Ben Salomo zu Gast am Melanchthon-Gymnasium

Zu Beginn seines Vortrags kam Ben Salomo gleich ins Gespräch mit den anwesenden Schülerinnen und Schülern der Oberstufe und thematisierte den Holocaust. Er stellte klar, dass man über die Geschichte der Verfolgung der Juden so genau Bescheid wisse, weil die Nationalsozialisten mit deutscher Gründlichkeit alles genau dokumentiert hätten. Auch die am MGB traditionell verankerte Verlegung von Stolpersteinen sei schließlich nur möglich, da es Akten gebe, in denen von den engagierten Schülerinnen und Schülern recherchiert werden könne.
Salomo gelang es, die unfassbare Dimension der Shoah etwas besser zu verdeutlichen, denn man sehe zunächst eine Sechs mit 6 Nullen, aber wie wäre es, wenn man sich vorstelle, die drei großen Städte, Berlin, Hamburg, Hannover menschenleer zu erleben, dort auf einer Städtereise keinem einzigen Menschen zu begegnen?
Er löste zudem Betroffenheit aus durch die Erzählungen aus seiner Familiengeschichte. Der Großvater wurde mit elf Jahren ins Zwangsarbeitslager geschickt, um Steine zu schleppen, völlig ohne Sinn, außer mit dem Ziel, bei der Arbeit qualvoll sterben. Er berichtete über den zweiten Großvater, der mit neun Jahren ins Ghetto eingesperrt war, und dessen jüngeren Bruder, der dort starb. Er verdeutlichte, dass er das Fotoalbum seiner Familie nicht wie jeder andere unter den Zuhörern anschauen könne, denn als Jude sehe man ermordete Menschen. Er machte klar: „Wir Juden spüren den Mord an uns noch heute.“ Deshalb sei er sensibel für Antisemitismus, auch wenn dieser sich oft tarne. Er höre zum Beispiel keinen schwarzen Humor, sondern Menschenverachtung, wenn er die berüchtigten „Judenwitze“ wahrnehmen müsse.
Salomo geht es im Grunde aber nicht darum, nur über die Vergangenheit zu reden. Und so stellt er Fragen, ist neugierig und bekommt in einer spontanen Umfrage erste Zahlen: Circa acht Prozent der Anwesenden waren, so eine erste Einschätzung, schon einmal Zeuge von Antisemitismus, 90% haben aber bereits in ihrem Umfeld Hakenkreuzschmierereien gesehen. Dann stellte er klar, dass diese 90% tatsächlich Zeugen von Antisemitismus gewesen seien. Auch der Hitlergruß auf der Party, der klarer Bestandteil der Nazigesinnung sei, falle darunter. Es komme darauf an, wofür das Symbol steht. Man könne nicht einfach das Symbol sehen, sondern diese Gesinnung sei eben Grund dafür, dass der Bruder seines Großvaters ermordet wurde.
Salomo steigt tiefer in die Materie ein und fragt, wie sich Antisemitismus noch zeige. Dieser beginne mit der Sprache. 80 bis 90% der jüdischen Bevölkerung bekämen diesen im Alltag zu spüren, vor allem durch Verschwörungstheoretiker, Rechtsradikale, islamistische Extremisten und auch Linksextreme.
Es sei nicht einfach, mit den Augen der Betroffenen zu sehen, mit ihren Ohren zu hören. Er wies darauf hin, dass es verhältnismäßig wenige Menschen mit jüdischem Glauben (150.000) in Deutschland gebe. Deshalb brauchten diese Hilfe der Öffentlichkeit. Jeder sei wichtig und deshalb halte er seit sechs Jahren Vorträge an Schulen, um aufzuklären.
Salomo gelang es durch sehr persönliche Anekdoten, die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu fesseln. So ließ er diese teilhaben an einem einschneidenden Erlebnis. Mit elf Jahren sei er wie aus dem Nichts angegriffen worden, ausgerechnet durch den besten Freund, der kurz zuvor erfahren hatte, dass Ben Jude ist,
