Gesünder leben: Motivation ist vor allem Typsache - Experten gaben Tipps zur Reduzierung des Schlaganfallrisikos

Wie kann man Schlaganfällen vorbeugen? Das Lesertelefon gab Antworten. | Foto: Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe
  • Wie kann man Schlaganfällen vorbeugen? Das Lesertelefon gab Antworten.
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Gesünder leben: Motivation ist vor allem Typsache. Experten gaben Tipps zur Reduzierung des Schlaganfallrisikos.

(pr-nrw) Jedes Jahr erleiden 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Mehr als ein Drittel von ihnen stirbt unmittelbar oder innerhalb eines Jahres an den Folgen. Ein großer Teil der Überlebenden bleibt dauerhaft behindert und ist auf fremde Hilfe angewiesen. Dabei wären 70 Prozent aller Schlaganfälle – also 190.000 Fälle – durch vorbeugende Maßnahmen vermeidbar. Dazu zählen ein gesunder Lebensstil, der Verzicht aufs Rauchen sowie die konsequente Behandlung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Vorhofflimmern. Obwohl die Risiken den meisten Menschen bekannt sind, schaffen sie es nicht, ihren Lebensstil umzustellen oder empfohlene Therapien durchzuhalten. Am Lesertelefon zum Tag gegen den Schlaganfall drehte sich deshalb alles um die Frage, wie sich Betroffene auf Dauer motivieren können, ihr Schlaganfallrisiko einzudämmen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Immer wieder nehme ich mir vor, mich gesünder zu ernähren und mich mehr zu bewegen. Nur schaffe ich es einfach nicht, das im Alltag durchzuziehen…
Dr. Bettina Begerow: Ganz wesentlich ist es, sich zu verbildlichen, wofür ich das tue – die Emotion muss mit ins Boot! Vor allem aber muss ich eine Strategie finden, die zu mir passt. Deshalb ist es schwer, pauschale Tipps zu geben. Die Kernfrage lautet: Was bin ich für ein Motivationstyp? Danach sollten sich die Empfehlungen richten. Im Internet-Portal der Deutschen Schlaganfall-Hilfe kann man einen Motivationstest durchführen und erfährt am Ende, welche Strategien am besten zu einem passen.

Was sind die wichtigsten Faktoren, die Selbstmotivation hemmen?
Vathsalan Sriskandarajah: Dauert ein Veränderungsprozess lange oder nimmt er viel Energie in Anspruch, lassen wir uns schnell demotivieren. Auch bei Rückschlägen lassen wir den Kopf schnell hängen. Falls darüber hinaus die Konsequenzen einer Verhaltensänderung nicht mehr so positiv erscheinen wie zu Beginn, neigen wir dazu unser Vorhaben zu stoppen und uns kurzfristig angenehmeren Dingen zu widmen. Daher ist es wichtig, sich immer wieder die langfristig positiven Folgen einer Verhaltensänderung bewusst zu machen – sich also das Ziel wieder attraktiv zu machen. Eine Erhaltung oder Steigerung der Selbstmotivation können wir darüber hinaus erreichen, indem wir uns realistische Zwischenziele setzen und uns für ihre Erreichung angemessen belohnen.

Wenn ich mal wieder „schwach geworden“ bin, fällt es mir umso schwerer, mich wieder aufzuraffen…
Vathsalan Sriskandarajah: In den wenigsten Fällen ist eine Verhaltensänderung auf direktem Wege zu erreichen. Stellen Sie sich den Weg zum gewünschten Verhalten wie die Wanderung zu einer Bergspitze vor. Auch wenn Sie nicht beabsichtigen, auf dem Weg zu stolpern oder in einen starken Regen zu kommen, kann Ihnen leider genau das passieren. Wichtig ist, dass Sie bei solchen Rückschlägen nicht aufgeben! In solchen Momenten sollten Sie kurz innehalten, sich wieder auf Ihr Ziel fokussieren und überlegen, was Sie aus dieser Erfahrung lernen. Vielleicht bemerken Sie, dass Sie eine bessere Vorbereitung oder Unterstützung benötigen. Setzen Sie diese Erkenntnisse in die Tat um und laufen Sie weiter – Ihrem Ziel entgegen.

Meine Mutter leidet an Vorhofflimmern – soll ich mich vorsichtshalber auch untersuchen lassen?
Dr. med. Erwin Häringer: Auch wenn junge Erwachsene nur ein Prozent der 700.000 Patienten mit Vorhofflimmern ausmachen: In den letzten zehn Jahren wurden immer mehr genetische Faktoren gefunden, zum Beispiel auf den Chromosomen 4 und 16. Deshalb ist eine ärztliche Untersuchung eine gute Vorsorgemaßnahme – auch um weitere Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder eine koronare Herzkrankheit auszuschließen. Vorhofflimmern ist eine chronische, fortschreitende Erkrankung. Je früher Sie behandelt wird, umso besser.

