"Wir sind nicht die typischen Standard-Lehrer"
Wie die Beruflichen Schulen Bretten sich für Integration und Perspektive einsetzen

An den BSB werden die Schülerinnen und Schüler individuell betreut und in ihrer Selbstständigkeit gefördert. Foto: Erik Böttcher
  • An den BSB werden die Schülerinnen und Schüler individuell betreut und in ihrer Selbstständigkeit gefördert. Foto: Erik Böttcher
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Bretten (kuna) Die Beruflichen Schulen Bretten (BSB) sind die größte berufliche Schule im Regierungsbezirk Karlsruhe, die fast alle beruflichen Schularten unter einem Dach vereint. Zum Einzugsgebiet des Brettener Bildungszentrums gehören neben der Melanchthonstadt auch die Landkreise Karlsruhe, Heilbronn und der Enzkreis. Das vielfältige Angebot mit verschiedenen Ausbildungsschwerpunkten aus den Bereichen Gewerbe, Hauswirtschaft und Wirtschaft ebnet zahlreichen jungen Menschen den Weg in die berufliche Zukunft. Doch wie sieht der Schulalltag in dem markanten Bau an der Wilhelmstraße eigentlich genau aus? Das will die Brettener Woche/kraichgau.news in einer losen Serie beleuchten.

"Wir sind nicht die typischen Standard-Lehrer"

„Wir sind nicht die typischen Standard-Lehrerinnen und -lehrer“, beschreibt Sven Hölig, Leiter der Abteilung „Übergang Schule und Beruf“, seine Arbeit. Er und seine Kolleginnen und Kollegen seien vielmehr Mentoren oder Coaches, erklärt er. Denn ihre Aufgabe besteht darin, jungen Menschen eine Perspektive zu bieten, die es aufgrund unterschiedlichster Umstände nicht leicht im Leben hatten – sei es wegen Fluchterfahrungen, schlechtem Abschluss oder weil sie keine Ausbildung gefunden haben.

Auffangjahr für Schüler ohne Abschluss

In ein beziehungsweise zwei Jahren machen Hölig und seine Assistentinnen Nicole Dietz und Inge Komke-Hurst sie fit für den Start ins Berufsleben. Beispielsweise bei der Schulart „AVdual“, der Ausbildungsvorbereitung dual. „Schüler ohne Abschluss, mit schlechtem Hauptschulabschluss oder auch diejenigen, die keine Ausbildung gefunden haben, kommen dann in das, was wir auch ‚Auffangjahr‘“ nennen, so Hölig. Derzeit umfasst die AVdual sieben Klassen mit rund 115 Schülerinnen und Schülern.

Unterstützung beim Schritt in den Azubi-Markt

Diese werden individuell betreut und entsprechend ihrem jeweiligen Leistungsniveau von den Lehrkräften an die Hand genommen. So etwa von den beiden Praktikumsbetreuern Volker Resch und Holger Pfersching, auch AVdual-Begleiter genannt. „Sie helfen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, beim Schreiben von Bewerbungen oder begleiten die Berufsschülerinnen und -schüler zu Vorstellungsgesprächen“, erläutert Hölig – also alles das, wobei noch Unterstützungsbedarf besteht, „um sie in den Azubi-Markt reinzubringen.“

"Maximale Niveaudifferenzierung"

Um dort anzukommen, absolvieren die Schülerinnen und Schüler über das ganze Schuljahr hinweg einen Tag in der Woche ein Praktikum. Aber auch Blockpraktika gehören fest zum Lehrplan dazu. Daneben gibt es auch die klassischen Fächer wie Deutsch, Mathe und Englisch, wobei im Unterricht auf „maximale Niveaudifferenzierung“ geachtet werde, so Hölig. Das bedeutet, dass es zu demselben Thema unterschiedliche Arbeitsmaterialien gibt, die die Schülerschaft je nach individuellem Leistungsniveau erhält.

