"Wir wurden instrumentalisiert" – Interview mit Lars Vollmer und Michael Graf, Bürgerinitiative Glasfaser
Lars Vollmer und Michael Graf, zwei der Initiatoren der Bürgerinitiative Glasfaser für Bretten, berichten im Interview mit der Brettener Woche über die Gründe für ihr ehrenamtliches Engagement sowie die heftigen Reaktionen auf dasselbe. Diese waren sogar in Drohungen gegen die Familie gegipfelt. Enttäuscht sind beide, nicht nur von den teils absurden Reaktionen, sondern auch von der fehlenden Rückendeckung aus Teilen der Politik.
Bretten (swiz) Wie hat denn das Engagement für Glasfaser bei Ihnen begonnen, und warum haben Sie letztendlich die Bürgerinitiative Glasfaser gegründet?
Lars Vollmer: Ich hatte schon oft Kontakt mit der Stadt wegen des zu langsamen Internets in Rinklingen. Dann kam für mich mit Glasfaser ein Lichtblick. Als ich gesehen habe, dass dieses Projekt wegen fehlender Aufträge scheitern könnte, habe ich begonnen mich zu engagieren, habe in meiner Freizeit freiwillig Flyer verteilt und mit Mitbürgern gesprochen. Neben der bestehenden Printwerbung habe ich ergänzend mit kleinen Videoclips das Thema Glasfasfaser den Bürgern näher gebracht.
Michael Graf: Als ich vom BBV Angebot hörte war mir klar, welche Chance dies für Bretten und die Ortsteile ist. Im zufälligen nachbarschaftlichen Gespräch mit Michael Ganzhorn war uns beiden sofort klar, dafür zu sorgen, dass unser Wohngebiet seine Zahlen erreicht. Schnell wurde daraus ganz Diedelsheim. Wir initiierten in Diedelsheim Informationsveranstaltungen von Bürgern für Bürger. Die Resonanz war ausgezeichnet und zeigte uns, dass wir mit unserem Engagement richtig lagen. Bei dieser Initialveranstaltung lernten wir auch die übrigen Mitstreiter der anderen Ortsteile kennen mit denen wir bereits einige Wochen über soziale Netzwerke in Kontakt standen. Wir starteten mit der Bürgerinitiative und ergänzten uns bei unseren weiteren Aktionen mit unseren verschiedenen Kompetenzen.
Das klingt bisher harmlos und doch ist die Sache irgendwann gekippt und sogar in Drohungen eskaliert. Wie kam das?
Vollmer: Wir haben schon relativ früh gemerkt, dass es zur Glasfaser-Geschichte Gegenwind gibt, und am Anfang haben wir auch noch auf jeden Kontra-Glasfaser-Leserbrief mit Gegenargumenten reagiert. Wir wollten einfach, dass die Bevölkerung auch die Argumente für Glasfaser wahrnimmt. Oft war es auch nur Halbwissen, was in den Briefen verbreitet wurde. Irgendwann ist die Stimmung dann aber gekippt. Wir wurden nicht mehr nur als Glasfaser-Befürworter gesehen, sondern unter anderem als Drückerkolonne, BBV-Klinkenputzer und Ähnliches betitelt.
Graf: Das ging dann damit weiter, dass die Bürgerinitiative insgesamt in Leserbriefen und einzelne Mitglieder in sozialen Netzwerken attackiert wurden. Diese Beschimpfungen hatten dann auch nichts mehr mit Glasfaser zu tun. Die ganze Sache wurde zunehmend politisch und die Bürgerinitiative wurde als Ventil benutzt. Hatten wir bisher immer geschlossen als Initiative gegen die Kontra-Argumente mit unseren Fakten reagiert, war dies nun nicht mehr möglich. Die persönlichen Beleidigungen haben alles überdeckt, um Glasfaser ging es gar nicht mehr. Bei mir ist es dann sogar soweit gekommen, dass ich über Facebook anonyme Drohungen erhalten habe. Da war dann für mich einfach Schluss, und ich habe mich aus der Initiative zurückgezogen. Ich konnte das in diesem Moment nicht glauben, es geht schließlich nur um Technik.
