Die Gottesdienste fehlen
Die Kirchen sind offen, die Moscheen geschlossen
Bretten (bea) Nicht nur Feierwütige sollen sich während der Corona-Krise einschränken. Die Ausgangsbeschränkungen gelten ebenso für Kirchenbesucher und Gottesdienstgänger. Doch für diese haben sich die Kirchen etwas einfallen lassen: "Unsere Kirche ist geöffnet", sagt Pfarrer Dietrich Becker-Hinrichs. "Es ist nicht verboten die Kirche einzeln oder zu zweit zu betreten." Daher habe die evangelische Kirchengemeinde entsprechende Informationsmaterialien in der Kirche ausgelegt und Schilder an den Türen angebracht. So kann ein jeder, der das Bedürfnis nach Ruhe und Geborgenheit in der Stille einer Kirche sucht, sich in die Kirchenbänke setzen und beten. "Wer möchte, kann sein Gebet auch in das Gebetsbuch schreiben", sagt Becker-Hinrichs.
Positive Resonanz auf Angebote und Nachfragen
Seine sonntäglichen Predigten stellt er im Wechsel mit Pfarrer Ralf Bönninger als Audiodatei und in Textform auf die Homepage der evangelischen Kirche Bretten. Es ist ein zehnminütiges Predigtwort zum Sonntag. Die Badische Landeskirche hat auf ihrer Homepage einen Livestream für die abgehaltenen Gottesdienste eingerichtet. Währenddessen gehen in Bretten die Planungen zum Umbau des Gemeindehauses weiter. „Demnächst werden wir die Ausschreibungen machen können“, sagt Becker-Hinrichs. Momentan telefoniere er viel mit den Verantwortlichen. Auch Gemeindediakonin Doris Bandze hat bereits über 100 Menschen angerufen. Sie hat sich die Aufgabe gestellt alle über 75-jährigen Gemeindemitglieder nach ihrem Befinden zu fragen und Hilfe anzubieten. „Bisher hat es nur zwei Anfragen gegeben, doch als ich diese weitergeleitet habe, haben sich über 20 Helfer bereit erklärt“, sagt Becker-Hinrichs. So hat er auch erfahren, dass die Menschen sich über den Kontakt freuen, und dass viele in einer funktionierenden Familie oder Nachbarschaft gut aufgehoben sind.
„Es fehlt etwas elementar menschliches“
„Nach der Krise werden wir sehr zu schätzen wissen, dass wir gemeinschaftlich unsere Gottesdienste feiern können“, sagt der Pfarrer. Auch sei es für ihn „ganz komisch“ bei Beerdigungen nicht auf die Menschen zugehen, ihnen die Hand geben und nur mit großem Abstand begegnen zu können. Sein Beileid kann er momentan nur auf die Ferne ausdrücken. „Es fehlt etwas elementar menschliches“, sagt Becker-Hinrichs. In Zukunft werde die Gemeinde die medialen Angebote verstärkt ausbauen. Am Karfreitag sei geplant die Predigt nicht nur als Audiodatei online zu stellen, sondern den gesamten Gottesdienst mit Liedern und Orgelmusik aufzunehmen und auf YouTube zu stellen. „Es ist ein ganz merkwürdiges Gefühl in die Kirche zu gehen und zu wissen, dass am nächsten Tag kein Gottesdienst stattfindet“, sagt Becker-Hinrichs.
