rund 60 Zentimeter niedriger. Zudem fiel aus einer hartnäckigen Gewitterzelle innerhalb kürzester Zeit eine Regenmenge von 130 Litern pro Quadratmeter. „Das war eine fürchterliche Gemengelage, für die es aus meiner Sicht nur schwerlich einen Schutz gibt“, resümiert Rupp.

Einsatzkräfte und Bürger leisten beeindruckende Hilfe

Auch Landrat Christoph Schnaudigel, der sich vor Ort einen Überblick verschaffte, zeigte sich laut Rupp erschüttert über das Ausmaß der Verwüstungen. Unter anderem habe die Bereitschaftspolizei Bruchsal mit Wasserwerfern die Straßen gereinigt und mit ihrem technischen Dienst die Saalbach gesäubert. Der Bürgermeister lobt auch die engagierte Arbeit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus: „Ich bin stolz, dass meine Verwaltung unglaublich motiviert bei der Sache ist und, wie ich glaube, sehr gute Arbeit leistet.“ Auch Gondelsheimer Unternehmen oder die örtlichen Landwirte seien ganz wesentlich an der Reinigung der Gemeinde beteiligt.

Maßnahmen zur Müllentsorgung

"Einiges haben wir in der Kürze der Zeit bereits aufgearbeitet, vieles liegt aber noch vor uns allen. Dafür brauchen wir alle auch Geduld", sagt Rupp. Auch im Bereich der Müllentsorgung wurden weitere Vorkehrungen getroffen: Der Sperrmüll wird wie gewohnt abgeholt, Elektromüll verstärkt ab Mittwoch. Zusätzlich stehen an der Saalbachhalle Container für Sondermüll wie Autobatterien und Farb- und Lackeimer zur Verfügung. Um Ersatz für verloren gegangene Mülltonnen zu erhalten, wird gebeten, sich im Bürgerbüro zu melden. Des Weiteren stehen Bautrockner zur Verfügung, die nach Anmeldung und gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden. Bürger sollten sich hierfür an das Bürgertelefon (07252 944451 oder 944452) wenden. „Wir empfehlen, sich im Vorfeld mit der Versicherung, sei es der Gebäudeversicherung oder der Elementarschadenversicherung, abzusprechen“, so die Gemeinde.

Großer Zusammenhalt

Inmitten der Krisenbewältigung wird der Zusammenhalt der Menschen deutlich. Für Helfer, betroffene Bürger sowie Einsatzkräfte wird in der Saalbachhalle von 11 bis 13 Uhr eine warme Mahlzeit angeboten. Federführend für diese Versorgung ist der Hausmeister der Gemeinde, Thomas Rapp. Berührend sind auch die Geschichten, die bei den Aufräumarbeiten ans Licht kommen. Eine Gondelsheimer Helferin berichtet von einem Ehepaar, das in einem Fachwerkhaus in der Bahnhofstraße wohnt. Der Mann restauriert in seiner Freizeit Oldtimer, darunter einen Jaguar aus den 1950er-Jahren. Seine Leidenschaft erfordert auch, Originalteile aus aller Welt zu sammeln. Leider sei seine Garage und die Grube, in der er Ersatzteile und Werkzeuge für die Restaurierungen aufbewahrt, durch das Hochwasser geflutet worden. Seit Tagen seien freiwillige Helfer im Einsatz, um die überschwemmte Grube händisch auszuseihen. „Maschinell ist hier nichts zu machen, es ist eine echte Sisyphusarbeit“, erklärt sie.

Kinderbetreuung ist eingerichtet

Das verheerende Hochwasser hat auch das Haus für Betreutes Wohnen für Senioren schwer getroffen. Sämtliche Erdgeschosswohnungen seien überflutet, teilweise drang das Wasser sogar aus den Toiletten, berichtet die Helferin. Die Bewohner wurden inzwischen nach Neibsheim ins dortige Altenheim gebracht. Besonders berührend ist das Schicksal einer alleinstehenden Seniorin, die in ihrem Nachttisch Fotoalben aufbewahrt hatte. Diese persönlichen Erinnerungsstücke wurden durch die Wassermassen fast vollständig zerstört. Eine engagierte Helferin hat sich bereit erklärt, die Fotos einzeln zu säubern und zu trocknen. Die Aufräumarbeiten werden jedoch noch viele Tage in Anspruch nehmen und es werden noch viele Helfer benötigt. „Auch Handwerker und Sachverständige sind jetzt gefragt, um die Schäden zu begutachten und zu beheben“, so die Helferin. Die örtliche Bäckerei habe Gitterboxen gespendet, in denen die Betroffenen ihr Hab und Gut zum Trocknen lagern können. Für betroffene Familien mit Kindern hat die Gemeinde eine Kinderbetreuung von 9 bis 14 Uhr eingerichtet. Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren werden in der Kindertagesstätte Schneckenhaus betreut, Grundschulkinder in der Kraichgau-Gemeinschaftsschule.

