Burgund – Reise an eine Wiege der europäischen Zivilisation, Teil 6: Nolay, La Rochepot und Beaune

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28. Juli: Das Crescendo zum Schluss

Manchmal nimmt man sich wenig vor und ist überrascht, wie viel man trotzdem erlebt hat. So an unserem letzten Tag vor der Rückreise, an dem wir uns eigentlich nur Beaune näher anschauen wollten. Auf der Fahrt dorthin mussten wir wieder durch Nolay, wo wir bereits auf unserer Anreise Hinweisschilder auf eine mittelalterliche Markthalle gesehen hatten. Warum also nicht mal nachschauen, was es damit auf sich hat?

Pittoreskes Häuserensemble mit mittelalterlicher Markthalle

Der kleine Fußweg in die Altstadt hat sich gelohnt. Rund um die Kirche erwartete uns ein pittoreskes Häuserensemble, das sich mit wenigen Handgriffen in eine Filmkulisse verwandeln ließe. Die Kirche selbst bezauberte vor allem deshalb, weil wir just in dem Moment eintraten, als ein Chor für ein am darauffolgenden Samstagabend geplantes Konzert probte. Und wie der Zufall es wollte, studierten die Sängerinnen und Sänger gerade ein Lied mit Tierlauten ein, das dem sakralen Bau eine angenehm freundlich-irdische Atmosphäre verlieh. Neben der Kirche dann die Hauptattraktion, eine von ganz, ganz wenigen noch erhaltenen mittelalterlichen Markthallen: eine offene Konstruktion aus stämmigen Kastanienholzbalken und einem mit flach gehauenen Steinen gedeckten imposanten Dach. Wie wir vielerorts sehen konnten, ist Burgund mit einer Fülle historischer Bauten gesegnet, die aber leider oft auch in beklagenswertem Zustand sind. Die Erhaltung so vieler alter Gemäuer kostet enorme Summen, die offensichtlich vor allem Privatleute nur selten aufbringen können.

Das burgundische Neuschwanstein

Nur wenige Kilometer weiter kam das Schloss von La Rochepot in Sicht, das uns schon auf unserer Fahrt nach Dijon mit seinen spitzen Türmen und dem mit buntglasierten Ziegeln gedeckten Dach des Haupttrakts fasziniert hatte. Wegen seines gepflegten Erscheinungsbilds dachten wir erst, dass es bestimmt privat bewohnt und nicht zu besichtigen sei. Und wenn doch, könnte das Innere gegenüber dem märchenhaften Äußeren wohl nur enttäuschen. Also bogen wir ohne große Erwartungen von der Strecke ab – und bekamen unser nächstes Aha-Erlebnis serviert. Nach Überqueren der Zugbrücke und Durchschreiten des Tors mit Eintrittskasse öffnet sich der Blick in einen mittelalterlichen Burghof mit Zinnen, Wehrgang und dem von schmiedeeisernen Ziergittern mit vergoldeten Kronen geschmückten Brunnen. Nicht weniger prunkvoll die Innenräume mit Wandteppichen, Waffen, Mobiliar, voll funktionsfähiger Küche und einem chinesischen Zimmer, dessen prächtiges Bett ein Geschenk der letzten chinesischen Kaiserin ist. Das Schloss von La Rochepot ist eine Art burgundisches Neuschwanstein, dessen nostalgischer Neuaufbau aus einer verfallenen Ruine mit viel Phantasie seit Ende des 19. Jahrhunderts von dem mittelalterbegeisterten Infanterie-Oberst Sadi Carnot mit Hilfe großzügiger Spender und des damaligen Chefarchitekten der burgundischen Denkmalbehörde Charles Suisse vorangetrieben wurde. Das malerische Gemäuer im neugotisch-burgundischen Stil befindet sich noch immer im Familienbesitz der Carnots. Wer ein bisschen von der prächtigen Seite des Mittelalters träumen möchte, ist dort richtig. Die einzelnen Phasen des Wiederaufbaus dokumentiert eine Fotoausstellung im Schloss. Leider gab es keine Broschüre oder Buch über das Schloss. Aber wer des Französischen halbwegs mächtig ist, findet auch im Internet weitergehende Informationen.

Ein "Haus Gottes" für die Kranken

Einen Parkplatz in Beaune zu ergatttern, ist genauso schwierig wie in jeder anderen Touristenstadt. Wir fanden einen im Parkhaus an der Stadtmauer. Erstes Ziel war ein nicht zu teures Restaurant, um unseren Hunger zu stillen und wenigstens am letzten Tag noch etwas von der landestypischen Küche mitzubekommen. Denn mit Essensausgaben hatten wir uns bislang zurückgehalten. Wir wurden nicht enttäuscht. Der gut besuchte Familienbetrieb erwies sich als äußerst gastfreundlich und zugleich bei Preis, Essen und Ausstattung in solider Mittellage. Von unserem Tisch im Inneren konnten wir sowohl das Leben drinnen als auch draußen auf der Straße beobachten. Die Tochter des Hauses war sogar schon in Deutschland und plauderte mit uns über ihre Erlebnisse.
Anschließend steuerten wir das Hotel de Dieu an, die größte Sehenswürdigkeit neben vielen kleineren in Beaune. Der eher an ein Stadtpalais erinnernde prächtige Gebäudekomplex inmitten der Altstadt beherbergt das erste mittelalterliche Krankenhaus der Stadt, das zugleich eines der bestausgestatteten seiner Zeit war. Gestiftet und finanziert wurde der „Palast für die Armen“, wie das Krankenhaus auch genannt wurde, seit 1443 von Nicolas Rodin, dem damaligen Kanzler des Herzogs von Burgund. Weit über 500 Jahre war es in Betrieb. Erst als 1971 das neue Krankenhaus eröffnet wurde, machte man ein Museum daraus. Auch hier wieder eine ausgezeichnet aufbereitete Audioguide-Führung, in der die Besucher durch den von professionellen Sprechern verkörperten Stifter und seine Frau durch die anschaulich gestaltete Schau geleitet werden. Vor allem für Menschen mit medizinischen Berufen, aber durchaus nicht nur für diese kann das „Haus Gottes“ mit seinen bunten Dächern aus glasierten Ziegeln eine echte Bereicherung im Besuchsprogramm sein.
Ein Rundgang durch die belebten Gassen von Beaune, über Plätze und die zur Straße umfunktionierte Stadtmauer zurück zum Parkhaus rundeten diesen letzten erlebnisreichen Tag unserer Burgundreise ab. „Zuhause“ in Thury wartete schon unsere Katze, um sich die allabendlichen Schmuseeinheiten abzuholen.

29. Juli: Abschied auf gut burgundisch

Der Abschied von unseren Gastgebern war ebenso herzlich wie die Begrüßung. Sie erkundigten sich eingehend, ob wir uns wohl gefühlt hätten und was eventuell im Haus noch zu verbessern wäre. Und vor der Abfahrt war es ausnahmsweise mal nicht ich, sondern Gerard, der ein Abschiedsfoto arrangierte. Über dessen Zusendung haben wir uns nach unserer Rückkehr noch einmal so richtig gefreut.
Chris Heinemann

Weitere Folgen des Reiseberichts über Burgund sowie Berichte von anderen Reisenden aus der Region lesen Sie auf unserer Themenseite: Reiseberichte
 

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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