Seit 2. November gelten die neuen Corona-Vorgaben, die für viele Unternehmen die Schließung bedeuten
"Die Enttäuschung ist riesengroß"
Bretten/Region (bea) In den vergangenen Wochen sind die Corona-Infektionszahlen auch im Landkreis Karlsruhe wieder rasant angestiegen. Um die grassierende Pandemie einzudämmen und zu verlangsamen, hat die Bundesregierung gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder erneut striktere Maßnahmen zur Eindämmung der Neuinfektionen beschlossen, die am vergangenen Montag in Kraft getreten sind. Während der Einzelhandel geöffnet bleiben darf, müssen Gastronomie, Fitnessstudios und Schwimmbäder in Baden-Württemberg schließen. Verschärfte Regeln für Krankenhäuser und Seniorenheime sind indes nicht vorgesehen. Die Brettener Woche hat sich bei Vertretern der betroffenen Branchen in Bretten und der Region nach der derzeitigen Stimmungslage im so genannten "Lockdown-Light" erkundigt.
Fitnessstudios und Schwimmbäder
"Die Enttäuschung ist riesengroß und es ist eine absolute Katastrophe", sagt Nazan Strauß, Regionalleiterin der clever fit-Fitnessstudios. Eine komplette Schließung sei nicht nachvollziehbar. Den Mitgliedern fehle das Verständnis, da sich diese an Vorgaben gehalten hätten und das Ansteckungsrisiko laut Hygienekonzept gering sei. "Wir wünschen uns, dass unsere Branche für ihre Rolle, die sie bei der Gesunderhaltung und Prävention in der Bevölkerung spielt, anerkannt wird", sagt Strauß. Auch Andreas Brüssel, Geschäftsführer von Brüssels Fitness in Bretten, kritisiert die Maßnahmen: "Viele unserer Mitglieder und besonders die zur Risikoaltersgruppe gehörenden, berichten, dass der erste Lockdown ihrer Gesundheit geschadet hat und die Novemberschließung ihr wohl noch mehr schaden wird." Da Menschen sich teilweise nicht aus ihrer Wohnung trauten, werde das Immunsystem geschwächt, das aber bei der Virusabwehr gefordert sei. "Das wurde beim Lockdown nicht berücksichtigt", so Brüssel.
Zutiefst enttäuscht über die Regelungen zeigte sich Stefan Kleck, Geschäftsführer der Stadtwerke Bretten. Bereits während des ersten Lockdowns habe die Badewelt Mindereinnahmen in Höhe von 350.000 Euro verbuchen müssen. Kleck spricht von reiner Symbolpolitik und wünscht sich differenzierte Maßnahmen, eine schnelle und unbürokratische finanzielle Unterstützung, sowie eine tatsächliche Begrenzung der Schließung auf vier Wochen. "Die Enttäuschung über die Schließung war sicherlich groß, aber wenn es um die Gesundheit der Menschen in Zeiten der Pandemie geht, nimmt man die Schließung des Hallenbades und der Sauna sicherlich in Kauf", sagt Philipp Klotz, stellvertretender Leiter der Weingartener Finanzverwaltung. Auf der anderen Seite seien Schwimmbäder ein Teil der Daseinsfürsorge und gäben den Badegästen die Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen, das Immunsystem zu stärken und aktiv zu bleiben, so Klotz.
Gastronomie
"Wir haben hin und her überlegt und uns dazu entschieden, vier Wochen lang komplett dicht zu machen", sagt Mirko Gauß vom gleichnamigen Café in Bretten. Das Schlimme sei, dass es wieder Zeit brauche, bis die Kunden wieder ins Café kämen. "Ich glaube nicht, dass wir im Dezember wieder öffnen können, und wenn, dann ist alles im Januar wieder zu", so Gauß.
Auch das Burg-Restaurant Ravensburg in Sulzfeld hat im November geschlossen. Einmal sei das Restaurant für einen Außer-Haus-Service zu weit abgelegen, andererseits sei es auch finanziell nicht darstellbar, den gehobenen Qualitätsbereich adäquat herüberzubringen, sagt Chris-toffer Liedtke. Der Pächter könne kein Verständnis dafür aufbringen, dass die Politik die Gastronomie derart abstrafe. Im Restaurant habe man die Kontakte der Besucher nachvollziehen können, doch dies sei bei Treffen im Privaten nicht unbedingt der Fall. Außerdem gebe es noch keine verlässlichen Regelungen über die angekündigte Zahlung von 75 Prozent des Vorjahresumsatzes. "Das steht noch in den Sternen", sagt Liedtke. Seine Hoffnung sei, dass die Politik aufwache und die Gastronomie wieder öffnen dürfe. "Jetzt harren wir der Dinge, die auf uns zukommen", sagt er.
Währenddessen regt sich Ute Schäufele vom alteingesessenen Weingut Kelterhof in Großvillars nicht mehr auf. "Wir sind motiviert", sagt sie. Bereits im März sei der Außer-Haus-Verkauf gut angenommen worden. Dennoch sei die Lage für Bedienungen nicht schön. "Ich kann niemanden beschäftigen, wenn das Geschäft nicht offen ist", sagt sie.
