Klimawandel in Bretten
Wie geht die Landwirtschaft mit den Auswirkungen um?

Der Klimawandel ist längst auch im Kraichgau angekommen. Wie begegnet ihm die Landwirtschaft? | Foto: ger
  • Der Klimawandel ist längst auch im Kraichgau angekommen. Wie begegnet ihm die Landwirtschaft?
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Bretten (ger) Der Klimawandel hat den Kraichgau und Bretten längst erreicht. Teresa Schüle und Frank Arendt vom Arbeitskreis Klimaschutz des NABU Bretten haben lokalisierte Klimamodelle des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und des Helmholtz-Klimaforschungszentrums Gerics auf die Region angewandt und in einem Bericht zusammengefasst. Die wissenschaftlich fundierten Daten zeigen, wie sich das Klima in Bretten und dem Landkreis in den letzten Jahrzehnten im Vergleich zum Zeitraum zwischen 1971 und 2000 verändert hat und wie es sich weiter verändert, wenn der Klimaschutz nicht intensiviert wird.

"Das ist eine Black Box"

Ganz unmittelbar betroffen von den Auswirkungen ist dabei die Landwirtschaft. Für Beate Zonsius, die im Salzhofen am Brettener Ortsausgang Richtung Sprantal auf 60 Ar Gemüse von „Aubergine bis Zwiebel“ anbaut, ist das, was auf uns zukommt, eine "Black Box" mit Unwägbarkeiten, an die man sein Handeln anpassen muss. Im März und April war es nach wenig Niederschlag zu Jahresbeginn der Regen, der sie bisher davon abgehalten hat, Zwiebel zu stecken und Wurzelgemüse zu säen. Die Risiken für den Betrieb mindert sie daher mit mehreren Standbeinen. Sie verkauft ihr Gemüse im eigenen Hofladen, lebt auch von einer kleinen Schafherde und betreibt „SoLaWi“ – Solidarische Landwirtschaft. Das bedeutet, dass private Haushalte sich finanziell am Unternehmen beteiligen und dafür wöchentlich etwas von der Ernte erhalten.

Niederschlag verteilt sich weniger gleichmäßig

Laut Prognose, so Schüle und Arendt in ihrem Bericht, wird die jährliche Niederschlagsmenge in Bretten etwa gleich bleiben, allerdings weniger gleichmäßig auf die Jahreszeiten verteilt wie früher. An Zonsius Hof gab es bis vor einigen Jahren eine komplette Wetterstation des DWD, inzwischen meldet sie nur noch die Niederschlagsmenge. „In den letzten Jahren geht die Tendenz dahin, dass wir im Frühjahr und Herbst fast schon Regenzeiten haben, während die Winter und die Sommer viel trockener sind“, hat Zonsius festgestellt.

"Arbeiten sind nicht mehr so gut planbar"

Die Zunahme von Wetterextremen beschäftigt auch Alexander Kern vom Spitalhof in Diedelsheim. „Die Arbeiten sind nicht mehr so gut planbar“, sagt er. Auf 120 Hektar baut er inzwischen neun statt früher fünf Kulturen an. „Dadurch haben wir mehr Möglichkeiten für die Fruchtfolge und können auch das Risiko minimieren, wenn es Ausfälle bei Kulturen gibt“, erläutert er. Das Frühjahr sei zwar nass, die tiefen Schichten im Boden seien aber immer noch trocken. Schnee, der nach und nach taut, hätte hier Abhilfe schaffen können. So geht es bei den Landwirten mehr und mehr darum, die Feuchtigkeit im Boden zu halten. Beide, Kern und Zonsius, achten daher darauf, den Boden immer bedeckt zu halten, um die Verdunstung zu minimieren.

Landwirte werden kreativ

Kern sät nach der Ernte eine Zwischenfrucht ein oder lässt das Stroh liegen. Humusaufbau trägt auch dazu bei, die Mikroorganismen im Boden zu erhalten. Zonsius lässt abgehacktes Unkraut liegen und streut noch gehäckseltes organisches Material, um die Pflanzen („mulchen“). Kürbisse und Zucchini setzt sie auf Erddämme, in die sie Dung von ihren Schafen eingebracht hat. Bei großem Saatgut wie Erbsen oder Bohnen bedeckt sie von der Saatrinne nur eine Hälfte, und sie nutzt die Hanglage ihrer Äcker, pflanzt quer zum Hang.

Kern wässert Äcker nicht

Und sie baut in Mischkultur an, das heißt, sie setzt Gemüse nebeneinander, das sich gegenseitig stärkt. Zwiebel halten zum Beispiel Schädlinge von benachbarten Karotten fern. Zugleich beschatten sie die Karottensaat. „Früher gab es an den Ackergrenzen immer Streuobst, das auch für Schatten auf dem Acker gesorgt hat“, erinnert sie. Wenn es ganz trocken ist, wässert Zonsius ihr Gemüse auch, aber „nur im Notfall und minimal“. Das macht Kern mit seinen großen Äckern nicht. „Bei niedrigem Grundwasserpegel macht das auch keinen Sinn, so noch mehr Flüssigkeit zu verdunsten“, sagt er. Die Züchter reagierten auf die veränderten Gegebenheiten, indem sie trockenheitstolerante Pflanzen züchten würden.

Jahrestemperatur in der Region um 0,8 Grad gestiegen

Die durchschnittliche Jahrestemperatur in der Region ist in den letzten 30 Jahren um 0,8 auf elf Grad Celsius gestiegen. Modelle von DWD und dem Helmholtz-Institut prognostizieren für das Jahr 2050 eine Jahresdurchschnittstemperatur von 11,8 Grad. „Diese Erhöhung liegt deutlich über den Werten für ganz Deutschland und über den Klimazielen des Pariser Abkommens“, schreiben Schüle und Arendt in ihrem Bericht. Und weiter: „Das bedeutet, unsere Region wird überdurchschnittlich stark vom Klimawandel betroffen sein.“ Zusätzlich gibt es auch mehr Hitzetage mit über 30 Grad Celsius. Waren es zwischen 1971 und 2000 durchschnittlich 11,3 Hitzetage pro Jahr, sind es aktuell 17,3 Hitzetage, die sich bis 2050 auf 23,9 Hitzetage steigern könnten. Tropische Nächte, in denen es über 20 Grad heiß ist, gab es 1971 bis 2000 im Durchschnitt nur alle zwei Jahre eine. In den letzten 30 Jahren hat sich dieser Wert schon auf 1,4 Nächte gesteigert. Außerdem werden Hitzeperioden mit aufeinanderfolgenden heißen Tagen über 30 Grad immer länger.

Kern hat die Aussaatzeiten angepasst

In den letzten Jahren hat Kern die Aussaatzeiten angepasst. Er sät im Frühjahr früher aus, Winterkulturen, die im Herbst in die Erde kommen, dafür später. „Wintergerste bringen wir inzwischen Mitte Oktober statt Ende September aus.“ Dass sich die Vegetationszeiten aufgrund des milderen Klimas verlängert haben, begreift Kern auch als Chance. „Gerade im Wein- und Obstbau wird es neue Möglichkeiten geben.“ Zonsius betont auch die Verantwortung gegenüber späteren Generationen. „Klimaschutz ist die Herausforderung der nächsten Jahre“, sagt sie. „Niemand sollte sich hier aus der Verantwortung ziehen.“

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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