Stolperstein-Verlegung in Bretten und Flehingen
„Verbeugung vor den Opfern“

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Bretten (hk) Wer war Oskar Tretter aus Bretten? Und was passierte mit der Familie Schlessinger aus Flehingen? Der Leistungskurs Geschichte des Melanchthon-Gymnasium Bretten (MGB) unter der Leitung von Lehrer Dirk Lundberg hat den Lebensweg dieser Opfer des nationalsozialistischen Terrors nachverfolgt und Licht ins Dunkel dieser Zeit gebracht. Ihre bewegenden Schicksale wurden am  Dienstag, 11. Februar, in Bretten und Flehingen verewigt. Das Programm mit Vorträgen gestalteten in der Aula des MGB unter anderem Elke Bender, Schulleiterin am MGB, Solange Rosenberg von der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe und der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff. Zur Gedenkfeier waren auch David Schlessinger, Enkel von Robert und Fanny Schlessinger aus Großbritannien angereist.

„Hatten Mut nach den menschlichsten Prinzipien zu leben“

„Es braucht Mut, sich mit diesen tiefgreifenden Geschichten auseinanderzusetzen, sie aufzuarbeiten und die Erinnerung an sie im Boden zu verankern“, sagte Wolf Bauer, der als Vertreter der Zeugen Jehovas Bretten zur Gedenkveranstaltung gekommen war. Furchtlosigkeit sei auch für Oskar Tretter und seine Familie bezeichnend gewesen. Der aus Gölshausen stammende Lastwagenfahrer schloss sich in den 1930er-Jahren den Zeugen Jehovas an. Obwohl die Religionsgemeinschaft 1933 von den Nationalsozialisten verboten wurde, blieb die Familie ihrem Glauben treu. „Sie hatten Mut nach den einfachsten und menschlichsten Prinzipien zu leben, nämlich keinem anderen außer Gott – und schon gar nicht einem Menschen – das ‚Heil‘ zuzuschreiben und sich an das Gebot ‚Du sollst nicht töten‘ zu halten“, so Bauer weiter. Bis zu seinem Tod am 9. Mai 1940 im Konzentrationslager Neuengamme hielt der Brettener Bürger Tretter an diesem Glauben fest.

Drei Stolpersteine zum Gedenken an Familie Schlessinger

Bereits vor zehn Jahren wurden in Flehingen schon einmal Stolpersteine verlegt, aber „leider nicht alle“, so Thomas Nowitzki, Bürgermeister von Oberderdingen. „Umso wichtiger ist es, dass wir heute die drei Stolpersteine zum Gedenken an Robert Schlessinger, Fanny Schlessinger und Gottschalk Schlessinger verlegen können“, betonte der sichtlich gerührte Bürgermeister. Er sei sehr froh darüber, dass die heutige Generation der Eigentümer des Hauses in der Bahnhofstraße 3 in Flehingen ihre Zustimmung zur Verlegung der drei Stolpersteine vor dem Haus gegeben hätten. „Mein Dank gilt aber vor allem euch, den Schülerinnen und Schülern des Leistungskurses Geschichte hier am Melanchthon-Gymnasium, die ihr zusammen mit Herrn Lundberg die Stolperstein-Aktion in unserem Ortsteil Flehingen heute abschließt.“

„Wo die Nazis ihr Unwesen getrieben haben, tauchen die Stolpersteine auf“

Zum siebten Mal in Bretten zu Gast war an diesem Tag der Künstler Gunter Demnig, der die Idee zu den Stolpersteinen vor über 25 Jahren entwickelt und den 75.000 Stein am 29. Dezember 2019 in Memmingen verlegt hat. „Das Projekt nimmt die Form an, die ich mir gewünscht habe: Überall in Europa, wo die Nazis ihr Unwesen getrieben haben, Menschen ermordet haben, Menschen deportiert haben, tauchen die Stolpersteine symbolisch auf“, sagte er. Die Stolpersteine könnten allerdings nicht Grabsteine ersetzen, wenn die Opfer des NS-Terrors in Rauch aufgelöst, die Asche verstreut und im Winter zum Streuen der Wege benutzt wurde.

Verbeugung vor den Opfern

Die Aussage von Kritikern, durch die Stolpersteine werde auf die Opfer getreten, wies der Künstler entschieden zurück und sagte: „Du musst, wenn du die Inschrift lesen willst, eine kleine Verbeugung vor den Opfern machen.“ Im Anschluss an die Gedenkfeier verlegte Demnig persönlich den Gedenkstein für Oskar Tretter in der Weißhoferstraße 29 in Bretten. Der Stein trägt die Inschrift: „Hier wohnte Oskar Tretter, JG. 1901, Zeuge Jehovas, verhaftet 1936, Gefängnis Bruchsal, entlassen 1936, 1939 Neuengamme, ermordet 9.5.1940“. Auch die Stolpersteine für die Familie Schlessinger verlegte der Künstler in der Bahnhofstraße 3 in Flehingen selber.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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