Leserbrief zum Thema BIVEB gegen Umgehungsstraße B 294
Wer im Glashaus sitzt . . .

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Aus bisherigen Presseberichten ging ja schon hervor, dass die Erstellung eines Mobilitätskonzeptes und die aus der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes hervorgegangene, besondere Dringlichkeit für eine Ortsumgehung Bretten der B 294 zwei Paar Stiefel sind. Das Moblitätskonzept ist eine Aufgabe der Stadt, aber der Bund hat eine andere Aufgabe: Bund und Länder mit ihren Straßenbaubehörden haben die Aufgabe, mit Neubau oder Ertüchtigung vorhandener Bundesstraßen und Autobahnen vorwiegend dafür zu sorgen, dass überregionaler Güterverkehr, Berufsverkehr und Urlaubsverkehr reibungslos abgewickelt werden können. Die BIVEB hat als Gegnerin einer B 294 Umgehung Bretten der Presse nun eine selbstgebastelte, unbelegte Grafik zugeleitet. Dort stellt sie den gesamten Innenstadtverkehr allein mit der Belastung der Achse Melanchthonstraße, Wilhelmstraße, Pforzheimer Straße dar. Dazu addiert sie dann den von einer Südwest-Umfahrung aufgenommenen Verkehr, um zu behaupten, diese würde nur zu etwa zehn Prozent die Innenstadt entlasten und zu 90 Prozent zusätzlichen Verkehr von außen anziehen. Dies ist gemäß der Grafik des Verkehrsgutachters auf Seite 42, wo die Entlastung der allermeisten Straßen in der Kernstadt, Diedelsheim und Rinklingen aufgezeigt wird, genauso unsachlich wie einzelne „angenervte“ Äußerungen von Stadtrat Aaron Treut oder Anfeindungen gegen ihn.

Die Verursacher dieses ständig zugenommenen überregionalen Verkehrs sind wir letztlich alle mit unserer modernen Arbeitsteilung rund um die Welt, unseren Wünschen, zu jeder Jahreszeit alle möglichen Nahrungsmittel und Waren von überall her zu Billigpreisen verfügbar zu haben und Urlaub in aller Welt machen zu können. Dementsprechend ist auch die jährliche Zulassung von Lkw und Sattelzugmaschinen für den Güterverkehr in Deutschland von 96.912 Zulassungen im Jahr 1960 auf 382.328 im Jahr 2019 gestiegen. Das sind 295 Prozent Steigerung. Im Jahr 2021 hatten wir dadurch in Deutschland einen zugelassenen Bestand von 5,71 Millionen Lkw und Zugmaschinen. Die Waren, die auf jetzt über 5.300 Mega-Containerschiffen mit einer Länge von bis zu 400 Metern und einem Fassungsvermögen bis 19.000 Containern rund um die Welt transportiert werden, müssen auch in Deutschland "just in time" verteilt werden, sonst stehen bei uns Produktionsbänder still, wie kürzlich geschehen. Ohne Bundesfernstraßen geht dies nun einmal nicht. Aber auch unser Einkaufsverkehr hat sich geändert: vom Tante-Emma-Laden zum Einkaufszen-trum. Es soll auch in Bretten Menschen geben, die sogar auf der B 35 nach Knittlingen oder der B 294 nach Bauschlott zu den Edeka-Märkten fahren, statt mit dem Lastenfahrrad zum Kraichgau-Center. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass die globalisierte Wirtschaft die weltweite, absolute (nicht die relative) Armut heute auf 8,5 Prozent sinken ließ, während sie 1980 noch 35 Prozent betrug.

Was also will die BIVEB mit ihrem Argument des Landschaftsverbrauchs zur Verhinderung der Südwest-Umfahrung der B 294, wenn sie, wie eben alle, dafür mitverantwortlich ist? Außerdem: In den 50er Jahren betrug die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in der BRD 15 Quadratmeter. Auf diesen 15 Quadratmetern habe ich 30 Jahre lang gewohnt, bis ich mit meiner Familie 1972 in eine 120 Quadratmeter große Wohnung gezogen bin und damit unsere Wohnfläche pro Kopf verdoppelt habe. Auf vergleichbare Weise ist dies auch bei denen erfolgt, die heute als Eigenheimbesitzer das Argument des Landschaftsverbrauchs gegen die Verlegung einer Bundesstraße aus der Brettener Innenstadt heraus ins Feld führen. Auch sie haben dazu beigetragen, dass heute die durchschnittliche pro Kopf-Wohnfläche bei etwa 47 Quadratmetern, also dem Dreifachen gegenüber früher liegt und landwirtschaftliche Produktionsfläche dafür verbaut werden musste.

Ähnliches gilt für das Argument der Frischluftzufuhr-Verhinderung durch die B 294 Umgehung. Die Kaltluft, die auf dem Rechberg entsteht und nach Bretten über die Straße Am Steiner Pfad als Senke zur Belüftung abfließen will, muss dort erst einmal das Neubaugebiet Am Steiner Pfad umströmen, gelangt anschließend zum Bahndamm und die Unterführung zur Pforzheimer Straße. Dort entlüftet sie allenfalls die Firma Neff, aber nicht die Innenstadt. Und welchen Kaltluftstrom soll die über das Sprantaler Tal geführte Umgehung am Abfluss in die Stadt und über welchen Weg hindern?

Fazit: Es ist legitim, private Belange gegen einen Straßenbau in ein Planfeststellungsverfahren einzubringen. Wer aber selbst im Glashaus sitzt, sollte von Scheinargumenten öffentlicher Belange gegen die Trasse Abstand nehmen und keine selbstgebastelte, unbelegte Grafik an die Presse geben. Das auch genannte Argument von berührten Naturschutzräumen müssen die Fachverbände als Interessensvertreter in das Verfahren einbringen und nicht die Bewohner vom Steiner Pfad oder die Sprecher einer Bürgerinitiative. Die nach dem Raumordnungsgesetz vorgeschriebene Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange ist nun Sache der Planfeststellungsbehörde im Rechtsreferat des Regierungspräsidiums und nicht der Stadt Bretten oder gar die von betroffenen Anwohnern. Dies aber möchte die BIVEB suggerieren. Jeder, der im Steiner Pfad gebaut hat, konnte vorher im Flächennutzungsplan den Willen der Stadt Bretten durch die beiden Freihaltetrassen für die Umgehung der B 294 einsehen. Nun sollte das Regierungspräsidium auch weniger gestört seine Arbeit machen dürfen.

Gunter Lange, Bretten

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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