Interview mit Stadtmuseum-Leiterin Linda Obhof
„Die Arbeit im Museum ist extrem abwechslungsreich und spannend!“

Linda Obhof, Leiterin des Stadtmuseums in Bretten | Foto: Tom Rebel
  • Linda Obhof, Leiterin des Stadtmuseums in Bretten
  • Foto: Tom Rebel
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Bretten (hk) Es gibt Orte, an denen die Zeit stillzustehen scheint und man in eine andere Welt eintaucht. Das Museum in Bretten ist einer dieser Orte. Im Interview mit der Leiterin des Stadtmuseums, Linda Obhof, spricht sie über das Erzählbarmachen von Geschichten, den Herausforderungen und spannendsten Erfahrungen. Sie verrät auch, welches museales Objekt sie im Brettener Stadtmuseum gerne ausstellen würde.

Die Menschen dort abholen, wo sie sind, und Geschichte(n) erzählbar machen. Wie funktioniert das Ihrer Meinung nach am besten?
Für viele Menschen bedarf es an Anknüpfungspunkten zu heutigen Themen, um Geschichte begreifbar zu machen. Als Museum kann man den Ort wechseln und außerhalb der üblichen Räume Geschichte(n) vermitteln, dies beispielsweise durch Führungen oder Workshops. Beim Bürgermeisterwandern konnten wir bereits einen Stand mit Museumsobjekten außerhalb des Museums realisieren, oder Inhalte und Funde aus dem Burgwäldle waren schon zu Gast im Schaufenster eines freistehenden Brettener Geschäfts, so konnten Passanten mehr über die Geschichte der heutigen Ruine und deren vormalige Bewohner*innen erfahren. Im September 2022 haben wir im Gerberhaus ein neues Formt eingeführt: Das Museum wurde zum Tag des offenen Denkmals von Living-History Darsteller*innen bewohnt. Die Besucher*innen konnten an diesem Wochenende mehr über die Geschichte des Hauses und über altes Handwerk erfahren. Dieses Format werden wir beibehalten, erstmals sogar auch am Peter-und-Paul Fest 2023.

Was ist die größte Herausforderung bei der Arbeit als Museumsleiterin? Und was war bisher die spannendste Erfahrung?
Die größte und zugleich spannendste Herausforderung als Museumsleiterin ist, dass man in vielen unterschiedlichen Bereichen tätig ist: neben der Recherche für Inhalte und Objekte, die bei Ausstellungen gezeigt werden, gehört zu meinem Tätigkeitsbereich auch der Kontakt zu Leihgeberinnen und Leihebern, der Abschluss von Leihverträgen sowie die Koordination mit den Museumsmitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Genauso aber auch die Gestaltung des regelmäßig wechselnden Begleitprogramms und somit die Zusammenarbeit mit externen Personen, die uns hierbei mit tollen Beiträgen unterstützen. Zur Arbeit im Museum gehört der regelmäßige Kontakt mit der Presse, die Arbeit im Museumsdepot sowie die Kooperation mit zahlreichen anderen Institutionen. Auf Initiative der Museen Bretten und Sinsheim entstand das neu begründete Museumsnetzwerk Kraichgau, das zahlreiche interessierte Museen und Heimatvereinen einschließt. Wir planen derzeit ein gemeinsames Jahresprogramm für 2025, dem Jahr, in dem sich die Bauernaufstände im Kraichgau zum 500. Mal jähren. Sie sehen: die Arbeit im Museum ist extrem abwechslungsreich und spannend!

Inwieweit sind Sie frei in dem, was Sie im Stadtmuseum umsetzen? Gibt es Rahmenbedingungen?
Die Rahmenbedingungen sind das Gebäude: Größe, Statik, sowie das Budget, das den Museen zur Verfügung steht und natürlich das Besucherinteresse. Es gibt Besucher*innen jeden Alters, das heißt für Kinder aber genauso für die ältere Generation muss immer mal wieder etwas dabei sein, das sie begeistert und ihr Interesse für Geschichte weckt und das Museum zu einem attraktiven Ort macht. Thematisch haben wir im Museum im Grunde alle Möglichkeiten, wir versuchen aber natürlich schon immer Themen aufzugreifen, die in einer Verbindung mit Bretten und/oder der Region stehen beziehungsweise den Menschen von hier.

Wollen Sie mit den Ausstellungen im Stadtmuseum primär Touristen ansprechen?
Unsere Museen sollen Bürger*innen und Tourist*innen jeder Altersklasse und Herkunft ansprechen.

Wenn Sie sich ein museales Objekt aussuchen könnten – egal was und von wo –, um es im Stadtmuseum auszustellen, welches wäre das – und warum?
Dies wäre vermutlich der „Cristo de Palafox“. Hierbei handelt es sich um eine spätgotische Holzplastik des gekreuzigten Christus, die sich seit dem 17. Jahrhundert auf Reisen befand und mittlerweile in Toledo befindet. Dort erfährt das Kreuz große Verehrung und wird einmal jährlich bei einer Prozession durch die Stadt getragen. Die Christusfigur stammt ursprünglich aus Bretten, höchstwahrscheinlich aus der Stiftskirche.

Wir befinden uns mitten in postkolonialen Debatten – über die Rückgabe kolonialer Raubkunst ist immer häufiger zu lesen. Fühlen Sie sich in dieser Diskussion als Leiterin des Stadtmuseums angesprochen? Und welche Rolle kommt auch den kleineren Museen in dieser Debatte zu?
Grundsätzlich handelt es sich hier um ein absolut relevantes und wichtiges Thema auch für kleinere Museen, allerdings verfügen wir in unserem Museumsbestand – nach unserem aktuellen Wissensstand – über keine Objekte aus kolonialem Kontext. Was sich allerdings unter den vorhandenen Objekten befindet, sind „Reisesouvenirs“ der 1950/1960er-Jahre aus unterschiedlichen archäologischen Stätten in Europa. Hier haben wir allerdings auch schon Kontakt zu Institutionen vor Ort aufgenommen, um auf diese Objekte hinzuweisen, Fotos und Maße wurden übermittelt. In unserem Bestand befinden sich auch relativ wenige Objekte aus der NS-Zeit, die natürlich auch nicht unproblematisch sind. Diese Objekte können – wie auch schwierige Objekte anderer Epochen – immer nur kontextualisiert ausgestellt werden. Grundsätzlich gilt es mit Museumsobjekten und deren Herkunft kritisch umzugehen, dies auch in Bezug auf Angebote zum Ankauf, um dem illegalen Handel mit Kulturgut vorzubeugen.

Die Fragen stellte Redakteurin Havva Keskin.

Mehr Beiträge und Bilder auf unserer Themenseite In Bretten zuhause

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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