Ein zweiter wichtiger Punkt in seiner Präsentation war seine eigene Entwicklung als Künstler. Er erzählte über seine Liebe zur deutschen Sprache, dass er schon früh Gedichte schrieb, die ihm dabei halfen, Emotionen zu verarbeiten, zum Beispiel die Scheidung seiner Eltern. Aus diesen Anfängen habe sich später der Rap entwickelt und eine Erfolgsgeschichte, denn seine Show „Rap am Mittwoch TV“ machte ihn populär.
Leider zeigte sich die negative Seite der Popularität in der Rapszene auf vielfältige Weise. Backstage oder online sei er angepöbelt worden. Durch andere Rapper oder auch Manager („Der Jude kommt! Hey, ist doch nur Spaß“). Doch Ausgrenzung, Shitstormkommentare, Hassbotschaften und Bedrohungen seien eben kein Spaß, sondern erzeuge Angst. Die Konsequenz: Er wendete der Rapszene den Rücken zu, schrieb Buch. Schließlich trat die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit an ihn heran, um ihn zu motivieren an Schulen zu gehen. An Orte, wo Veränderung möglich ist, es Hoffnung gibt, junge Menschen Rap hören.
Es sei ein Wunder, dass er trotz der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in den letzten Jahrhunderten lebt und als Aktivist unterwegs sein kann, merkt Salomo an. Dann sprach er ein heikles Thema an, das natürlich vor allem, aber nicht nur, unter den muslimischen Schülern diskutiert wird. Salomo klagte, er lebe hier in Deutschland und müsse sich dennoch der Kritik am Staat Israel aussetzen. Er werde sozusagen in Sippenhaft genommen. Er empfinde die in der Kommentarspalte in den sozialen Medien geäußerte Forderung „Free Palestine! Israel muss bestraft werden!“ auch als Schlachtruf gegen sich als Individuum. Daher bemühte er sich zu verdeutlichen, dass Israel eine pluralistische Demokratie ist, es drei arabische Parteien, Richter am obersten Gericht, Polizistinnen mit Kopftuch gibt. Israel sei schließlich eine diverse Gesellschaft.
Der Vortrag Ben Salomos erwies sich als wichtiger Beitrag zur politischen Bildung und durchaus angemessen, um die 10er und 11er in einer Pflichtveranstaltung zu informieren und deren Wahrnehmung dafür zu schärfen, wie Hass gegen die jüdische Bevölkerung gesät wird. Der von allen interessiert und gespannt aufgenommene Vortrag Ben Salomos schloss mit einigen Appellen: Schaltet euren Verstand ein, um die oft vorhandene Umwegkommunikation als Antisemitismus zu erkennen! Versucht euch in eine jüdische Existenz hineinzuversetzen! Wir müssen den Antisemitismus gemeinsam zurückdrängen! Nie wieder!

Informationen zum Redner: Ben Salomo (bedeutet: Sohn des Friedens, bürgerlich Jonathan Kalmanovich Ben Salomo). Er kam als Einwandererkind mit vier Jahren aus Israel nach Berlin, seine Muttersprache ist Hebräisch.

Autor:

marc soedradjat aus Bretten

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Video einbetten

Es können nur einzelne Videos der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Playlists, Streams oder Übersichtsseiten.

Abbrechen

Karte einbetten

Abbrechen

Social-Media Link einfügen

Es können nur einzelne Beiträge der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Übersichtsseiten.

Abbrechen

Code einbetten

Funktionalität des eingebetteten Codes ohne Gewähr. Bitte Einbettungen für Video, Social, Link und Maps mit dem vom System vorgesehenen Einbettungsfuntkionen vornehmen.
Abbrechen

Beitrag oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Schnappschuss einbetten

Abbrechen

Veranstaltung oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.