"Man kann nur mitreden, wenn man es selbst erlebt hat" - Jörg Biermann spricht über seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter
Jörg Biermann, Brettener Stadtrat und Geschäftsführer des Roten Kreuzes Kreisverband Karlsruhe, spricht über seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Arbeitsrichter.
Bretten (sw) Studiert hat er nicht etwa Jura, sondern Verwaltungswissenschaften. Dennoch wiegt das Urteil von Jörg Biermann im Arbeitsgericht Karlsruhe nun seit zehn Jahren so schwer wie das eines hauptamtlichen Richters. Biermann, der eigentlich als Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes Karlsruhe arbeitet, ist ehrenamtlicher Richter, auch Schöffe genannt. Seine Aufgabe ist es, in arbeitsrechtlichen Prozessen bei der Entscheidungsfindung mitzuwirken. Dabei argumentieren die Schöffen weniger mit Paragraphen: Viel eher soll ihre Anwesenheit die Urteilsfindung um wertvolle Einsichten und Meinungen aus dem alltäglichen Berufsleben ergänzen. Immer zu zweit verfolgen die ehrenamtlichen Richter die Verhandlungen mit, wobei einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, der andere aus dem Kreis der Arbeitgeber stammt.
"Oft merkt man, dass man angelogen wird"
„Die einfachsten Entscheidungen sind die moralisch eindeutigen“, reflektiert Biermann seine Erfahrungen als ehrenamtlicher Richter. „Wenn ich entscheide, entscheide ich so, dass ich glaube, dass ich gerecht entschieden habe.“ Tatsächlich wurde in den etwa 40 Fällen, denen er bisher beigewohnt hat, gegen keines der Urteile Revision eingelegt. Doch wie bildet sich ein juristischer Laie eine Meinung von rechtlichen Sachverhalten? „Oft merkt man in den Verhandlungen, dass man angelogen wird. Man bekommt ein Gefühl dafür“, erzählt Biermann. „Man merkt, ob ein Angeklagter aus dem Herzen spricht oder ob einfach sein Anwalt für ihn redet.“ Um verstehen zu können, was sich jeweils auf beiden Seiten abspielt, erscheint ihm eine gewisse Lebenserfahrung unabdingbar.
"Menschlich sehr schwierig"
In dieser Hinsicht kann der zweifache Vater wohl aus Erfahrung sprechen, denn seinen ersten Fall beim Arbeitsgericht verbrachte er selbst nicht auf der Richterbank, sondern auf der Beklagtenseite. Er war gerade erst Geschäftsführer beim Roten Kreuz geworden, erinnert sich Biermann, da musste einem Mitarbeiter aus Gründen des Schuldenabbaus der Arbeitsplatz gestrichen werden. Als „menschlich sehr schwierig“ bezeichnet er diese Situation heute: „Einerseits wird ein Mitarbeiter entlassen, andererseits ist da auch der Betrieb, der weiterlaufen muss.“ Die Tätigkeit als Schöffe habe ihn insgesamt sensibler für arbeitsrechtliche Probleme gemacht. „Man versteht beispielsweise, dass das Burnout-Syndrom ein existierendes Problem ist. Da kann es auch durchaus sein, dass eine Kündigung wegen Burnout nicht gerechtfertigt ist.“
"Man kann nur mitreden, wenn man es selbst erlebt hat"
Etwa eineinhalb Stunden nimmt jede Verhandlung in Anspruch. Müssen sich Richter und Schöffen zwischendurch beraten, können die Sitzungen auch länger dauern. Ein Aufwand, der laut Biermann trotz allem von dem Willen getragen ist, eine gerechte Entscheidung herbeizuführen. „Es erweitert den eigenen Horizont, wenn man etwas macht, mit dem man normalerweise nichts zu tun hat. In Diskussionen über solche Themen kann man nur mitreden, wenn man es selbst erlebt hat. Daher ist es eine sehr spannende Aufgabe. Ich mache es gerne, das muss ich wirklich sagen.“
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Autor:Sina Willimek aus Bretten |
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