Sie sagen auch, dass Sie Rückendeckung der Politik vermisst haben?
Graf: Es gab ein einstimmiges Votum des Brettener Gemeinderats für den Ausbau mit Glasfaser. Als Initiative wollten wir den Bürgern diese Entscheidung näher bringen und die Technik hinter der Glasfaser-Thematik mit verständlichen Fakten erklären. Im weiteren Verlauf der Vorvermarktungsphase hieß es jedoch von Teilen des Gemeinderats plötzlich, man sei nun doch irgendwie gegen den Ausbau. Und nicht nur das. Die BBV und ihr Vorhaben wurden teils sogar massiv aus unterschiedlichen politisch motivierten Richtungen torpediert. Das hat natürlich auch die Glaubwürdigkeit der ganzen Bürgerinitiative geschmälert. Diese Stimmungsmache haben dann auch einige Mitbürger aufgegriffen deren Kommentare gegen einzelne Personen der Bürgerinitiative deutlich über das vertretbare Maß an freier Meinungsäußerung hinausgegangen sind. Ich möchte jedoch ausdrücklich betonen, dass wir von unserem Oberbürgermeister Wolff und Bürgermeister Nöltner wie auch den Ortsvorstehern und einzelnen Gemeinde- und Ortschaftsräten jederzeit motiviert wurden, weiter zu machen. Hier gilt mein Dank insbesondere Familie Leins und Arndt Nissen. Ich empfand diese Zusammenarbeit bürgernah und engagiert und sie waren uns dankbar für unseren Einsatz.
Vollmer: Es hat für mich den Eindruck, dass wir von einigen politischen Vertretern schlicht instrumentalisiert wurden. Wir sind da wohl mit unserer Initiative in kommunalpolitische Streitigkeiten geraten, die wir nicht hinterblickt haben und auch nicht wollten. Wir wollten schlicht die Vorteile und Chancen von Internet durch Glasfaser erklären. Das wäre mit genügend Rückendeckung durch die Politik um einiges leichter und besser gegangen.
Die Vermarktungsphase der BBV endet am 15. Juli. Was ist, wenn das Unternehmen den Glasfaser-Ausbau abbläst?
Vollmer: Es wäre für uns eine Katastrophe, denn ohne diese Technik ist unserer Meinung nach der Wirtschaftsstandort Bretten massiv in Gefahr. Und ob dann noch einmal ein anderer Telekommunikationsanbieter jemals die Technologie FTTH-Glasfaser (Eigene Glasfaserleitung direkt ins Haus) in Bretten anbietet, das ist sehr fraglich.
Was nehmen Sie aus den Erlebnissen persönlich mit?
Vollmer: Ich glaube, wir konnten gemeinsam viel bewegen und haben aus diesen Erfahrungen noch viel mehr gelernt. Und ich würde mich auch weiterhin für eine gute Sache, von der ich überzeugt bin, mit vollem Einsatz engagieren. Einen Posten in der Lokalpolitik würde ich aber niemals anstreben.
Graf: Ich bin zwar dankbar für die Erfahrungen, die ich gemacht und die Menschen, die ich kennengelernt habe. Jedoch bin ich über die Aktionen und Reaktionen sehr erschrocken. Entgegen einigen Wünschen, sich als Bürgerinitiative auch für andere Dinge zu engagieren, oder gar in die Politik zu kommen, ist für mich klar: Ich werde mich nicht noch einmal für die Gemeinschaft der Brettener Bürgerschaft einsetzen, denn so wie wir es erlebt haben – scheint es diese Gemeinschaft nicht zu geben.
Mehr zum Breitbandausbau und zur Glasfaser-Technologie lesen Sie auf unserer großen Themenseite.
Die Fragen stellte Christian Schweizer
Autor:Christian Schweizer aus Bretten |
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