Gemeinderat Bretten beschließt Eckwertebeschluss für das Haushaltsjahr 2022/Finanzielle Lage zwingt zu Einsparungen
"Relativ grausame Zahlen"
Bretten (ger) Der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff schickte beim ersten Tagesordnungspunkt im Gemeinderat voraus, dass es einen bei dem anstehenden Darlehensbedarf von rund 9,4 Millionen Euro fröstele, und der neue Kämmerer Matthias Enz, seit Mai dieses Jahres im Amt, bedauerte aufrichtig, dass er bei seinem ersten Haushalt „relativ grausame Zahlen“ präsentieren müsse. Die erste Gemeinderatssitzung nach der Sommerpause widmete sich an vorderster Stelle dem Eckwertebeschluss der Stadt für das Haushaltsjahr 2022, und die finanzielle Lage sieht nicht rosig aus.
Pandemie hat Spuren hinterlassen
Die Pandemie hat auch in den kommunalen Säckeln beträchtliche Spuren hinterlassen. Zwar hatte die Stadt Bretten im Jahr 2020 vom Land Gewerbesteuer-Kompensationszahlungen über 4,65 Millionen Euro erhalten. Doch wird dieser Betrag in den Kommunalen Finanzausgleich 2022 einbezogen und führt damit im kommenden Haushaltsjahr zu geringeren Schlüsselzuweisungen und höheren Umlagezahlungen. Kalkulationsgrundlagen waren zudem Orientierungsdaten des Innen- und Finanzministeriums des Landes, die Steuerschätzung im Mai 2021 sowie die Mittelmehrbedarfsmeldungen der Ämter.
Erträge übersteigen Aufwendungen
Die ordentlichen Erträge (75,9 Millionen Euro) übersteigen die ordentlichen Aufwendungen (75,71 Millionen Euro) um lediglich 196.000 Euro. „Besorgniserregend“ sei das, so Kämmerer Enz, denn damit reiche der Zahlungsmittelüberschuss nicht mal aus, um die Tilgungsleistungen über 1,1 Millionen Euro zu finanzieren. Rechnet man nicht zahlungswirksame Erträge und Aufwendungen hinzu, ergibt sich gar ein negativer Saldo im Ergebnishaushalt über rund 4,18 Millionen Euro.
Verschuldung der Stadt wird steigen
Die Verschuldung der Stadt wird sich zum 1. Januar 2022 auf rund 18,3 Millionen Euro belaufen. Die bisherige mittelfristige Finanzplanung beinhaltete für 2022 Investitionen über rund 17,6 Millionen Euro, davon entfallen allein auf Baumaßnahmen 14,6 Millionen Euro. Das Investitionsvolumen beinhaltet zum größten Teil Fortsetzungsmaßnahmen aus 2021 aus den großen Bauprojekten Sporgasse sowie Sanierung des Bronnerbaus am Melanchthon-Gymnasium und der Talbachhalle in Neibsheim. Zum Ende des Jahres 2022 wird die Verschuldung voraussichtlich auf über 27,73 Millionen Euro ansteigen, da erhebliche Investitionsbeträge nachfinanziert werden müssen. Enz Fazit: Die Finanzsituation lasse kaum Spielraum für zusätzliche investive Maßnahmen. Perspektivisch müsse man laut Kämmerer Enz Überlegungen anstellen, wie man die Finanzierung weiterer Großprojekte, namentlich der Gartenschau, die in Bretten im Jahr 2031 stattfinden soll, bewerkstelligen könne. Alle Akteure seien nun gefragt, wo man Einnahmen generieren, Priorisierungen neu gewichten und Einsparungen tätigen könne.
"Fahren auf Sicht mit griffbereiter Handbremse"
Die Fraktionen, die sich zu Wort meldeten, erkannten die unkomfortable prekäre Lage unisono an. Ute Kratzmeier von den Grünen konstatierte, dass „Panik und Verzagtheit jedoch keine guten Ratgeber sind“ und pochte darauf, einerseits Investitionen in Klima-, Umwelt- und Artenschutz sowie die Landwirtschaft als Lebensgrundlage nicht aus den Augen zu verlieren, und andererseits zu bedenken, dass „mittel- und langfristige Kosten von Dingen, die wir unterlassen zu tun, uns teurer kommen könnten.“ Bernd Neuschl führte für die CDU an, dass man zwar gerne antizyklisch agieren, hier den Sparkurs aber mitgehen würde. Dennoch dürfe man nicht den kulturellen, sozialen und bildungspolitischen Bereich gefährden, müsse in die nächsten Haushalte für die Gartenschau jährlich eine bis 1,5 Millionen Euro einstellen und monetäre Puffer für steigende Baukosten und den Klimaschutz schaffen: „Wir fahren auf Sicht mit griffbereiter Handbremse.“
Einstimmige Zustimmung für Eckwertebeschluss
Bernd Diernberger (Freie Wähler), brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass sich die Finanzsituation nicht so dramatisch entwickeln werde. Genaueres wisse man erst, so Enz, mit den Steuerschätzungen im November. Birgit Halgato von der SPD lobte den Konsolidierungskurs, den die Stadt seit 2010 fahre, so dass „man noch ein wenig Luft nach oben hat, die man aber nicht voll ausschöpfen soll.“ Ihre Fraktion werde die Ausgaben für das kommende Jahr auch kritisch betrachten. Hermann Fülberth, Stadtrat von Aufbruch Bretten, merkte an, dass man auch „Projekte, die schon laufen, noch kürzen oder absagen“ könnte. Bürgermeister Michael Nöltner verwies in diesem Zusammenhang auf die Verpflichtungsermächtigungen, an die man gebunden sei und die man höchstens verschieben könne. Darauf merkte Kämmerer Matthias Enz an, dass man bei Zuschüssen an Zeitrahmen gebunden sei und das Gremium künftig bei Neuinvestitionen auch den Mut haben dürfe, ein Zuschussprogramm einmal sausen zu lassen. Dem Eckwertebeschluss stimmte der Gemeinderat Bretten einstimmig zu.
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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