Fahrplanwechsel erschwert Mobilität
Rollstuhlfahrerin kann nur noch eingeschränkt Bahn fahren

An der Haltestelle Bretten Stadtmitte kann Susanne Jansen den RE nicht nehmen, weil die Rampe zu hoch ist. Foto: hk
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Bretten/Region (hk) Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2022 wurde der Eilzug der S4 von Heilbronn nach Karlsruhe gestrichen. Die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) betreibt diese S-Bahn. Stattdessen verkehrt nun ein Regionalexpress RE 45 der Bahn als Ersatz für diesen Eilzug. „Als Rollstuhlfahrerin fahre ich gelegentlich mit der Bahn von Bretten nach Karlsruhe, um dort meinen Sohn zu besuchen“, sagt Susanne Jansen aus Oberderdingen. Sie nahm bis vor dem Fahrplanwechsel den Eilzug der S4 und stieg an den barrierefrei umgebauten Haltestellen Bretten-Bauerbach oder Bretten-Schulzentrum ein, um in die Karlsruher Innenstadt zu fahren. Gerne würde Jansen auch mit dem RE 45 fahren, der hält aber seit dem Fahrplanwechsel nicht mehr an den barrierefrei umgebauten Haltestellen Schulzentrum und Bauerbach, sondern nur noch in Bretten Stadtmitte und am Bahnhof Bretten. Diese Haltestellen kann Jansen jedoch aufgrund fehlender Rampen und Aufzüge nicht erreichen. Erschwerend komme hinzu, dass der RE 45 an den nicht barrierefreien Gleisen am Hauptbahnhof in Karlsruhe halte, beschreibt Jansen. „So bleibt mir nur die S4, die auch nur zweimal in der Stunde fährt. Wenn ich Pech habe und eine Bahn verpasse, kann ich mitunter bis zu 40 Minuten auf die nächste Bahn warten“, ärgert sie sich. Zudem könne sie nicht zu Stoßzeiten fahren, da es dann wenig bis keinen Platz mehr für Rollstuhlfahrer in der Bahn gebe. „Warum kann der RE 45 nicht immer in Bauerbach halten?“ Diese Frage stellte sie sich schließlich, als sie erfuhr, dass für die dortigen Schüler eine Lösung gefunden wurde (wir berichteten), „für Rollstuhlfahrer jedoch nicht“, sagt Jansen enttäuscht.

"Ein aufeinander abgestimmtes sinnvolles Gesamtkonzept"

In einer Stellungnahme der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) an Jansen, die der Redaktion vorliegt, informiert das Unternehmen, dass der Bahnhof Bretten bis Juni 2024 durch einen Zugang über Aufzüge barrierefrei ausgebaut werden soll. Die Haltestelle Bretten Stadtmitte werde in den nächsten zwei Jahren ebenfalls folgen und dann ebenfalls den barrierefreien Ein- und Ausstieg ermöglichen. Weiter bestätigt das Unternehmen, dass die Eilzüge nicht mehr in die Innenstädte von Karlsruhe und Heilbronn fahren, sondern als Regionalexpress-Linie zu den Hauptbahnhöfen. Der NVBW erklärt, dass diese Regionalexpresszüge beschleunigt werden würden, so dass „attraktive Reisezeiten und neue Anschlüsse in Heilbronn und Karlsruhe erreicht werden“. Nach Ansicht des Unternehmens ergäben sich „in vielen Relationen Fahrzeitgewinne von bis zu 20 Minuten.“ Die Stadtbahnen der AVG verkehren weiterhin auf dieser Strecke in die Innenstädte.
Gegenüber der Brettener Woche/kraichgau.news betont ein Pressesprecher der AVG, dass man die Kritik der Kundin an diesen Änderungen im Fahrplanangebot und den damit verbundenen Auswirkungen verstehe und bedauere, dass sie sich als Rollstuhlfahrerin nun mit bisher so nicht vorhandenen Einschränkungen konfrontiert sieht. Die Neuregelung der Eilzug-Verkehre sei jedoch ein wesentlicher Bestandteil des neu geschlossenen Verkehrsvertrags zwischen der AVG und der NVBW, sprich dem Land Baden-Württemberg. „An dieser neuen Regelung, dass die Eilzüge durch die DB gefahren werden und dieses wiederum andere Haltestellen bedienen als dies bisher der Fall war, kann von Seiten der AVG aktuell nichts geändert werden, da es sich um ein aufeinander abgestimmtes sinnvolles Gesamtkonzept handelt“, so der Pressesprecher.

Auch zu Stoßzeiten "genügend Platzkapazitäten"

Für die Halte in Bretten-Bauerbach und Oberderdingen-Flehingen gibt es laut NVBW eine Ersatzverbindung mit der Stadtbahn, die stündlich von Gölshausen bis Flehingen verlängert wurde. „Vor 8 Uhr kann der RE ausnahmsweise in Bauerbach halten, sodass die Schüler rechtzeitig zur Schule kommen. Das ist möglich, da die Züge um die Uhrzeit noch nicht im Takt fahren“, so der NVBW. Ein zusätzlicher RE-Halt in Bauerbach sei jedoch nicht möglich, da sonst die Anschlüsse im ICE-Knoten Karlsruhe und die Anschlüsse in Heilbronn nicht mehr erreicht werden würden. Zudem weist der NVBW darauf hin, dass ab Bauerbach stündlich zwei Stadtbahnen mit in der Regel zwei Wagen verkehren, die "genügend Platzkapazitäten anbieten", sodass Jansen auch zu Stoßzeiten in die S4 einsteigen und mit dieser fahren könnte.
Weil die Bahnsteige im Karlsruher Hauptbahnhof 76 Zentimeter hoch sind, die Fahrzeuge aber eine Einstiegshöhe von 55 Zentimeter haben, gibt der NVBW den Hinweis, dass ein barrierefreies Ein- und Aussteigen mit der Rollstuhlrampe möglich sei. Die Rampe befinde sich in jedem Fahrzeug. Hierzu könne man sich per Knopfdruck beim Lokführer mithilfe eines Rufknopfes im Rollstuhlbereich innerhalb des Fahrzeugs oder des unteren Knopfes an der Außenseite der Tür melden. Ein einmaliger Praxistest mit Jansen an der Haltestelle Bretten Stadtmitte zeigte jedoch: Trotz mehrmaligem Drücken des Knopfes erschien kein Lokführer mit Rollstuhlrampe. Daraufhin trat Jansen ihren Heimweg mit dem rollstuhlgerecht umgebauten Auto an.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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