Industrie-Karussell und aktives Flächenmanagement
Das Industriegebiet Gölshausen war für den Strukturwandel in Bretten Voraussetzung
Bretten/Gölshausen (ger) Die Geschichte des Industriegebiets Gölshausen in seiner heutigen Form begann 1982. In diesem Jahr brachte der Gemeinderat den Bebauungsplan des ersten Abschnitts auf den Weg, mit dem das Gölshäuser Gewerbe- und Mischgebiet „Langwiesen“ nach Osten erweitert wurde. Die größte Firma, die 1984 von Kieselbronn dorthin zog, war Kaiser-Pressen, heute Andritz Kaiser GmbH, mittlerweile ein globaler Systemlieferant der Stanz- und Umformtechnik.
20 Prozent Arbeitslosigkeit in Bretten Mitte der 80er
1986 wurde Paul Metzger Oberbürgermeister in Bretten. „Ich war etwa eine Woche im Amt, da meldete die Firma Malag Konkurs an“, erinnert er sich. „Und dann berichtete mir der Neff-Betriebsrat, dass BSH wegen Flächenmangels die Produktion auf andere Standorte verlagern wolle und sich dadurch die Zahl der Mitarbeiter auf nur noch 450 reduzieren würde.“ Die Neff-Krise von 1982 steckte der Stadt noch in den Knochen. Der Erwerb des Traditionsunternehmens durch die Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH (BSH) hatte den Bankrott zwar abgewendet. Dennoch waren viele Menschen verunsichert. Auch andere Betriebe waren in eine strukturelle Krise geraten. Die Arbeitslosenquote in Bretten stieg auf exorbitante 20 Prozent. Die Kaufkraft war eingebrochen. Handel, Gastronomie, Handwerk und Dienstleister klagten über hohe Umsatzeinbrüche. Positiv und zugleich ein Problem war, dass neben Neff auch der Automobil-Zulieferer Fibron, der inzwischen ja in Bretten der Vergangenheit angehört, und die Firma Bischoff Glastechnik, alle drei im Süden der Stadt angesiedelt, verlauten ließen, dass sie mehr Fläche bräuchten. Fläche, die es allerdings im Umfeld dieser Firmen zwischen heranrückender Wohnbebauung und angrenzenden Naturschutzgebieten nicht gab.
Brettener Industrie-Karussell begann sich zu drehen
In Bretten war klar: Es musste dringend gehandelt werden. Auf Vorschlag von Metzger befürwortete der Gemeinderat sehr rasch ein aktives Flächenmanagement, auch bekannt unter dem Namen Brettener Industrie-Karussell. Damit große Firmen ihren Standort behalten und ausbauen konnten, mussten andere umgesiedelt werden. In einem ersten Schritt wurden der Holzbaufachmarkt Elskamp, das Feuerwehrhaus, die Stadtwerke und ein Gasspeicher verlagert. Wohin aber mit den auch dort ansässigen Betrieben? Da lag das erweiterte Gebiet in Gölshausen nahe.
„Dabei hielt ich den Standort dort eigentlich für ungünstig, weil er am Ende der Kanalisation lag. Unter meinem Vorgänger Alfred Leicht war das Gebiet auf Drängen des Regierungspräsidiums ausgewiesen worden“, beschreibt Metzger die damalige Situation. Er hätte das Diedelsheimer Dreieck befürwortet, weil dort die abwassertechnische Infrastruktur und der Hochwasserschutz effektiver zu realisieren gewesen wäre. Aber die Weichen waren nun einmal schon gestellt. Und gleich einem Domino-Effekt war das der Anfang der Neustrukturierung der Innenstadt. Die Stadt ging ganz offen und aktiv vor und kaufte sukzessiv fast alle alten Betriebsareale im Brettener Süden von Rinklingen bis zur Pforzheimer Straße. Damit war es möglich, die Betriebsstrukturen der an ihrem Standort verbleibenden Firmen Bischoff, Klumpp und Neff nachhaltig zu verbessern, die LKW-Probleme bei der Firma Deuerer zu lösen und nicht zuletzt auch den vierstreifigen Ausbau der Wilhelmstraße mit ovalem Kreisel zu realisieren. Auch der Landschaftsverbrauch konnte mit dem Vorgehen, große Betriebe an ihrem Standort zu halten, verträglich gehalten werden.
Mehr Arbeitsplätze und höhere Gewerbesteuereinnahmen
Woher nahm die Stadt das Geld dafür? „Wir haben uns nur hochrentierliche Darlehen geleistet und konnten sehr rasch an ständig steigenden Steuereinnahmen partizipieren“, erläutert Metzger und verweist darauf, dass die Gewerbesteuer-Einnahmen Brettens in der Krise zu Beginn seiner Amtszeit nur bei 2,5 Millionen Euro gelegen hatten. Bis 2010, als er sein Amt an seinen Nachfolger Martin Wolff übergab, hatten sich die Einnahmen aus der Gewerbesteuer annähernd verzehnfacht und in einem Ausnahmejahr wurden sogar über 30 Millionen Euo erzielt. Das war annähernd so viel wie der seinerzeitige Schuldenstand. Auch der Anstieg der Arbeitsplätze in dieser Zeit von rund 6 800 zu Anfang der 80er Jahre auf 14 000 kann sich sehen lassen.
Industriegebiet Gölshausen in sechs Bauabschnitten gewachsen
Das Industriegebiet Gölshausen ist in 35 Jahren und sechs Bauabschnitten rasant gewachsen. Die Erweiterung mit dem fünften Bauabschnitt war nur durch die Realisierung der 2004 fertiggestellten Umgehungsstraße möglich. Der letzte Bauabschnitt im Rüdtwald gehört zu den heiß umstrittenen Standorten. Der Futtermittelhersteller Deuerer stellte dort im Juli 2016 auf gut 21 Hektar sein Logistik- und Verpackungszentrum fertig. 2007 beschloss der Gemeinderat gegen den Widerstand von Naturschutzverbänden und Bürgerinitiativen die Erweiterung des Industriegebiets an dieser Stelle. "Das geschah zunächst nicht ausschließlich für Deuerer, sondern auch für Neuansiedlungen. Schon rasch zeigte sich jedoch, dass die expandierende Firma Deuerer das gesamte Gelände benötigt und das steuerstarke Unternehmen nur damit in Bretten gehalten werden konnte", betont Metzger. Als Ausgleichsfläche wurden in Neibsheim 27 Hektar Wald aufgeforstet, der sich zwischenzeitlich schon gut entwickelt hat. Als Deuerer 2008 das Areal im Rüdtwald erwarb, wurde die Verlagerung der Produktion aus dem Rinklinger Tal in Aussicht gestellt. Die Stadt sicherte sich die Vorkaufsrechte für das Gebiet an der Rinklinger Straße. "Meine Wunsch war und ist, das bisherige Betriebsgelände zu renaturieren, für besseren Hochwasserschutz zu nutzen und beides mit einer Landesgartenschau in Bretten zu realisieren", so Metzger.
Das aktive Flächenmanagement und das Brettener Industrie-Karussell haben die Region wettbewerbsfähig gemacht. In Gölshausen siedelte sich ein Branchenmix an: Produzierendes Gewerbe, Handwerker, Dienstleister, vom Mittelständler bis hin zum Welt-Konzern. Bretten ist es damit gelungen, von der einstigen monostrukturellen Ausrichtung der Wirtschaft auf Herd- und Heizgerätebau wegzukommen und sich breiter und damit krisensicherer aufzustellen.
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Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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