Die Welt ist anders, viel geht verloren, neues kann wachsen
Auch die katholische Kirche ist geöffnet. Gebetstexte und Impulse liegen aus. Pfarrer Harald-Mathias Maiba sieht an den angezündeten Opferkerzen, dass Menschen mit ihren Sorgen und Fragen in die Kirche kommen und in das Fürbittbuch schreiben, erzählt er. Maiba feiert den Gottesdienst für seine Gemeinde auch weiterhin jeden Sonntag, allerdings nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Für die Gläubigen gebe es jeden Morgen um sieben Uhr einen Livestream von der Heiligen Messe, die Papst Franziskus hält, und das Erzbistum Freiburg übertrage jeden Abend um 18.30 Uhr und am Sonntag um zehn Uhr einen Gottesdienst aus dem Freiburger Münster, informiert der Pfarrer. Zusätzlich gebe es jeden Abend um 19.30 Uhr ein ökumenisches Gebet, zu dem die Glocken von St. Laurentius und der Stiftskirche läuteten. „Es ist eine bestimmte Zeit, die man sich reserviert und weiß, dass alle daran denken und miteinander beten. Das verbindet uns mit vielen und das ist etwas Wichtiges“, sagt Maiba. Mit seinen Haupt- und Ehrenamtlichen hält der Pfarrer den Kontakt zu seiner Gemeinde und schreibt regelmäßige Emails an die Ministranten. Zwischen den Mitgliedern der Frauengemeinschaft wird ein regelmäßiger Kontakt gehalten und bei den Älteren nachgefragt, ob man ihnen etwas besorgen könne. Doch das Fastenessen ist ausgefallen und die Misereor-Aktion leidet. „Die Welt ist anders, viel geht verloren, neues kann wachsen“, so Maiba. Jetzt habe man Zeit über die Dinge nachzudenken, die einem wichtig seien, wie Zeit füreinander zu haben. „Mir fehlt es die Gesichter beim Gottesdienst zu sehen, dafür freue ich mich an jedem Menschen, der aufmerksam ist und anderen hilft“, sagt Maiba.
„Es war noch nie so einfach, Leben zu retten! Bleibt zu Hause!“
„Bis auf Weiteres werden wir keine Gebete mehr ausrichten“, erklärt das Vorstandsteam der Grünen Moschee. Von der Brettener Gemeinde gibt es keine Übertragungen von Gebeten. Diese werden vom Dachverband DITIB aus Köln online bereitgestellt. Grundsätzlich gilt im Islam, dass jeder für sich zu Hause beten könne, nur an Feiertagen, Heiligentagen oder zum Freitagsgebet müsse man in der Moschee beten, so die Vertreter der Moschee. Doch aufgrund der momentanen Ausnahmesituation reiche es aus das Freitagsgebet mittags zu Hause zu beten. Das habe man den Mitgliedern mitgeteilt. Bereits vor Jahrtausenden habe der Prophet Mohammed gesagt: „Wenn irgendwo eine Epidemie ausbricht, so geht dort nicht hin. Wenn ihr an einem Ort seid, wo es eine Epidemie gibt, so verlasst diesen nicht!“ So soll verhindert werden, dass andere Menschen angesteckt werden, erläutert das Vorstandsteam. In seiner Ansprache teilte der DITIB-Bundesverbandsvorsitzender Kazim Türkmen mit: „Es war noch nie so einfach, Leben zu retten! Bleibt zu Hause! Leistet den Leit-Linien von Behörden und der Regierung folge“. Zudem haben die Vertreter der Grünen Moschee ihre Hilfe bei der Einkaufshilfe der Diakonie angeboten. „Hauptsache wir helfen uns gegenseitig“, so die Vertreter der Moschee. Momentan bewohnt lediglich der Imam die Grüne Moschee und ruft völlig alleine zum Gebet auf.
„Es geht um die Gesundheit von uns und allen Menschen“
In der Ulu Camii Moschee findet hingegen überhaupt kein Gebet mehr statt. Die Türen sind zugeschlossen und die Moschee ist leer. „Es geht um die Gesundheit von uns und allen Menschen“, sagt Kenan Kaykun vom Sozial- und Kulturverein Ulu Camii. Der Vorstand habe eine Mitteilung an alle Mitglieder herausgegeben. Darin werde appelliert unbedingt zu Hause zu bleiben und unter keinen Umständen einen unnötigen Besuch zu machen oder aus dem Haus zu gehen. „Wir tun was wir können, denn es liegt an uns die Krankheit zu vermeiden, wenn wir zu Hause bleiben. So können wir sie gemeinsam überwinden“, sagt Kaykun.
Weitere online-Angebote für Gläubige
Der neuapostolische Kirchenbezirk Bretten informiert auf seiner Internetseite, dass zunächst bis zum 26. April alle Gottesdienste und sonstige kirchliche Angebote europaweit ausgesetzt werden. Jedoch finden an Karfreitag und den Sonntagen Videogottesdienste als Livestream auf YouTube und per Telefonübertragung statt. Die evangelische Freikirche ICF, die Baptisten, sowie die Zeugen Jehovas bieten ebenfalls Online-Gottesdienste an.
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Autor:Beatrix Drescher aus Bretten |
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