„Der Weg steht uns offen“
Stadt Bretten strebt Beteiligung an regionalem Nahwärmenetz an

Foto: archiv

Bretten (hk) Wie kann die Abhängigkeit der Region von fossilen Energieträgern verringert werden? Eine Antwort auf diese Frage könnte lauten: Mit Tiefengeothermie. Der Gemeinderat der Stadt Bretten erwägt, das Potenzial in der Region zu nutzen und hat deshalb in seiner jüngsten Sitzung mehrheitlich ein positives Signal für die Beteiligung an der Projektentwicklungsgesellschaft (PEG) gegeben, die das regionale Wärmenetz des Landkreises Karlsruhe realisieren soll. Zu diesem Zweck muss die PEG jedoch erst noch gegründet werden. Dies soll im ersten Quartal 2023 geschehen.

CO2-neutrale Wärmeversorgung

Der regionale Wärmeausbau soll über ein Wärmenetz eine CO2-neutrale Wärmeversorgung für einen großen Teil des Landkreises ermöglichen. Der geplante Wärmeausbau basiert auf der Nutzung der Tiefengeothermie, mit der der Landkreis mehr als die Hälfte des gesamten Wärmebedarfs decken könnte – so lautet das Ergebnis der Umwelt- und Energieagentur (UEA) des Landkreises. Birgit Schwegle, Geschäftsführerin der UEA, erläuterte dem Gemeinderat die Details der regionalen Wärmeausbaustrategie.

Aus Sicht der UEA ist interkommunale Wärmeverteilung notwendig

Die Umstellung der Wärmeerzeugung im Landkreis auf erneuerbare Energien würde jährlich 1,7 Millionen Tonnen CO2 einsparen, so Schwegle. Das Wärmepotenzial aus erneuerbaren Energien würde zwar ausreichen, um den gesamten Landkreis zu versorgen, jedoch sind die Wärmequellen im Landkreis heterogen verteilt. Etwa 50 Prozent des gesamten Wärmebedarfs könnten künftig über Wärmenetze erschlossen werden, lautet die Prognose der UEA. Um dieses Potenzial zu nutzen, ist aus Sicht der UEA eine interkommunale Wärmeverteilung notwendig. Ein Vergleich verschiedener Technologien für die netzgebundene Wärmeversorgung habe gezeigt, dass das Potenzial der Tiefengeothermie bei weitem größer sei als andere Potenziale.

300.000 Megawattstunden pro Jahr durch Tiefenwärme

Bis zu 300.000 Megawattstunden pro Jahr könnten durch Tiefenwärme erzeugt werden. Schwegle betonte, dass eine Tiefengeothermieanlage den gesamten Wärmebedarf der Stadt Bretten decken könnte. Auch der Strombedarf könnte vollständig durch das vorhandene Potenzial an erneuerbaren Energien gedeckt werden. Die Tiefengeothermie deckt die Grundlast – Ziel sei es jedoch, den Strombedarf maximal zu überdecken, zum Beispiel wegen der E-Mobilität und der Versorgungssicherheit. Die Energie käme von Geothermiekraftwerken in Dettenheim, Graben-Neudorf und Bruchsal über eine Trasse nach Bretten. Die interkommunale Leitung soll von der zu gründenden Regionalen Wärmegesellschaft (RWG) gebaut und betrieben werden, während die lokalen Verteilnetze ab der Wärmeübergabestation von der Kommune organisiert werden sollen, etwa in Zusammenarbeit mit kommunalen Energieversorgern wie den Stadtwerken oder auch mit Bürgerenergiegenossenschaften.
Der Zeitrahmen sieht vor, dass im Mai 2023 das Ergebnis des Langzeit-Produktionstests der Deutschen Erdwärme GmbH die genaue Wärmeleistung festlegen soll. Die Wärmeversorgung von Graben-Neudorf werde voraussichtlich Anfang 2024 beginnen, in Bruchsal ein Jahr später und in Bretten voraussichtlich 2027.

Faktor zur Sicherung des sozialen Friedens

Während bei den ersten Überlegungen zum Projekt ausschließlich die CO2-Einsparung im Vordergrund stand, würden heute das Überleben von Unternehmen sowie die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung von einer stabilen Energieversorgung zu kalkulierbaren Kosten abhängen, so Schwegle. Insofern sei der Aufbau einer regionalen Wärmeversorgung auf Basis erneuerbarer Energien neben dem Klimaeffekt ein entscheidender Faktor zur Sicherung des sozialen Friedens.

„Es wäre verantwortungslos, sich nicht an diesem Projekt zu beteiligen“

Das Bemühen der Stadt Bretten, sich an der zu gründenden PEG zu beteiligen, wurde von der CDU positiv aufgenommen. Fraktionssprecher Martin Knecht machte deutlich, dass die Einrichtung eines solchen Netzes auch im Hinblick auf die Energiekrise und den sozialen Frieden „notwendig“ sei. In Erfahrung bringen wollte Knecht, welche Fördermittel und Langzeiterfahrungen es mit dieser Art der Geothermie gibt. Laut Schwegle könne man einen Zuschuss von bis zu 40 Prozent erhalten. Für Fragen nach Langzeiterfahrungen seien die Experten „vor der Haustür“, nämlich die Forschenden am Karlsruher Institut für Technologie, die besten Ansprechpartner. Otto Mansdörfer von den Grünen hob hervor, dass viele andere Kommunen in Baden-Württemberg diese Option nicht hätten. Er sagte: „Der Weg steht uns offen.“ Bernd Diernberger von der Freien Wählervereinigung brachte zum Ausdruck, dass er sich durch das Vorhaben einen klaren Standortvorteil erhoffe. „Es wäre verantwortungslos, sich nicht an diesem Projekt zu beteiligen“, betonte er. Lediglich die AfD äußerte sich skeptisch gegenüber einer Beteiligung. Stadtrat Andreas Laitenberger sprach unter anderem den Energieverlust von Dettenheim nach Bretten, die hohen Kosten der Maßnahme, die auch auf die Bürger zurückfallen könnten und zu erwartende Rodungen von Waldflächen an.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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