Erlebnispädagogik im Vordergrund

Doch die Arbeit der AVdual-Lehrkräfte geht weit über das Vermitteln von Fachwissen hinaus. Die ersten acht Wochen in einer neuen Klasse beschreibt Hölig als „Beziehungsarbeit“. Sich kennenlernen und Vertrauen aufbauen – das steht dann im Vordergrund. „Dann geht es zum Beispiel erst einmal in den Kletterpark“, beschreibt Hölig diese Form der Erlebnispädagogik, „oder wir machen kleine Projekte oder Spiele im Hof der BSB.“

"Jeder Schüler hat einen riesigen Rucksack"

Den Schülerinnen und Schülern Halt zu bieten, einen festen Tagesrhythmus zu etablieren und dadurch einen stabilen Rahmen für das spätere Berufsleben vorzuleben, ist integraler Bestandteil des Lehrplans von AVdual. „Ich sage immer zu den neuen Lehrern: Jeder Schüler hat einen riesigen Rucksack, den muss man erst einmal auspacken“, so Hölig. Für die Lehrkräfte bedeute dies aber auch: Der Druck ist raus. „Die Schüler müssen ja kein Abitur machen, vielmehr muss man ihnen Spaß am Lernen vermitteln“, erklärt Hölig.

Etwa 120 Schüler streben nach Erwerb von Deutschkenntnissen

Ähnlich funktioniert das auch in den VABO-Klassen, dem Vorbereitungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt auf Erwerb von Deutschkenntnissen. In diesen Klassen – im nächsten Schuljahr sind es sechs Klassen mit etwa 120 Schülerinnen und Schülern – liegt der Fokus auf dem Erwerb von Sprachzertifikaten (A2 und B1). Beschult werden vorrangig Geflüchtete und Zugewanderte.

Bunt gemischte Kulturen und Leistungsniveaus

So treffen verschiedene Kulturen und Altersklassen in den BSB aufeinander – alles ab 16 Jahren aufwärts. „Die Nationalitäten sind bunt gemischt“, erklärt Hölig, der keinen klaren Schwerpunkt einzelner Herkunftsländer ausmachen kann. Die bunte Mischung macht es dann auch notwendig, unterschiedliche Leistungsniveaus aufzufangen: Darunter gibt es Schülerinnen und Schüler, die bereits mit einem hohen Bildungsabschluss nach Deutschland kommen, andere wiederum stammen aus Regionen in der Welt, deren Schulsysteme sich nicht mit den hiesigen vergleichen lassen.

Auch Kulturtraining steht auf dem Lehrplan

Um in Deutschland anzukommen und die Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu integrieren, umfasst der Unterricht neben den allgemeinbildenden Fächern Deutsch, Mathe und Englisch auch die Lebensweltbezogene Kompetenz (LWK). „Wir üben zusammen, wie man einen Fahrplan liest oder ein Eis essen geht“, nennt Hölig einige der Unterrichtselemente. Für die Schülerinnen und Schüler sei das wichtiges Kulturtraining, das helfen soll, sich über Alltagssituationen in das Leben im neuen Land zu integrieren.

Um eine gute Integration zu gewährleisten, arbeitet die Schule auch eng mit verschiedenen Stellen zusammen. Mit Unterbringungen, Integrationsämtern oder Ausländerbehörden müssen oftmals amtliche Angelegenheiten geklärt und zum Beispiel Anträge beantwortet werden.

Sprachenlernen mit Tablets und Schulbüchern

Wie in allen Teilen der BSB spielt auch bei der VABO die Digitalisierung eine wichtige Rolle. „Alle Schüler haben Tablets mit Übersetzungstools“, so Hölig. Aber auch die Bedeutung von klassischen Schulbüchern sei nicht zu unterschätzen, zum Beispiel, wenn es darum geht, per Hand auf Deutsch schreiben zu lernen. Für manche Schülerinnen und Schüler ist das denkbar ungewohnt, beispielsweise für arabischstämmige BSBler, deren Muttersprache von rechts nach links geschrieben wird.

Den Abschluss der VABO bildet der Erwerb des Sprachzertifikates, der dann wiederum einen Übergang ins AVdual ermöglicht.

Mehr Teile der Serie zu den Beruflichen Schulen Bretten finden Sie hier.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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