„Man lebt ja nicht für sich allein“
Johanna Kreppein reist trotz des Kriegs in die Ukraine

Johanna Kreppein aus Bretten lässt sich selbst durch den Krieg nicht von ihrer humanitären Hilfe vor Ort in der Ukraine abhalten.  | Foto: ger
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Bretten (ger) Der Krieg in der Ukraine macht viele Menschen fassungslos und hat eine große Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität entfacht. Johanna Kreppein aus Bretten reist schon seit über 20 Jahren regelmäßig viermal im Jahr in die West-Ukraine und unterstützt dort Familien, die Straßen- und Heimkindern ein neues Zuhause geben. Sie sammelt das ganze Jahr über deutschlandweit Spenden und macht sich dann vor Ort ein Bild davon, was die Familien benötigen und wie sie die Zuwendungen den Kindern zugute kommen lassen. Die ehemalige Musiklehrerin und Erzieherin hatte schon alles gepackt und wollte am 25. Februar wieder losfahren, als am Tag vorher die russische Invasion begann. „Seither steht mein Telefon nicht mehr still“, erzählt die 73-Jährige. Die meisten Anrufer wollten wissen, wie sie helfen könnten.

Familien haben bis zu zehn Kinder angenommen

Kreppein kümmert sich zurzeit um sechs Familien, die zu ihren eigenen Kindern noch bis zu zehn Kinder aufgenommen haben. Die Kinder sind Waisen oder stammen aus zerrütteten Familienverhältnissen. Eine Familie versorgt behinderte Kinder, deren Existenz in der Ukraine am liebsten totgeschwiegen wird. Dank einer ukrainischen Elterninitiative bekommen die Pflegefamilien Schulungen in Pädagogik und Gesundheitslehre sowie mit einem kleinen Kindergeld auch eine finanzielle staatliche Unterstützung, aber das reiche nicht aus für individuelle Therapien und Förderangebote. Johanna Kreppein ist klein und zart, aber wer mit ihr spricht und in ihre leuchtenden Augen sieht, spürt sofort ihre Energie. Energie, die sie vor allem für andere einsetzt. „Man lebt ja nicht für sich allein“, formuliert sie ihre Lebenseinstellung. „Wir sind alle miteinander eine große Familie und schauen nacheinander.“

15-köpfige Familie hat 16 Flüchtlinge aufgenommen

Wie geht es den Familien jetzt? In der West-Ukraine seien keine Kampfhandlungen, die Kinder gingen auch weiter zur Schule, aber es kämen nun viele Flüchtlinge und Verwundete aus dem Osten des Landes an, berichtet Kreppein. Eine Familie kümmere sich um verwundete Soldaten, eine andere Familie versorge weitere Straßenkinder mit Essen. Eine Familie, die schon 15 Köpfe zählt, habe nochmals 16 Flüchtlinge aufgenommen. Sie hat schon Überweisungen an die Familien getätigt, aber das ist Johanna Kreppein nicht genug. Unerschrocken und furchtlos wie sie ist, plant sie, dieses Wochenende nun wirklich zu ihren Familien zu fahren. Mit Rudi, der Angehörige in der Ukraine hat, fährt sie bis nach Mukatschewo nahe der ungarischen Grenze, was 18 bis 20 Stunden dauert. Von dort aus unternimmt sie dann Fahrten zu den Familien, die im weiteren Umkreis bis in die Karpaten hinein verstreut sind. Tausend Kilometer legt sie normalerweise bei ihren Besuchen in der Ukraine zurück, begleitet von ihrem Fahrer Sergej und ihrer Dolmetscherin Erika.

Ein Herz für Menschen

Kreppein hat schon immer ein Herz für Menschen. Ihre frühe Kindheit hat sie viele Jahre im Krankenhaus verbracht und fühlte sich danach in ihrer eigenen Familie wie eine Fremde. Ihr Glaube an Gott gab ihr damals schon und gibt ihr auch heute noch Halt und Kraft. Zur Wendezeit hatten sie und ihr Mann, selbst Eltern von vier Töchtern, eine Alleinerziehende mit Kind aus Ostdeutschland bei sich aufgenommen. Engagiert in der evangelischen Kirche, leitete sie einen Bibelkreis für russlanddeutsche Aussiedler, in Bretten kümmert sie sich derzeit um eine syrische und zwei jesidische Familien. „Das kommt einfach so“, sagt sie auf die Frage, wie sie zu ihren Engagements komme. „Die eine Familie wohnte in der Nachbarschaft und hatte nicht mal ein Trockengestell für ihre Wäsche. Und ich hatte halt zwei.“ Die Verbindung zur Ukraine hat ihren Ursprung in einem Vortrag, den ein ukrainischer Pfarrer über Kinderheime in seinem Heimatland gehalten hat. „Ich sagte, ich komme mal vorbei, und bin dann zwei Monate später einfach hingefahren.“

"Die Not ist jetzt da"

Wie das alles genau wird dieses Mal, lässt Kreppein mit Gottvertrauen auf sich zukommen. „Die Not ist jetzt da“, sagt sie entschlossen. Sie wird nach ihren Familien schauen und sie bei ihrer Flüchtlingshilfe unterstützen. Auch den regionalen Krankenhäusern möchte sie Spenden zukommen lassen.

Info: Wer Johanna Kreppein bei ihrer Arbeit unterstützen möchte, kann dies mit Geldspenden tun: Spendenkonto der Evangelischen Kirchengemeinde Bretten bei der Sparkasse Kraichgau IBAN: DE52 6635 0036 0005 0220 33 Verwendungszweck „Straßenkinderarbeit in der Ukraine Johanna Kreppein“ (falls eine Spendenbescheinigung benötigt wird) oder Spendenkonto von Johanna Kreppein bei der Sparkasse Kraichgau IBAN: DE05 6635 0036 0010 2150 95, Verwendungszweck „Projekte Straßenkinder in der Ukraine“ (ohne Spendenbescheinigung).

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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