Eine schwierige Zeit sieht Miltos Makrygiannis vom Filion in Bretten voraus. Er hatte sein Restaurant erst im Sommer eröffnet und kann somit keine Vorjahreseinkünfte vorweisen. "Wir müssen abwarten, ob wir eine Hilfe bekommen", sagt er. So lange wird das Filion einen Abhol- und Lieferservice anbieten. "Es ist schlimm, dass wir jetzt schließen müssen, dabei haben wir uns an die Hygieneregeln gehalten", sagt Makrygiannis. Dabei stehe man erst am Anfang des Winters.
Einzelhandel
"Es sind weniger Leute in der Stadt, weil die Gastronomie geschlossen hat", sagt Astrid Doppler, Inhaberin von Regifine. Daher befürchtet sie, dass der Onlinehandel wieder zunehmen wird. "Dabei sind wir für unsere Kunden da und haben geöffnet", sagt sie. Es sei sicher in den kleinen Geschäften einzukaufen, da der Kundenstrom gut gesteuert werden könne und das Hygienekonzept nach wie vor gelte. Doppler wünscht sich, dass die Menschen die Händler vor Ort unterstützten, bevor sie online einkauften.
Das Schlimmste sei für Silvia Bott von Mode Michel, wenn die Öffnungszeiten einiger Geschäfte wieder heruntergefahren würden. "Wir müssen gegen den Onlinehandel anhalten und vor Ort da sein", sagt sie. Man müsse positiv gestimmt bleiben und mit aller Kraft dran bleiben, denn irgendwann gebe es ein "Danach", so Bott.
Auch Achim Hofsäß von Blickfang hat weniger Kunden in der Stadt beobachten können, die zudem gezielter einkaufen gingen. Für seine Neueröffnung in Oberderdingen bedeuten die neuen Regeln, dass das geplante Café nicht genutzt werden kann. "Wir öffnen trotzdem und bieten Kaffee und Kuchen zum Mitnehmen an", sagt Hofsäß.
Krankenhäuser und Seniorenheime
Das Ziel aller Maßnahmen sei die Gesundheit der Bewohner und deren Familien, sowie die der Mitarbeitenden bestmöglich zu schützen, sagt Isabel Beyerle, Leiterin der ASB Seniorenresidenz in Bretten. Daher dürfe ein Physiotherapeut nur noch aus wichtigem Grund das Haus betreten. Dies müsse im Einzelfall entschieden werden. Die Fußpflege verzichte auf eigenen Wunsch vorerst auf Besuche und Frisörtermine würden möglichst verschoben. Besuche seien für jeden Bewohner auf zwei Personen pro Tag beschränkt. "So bleibt mit Blick auf die Regelung zur Zahl der Haushalte der Kontakt zu Oma oder Opa, Mutter oder Vater weiterhin gewahrt", sagt Beyerle. Daher wurde ein "freiwilliges Fenster für Besuchszeiten“ täglich zwischen 14 und 18 Uhr eingeführt, so die Leiterin. Für einen Ernstfall habe man genügend vorsorglich bestelltes Material auf Lager. Dazu gehörten auch Antigen-Schnelltests, „um im Zweifel binnen weniger Minuten Klarheit über Entscheidungssituationen herbeizuführen und zu handeln", sagt Beyerle.
Für die Krankenhäuser der Regionalen Kliniken Holding (RKH), darunter die Rechbergklinik Bretten und die Fürst-Stirum-Klinik Bruchsal gelte weiterhin der Besucherstopp, sagt Alexander Tsongas, Abteilungsleiter Unternehmenskommunikation der RKH. Dieser gelte, bis der Inzidenzwert des Landes wieder unter 50 sinke. Dennoch gebe es von dieser Regelung Ausnahmen, beispielsweise bei einem Patienten auf der Palliativstation oder einer dementen Person, so Tsongas. Zudem seien Begleitpersonen bei Geburt und Einlieferung in die Notaufnahme, sowie nach Zulassung der behandelnden Ärzte möglich. Intensivbetten würden bei der RKH nicht grundsätzlich freigehalten, sondern das Kontingent an die jeweils gemeldeten Corona-Zahlen angepasst, sagt Tsongas. Die Bündelung der stationären Covid-19-Patienten soll weiterhin primär in Ludwigsburg und Bruchsal erfolgen. Doch auch dort soll es Ausnahmen geben. Nicht-Intensiv-Patienten sollen nun auch mehr auf die übrigen Häuser verteilt werden. "So kann man bei geplanten Operationen oder freien Kapazitäten zwischen den Kliniken jonglieren", sagt Tsongas. In jedem Fall rechnet Tsongas mit einem Anstieg der Patientenzahlen. "Dazu muss man wissen, dass 20 Prozent von den in der Klinik aufgenommenen Corona-Patienten auch intensivpflichtig werden", sagt er. Zum 29. Oktober hätten in der Rechbergklinik Bretten vier an Covid-19 erkrankte Personen gelegen. Die Fürst-Stirum-Klinik Bruchsal zählte 13 Personen, von denen ein Patient auf der Intensiv-Station liege. "In allen RKH-Häusern haben wir, Stand 29. Oktober, 63 Menschen, die an Corona erkrankt sind. Davon sind zwölf Personen auf der Intensivstation", sagt Tsongas.
Autor:Beatrix Drescher aus Bretten |
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