Dankesbotschaft einer Gondelsheimer Familie

Derweil wenden sich Annemarie und Hugo Wetzel aus der Bruchsaler Straße 9 in einer Dankesbotschaft an die zahlreichen Helfer der vergangenen Tagen. „Es gibt sie doch, die helfenden Engel“, schreibt Annemarie Wetzel an diese Redaktion. „Wir möchten uns ganz herzlich für die wohltuende Unterstützung durch die vielen Menschen bedanken, die uns tatkräftig zur Seite gestanden haben“, fährt sie fort. In ihrer Botschaft danken sie besonders den folgenden Personen und Gruppen: "Janina, Mario, Carlo, Lennox, Jan und Lenn aus Diedelsheim, Sarah und Franziska aus Karlsruhe, Karin und Gerhard aus Leingarten, Thomas aus Gochsheim sowie den drei jungen Männern von der Jungen Union." Ein weiterer Dank gehe an "Frank, Ingrid und Joachim, Katharina vom Bodensee, Linde und Werner, Ute sowie die drei jungen Menschen von einer Rohrreinigungsfirma aus Offenbach." Auch die Feuerwehren aus Jöhlingen, insbesondere "Herr Zengerle aus Binsheim", und Gochsheim werden für ihren Einsatz gewürdigt, ebenso wie alle ungenannten Helferinnen und Helfer. „Ein Dankeschön von Herzen“, so die Wetzels.

Oberbürgermeister spricht über die Folgen des Unwetters

Von dem Unwetter überrascht wurde auch der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff. Die Schwere des Regens sei „für alle überraschend“ gewesen, meint er. Zwar hätte die Wettervorhersage schon Regen angekündigt, allerdings sei er davon ausgegangen, dass die Gewitterzelle die Melanchthonstadt nur streifen würde. „Doch die Zelle wurde im Laufe des Abends immer größer, blieb lokal hängen und zog nur leicht in Richtung Norden. Im Prinzip hat sich die Schwere des Unwetters aus dem Nichts entwickelt,“ erklärt Wolff. Eine konkrete Schadenssumme kann der OB für Bretten nicht nennen, doch auch die Stadt habe der Starkregen getroffen, da der Probenraum für die Musiker im Bronnerbau des Melanchthon-Gymnasiums mit Wasser geflutet wurde.

„Müssen den Schutz natürlich noch weiter ausbauen“

Insgesamt sieht Wolff die Stadt im Angesicht der bisher umgesetzen Hochwasserschutzmaßnahmen jedoch gut gerüstet. Seit 2013 habe man insbesondere im Saalbach-Gebiet kontinuierlich investiert, mehr als sechs Millionen Euro. Noch sei etwa ein Viertel der Maßnahmen offen. Im mittelfristigen Finanzplan sind noch weitere acht Millionen Euro vorgesehen. „Wir müssen den Schutz natürlich noch weiter ausbauen“, meint Wolff. Dennoch, so der Rathauschef, könne es keine hundertprozentige Sicherheit geben. Bretten sei aber bereits für den HQ100-Wert, also ein hundertjähriges Hochwasser gewappnet. In Zukunft müsse man immer häufiger mit Extremwetterereignissen rechnen, meint Wolff, was unbestreitbar eine Folge des Klimawandels sei. Die Stadt setze mit dem Klimaschutzmanager Andreas Hintz zum Beispiel auf eine gute Aufklärungsarbeit. Dabei sei auch wichtig, dass der Einzelne wisse, wie er sich und sein Grundstück selbst schützen kann, etwa indem der Keller abgedichtet oder Rückstauklappen eingebaut werden. Zentral sei auch die rechtzeitige Alarmierung der Bevölkerung, sagt Wolff.

2019 habe die Stadt daher als erste Kommune in Baden-Württemberg ein Starkregen-Frühalarmsystem (FAS) eingeführt. Das System informiert über Niederschlagsmengen und Pegelstände auf Brettener Gemarkung und gibt anhand dessen Warnungen heraus. Die App ist für Bürger kostenlos und mittlerweile ohne Registrierung abrufbar unter app.starkregen.de.

Mehr zum Hochwasser im Kraichgau lesen Sie auf unserer Themenseite.

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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