Sport bei Vorhofflimmern – ist das sinnvoll oder eher gefährlich?
Dr. med. Erwin Häringer: Die Dosis macht, dass ein Ding ein Gift ist. Das gilt auch für Sport bei Vorhofflimmern. Walken – also drei bis fünf Mal wöchentlich flottes Gehen – Nordic Walking, Radfahren, Golf, Tischtennis oder die moderate Nutzung eines Heimtrainers sind sinnvoll. Schwimmen hingegen nicht, denn durch die horizontale Lage steigt der Blutdruck stärker an als beim Laufen oder Radfahren. Auch Extremsportarten wie Triathlon, Klettern und Marathon sind für Menschen mit Vorhofflimmern nicht geeignet. Die Trainingsintensität sollten Sie mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen.

Gibt es Rauchentwöhnungsprogramme, die nachhaltig helfen?
Vathsalan Sriskandarajah: Studien zur Wirksamkeit verschiedener Rauchentwöhnungsprogramme weisen auf mittlere bis gute Effektstärken hin. Vielleicht müssen Sie verschiedene Wege und Therapieformen ausprobieren, da die unterschiedlichen Methoden jeden Einzelnen anders ansprechen. Wichtig ist, sich nicht entmutigen zu lassen, wenn auch die dritte Methode oder der fünfte Versuch Sie nicht zum Nicht-Raucher gemacht hat. Es lohnt es sich, weitere Ansätze auszuprobieren und dran zu bleiben. Im Endeffekt ist jeder rauchfreie Tag ein Tag, an dem Sie Ihrem Ziel nähergekommen sind. Informationen zur Rauchentwöhnung finden Sie zum Beispiel bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.rauchfrei-info.de.

Was sind Risikofaktoren für einen Schlaganfall – und wie lassen sie sich beeinflussen?
Dr. med. Rüdiger Buschfort: Blutgefäße im Gehirn oder am Herzen reagieren sehr sensibel auf Schädigungen. Risikofaktoren, die diese Schädigungen verursachen, sind beispielsweise ein hoher Blutdruck, Herzrhythmusstörungen, eine Blutzuckererkrankung oder eine Fettstoffwechselstörung. Neben der medikamentösen Therapie lassen sich diese Risikofaktoren oftmals durch Änderung der Lebensweise, gesundes Essen und mehr Bewegung sehr positiv beeinflussen. Mit anderen Worten: Sie haben es selbst in der Hand, Ihr Schlaganfallrisiko zu minimieren – Tabletten alleine reichen meist nicht.

Ich habe starkes Übergewicht und etliche Diäten versucht – ohne Erfolg. Was hilft auf Dauer?
Susanne Ridder: Wer eine deutliche Gewichtsreduzierung im Alleingang anpackt, ist nach meiner Erfahrung schnell überfordert. Viele „Crash-Diäten“ werben mit hohen Gewichtsverlusten in sehr kurzer Zeit. In der Regel sind diese Diäten sehr einseitig und nicht für eine langfristige Ernährungsumstellung geeignet. Alte Ernährungsgewohnheiten schleichen sich schnell wieder ein und es folgt der sogenannte Jo-Jo-Effekt. Ich empfehle Ihnen eine langfristige Umstellung der Ernährungsgewohnheiten hin zu einer energie- und fettarmen Ernährung. Zumindest zu Beginn sollten Sie sich dabei durch eine Ernährungsfachkraft unterstützen lassen. Und sorgen Sie gleichzeitig für viel Bewegung! Das hilft nicht nur Ihrem Wohlbefinden, sondern verbraucht Energie und lässt die Pfunde purzeln.

Wegen meines Bluthochdrucks will ich mich gesünder ernähren. Muss ich meine Essgewohnheiten total umkrempeln?
Susanne Ridder: Viele Menschen fürchten, dass eine gesunde Ernährung vor allem den Verzicht auf Geschmack und Genuss bedeutet. Ein ziemlich ungesunder Irrtum! Geschmack ist für uns häufig an die Verwendung von Kochsalz gekoppelt. Es lässt sich sehr gut durch Kräutersalz oder andere Gewürze und Kräuter ersetzen. Vorsicht besonders bei Fertiggerichten, Snacks und handelsüblichem Brot sowie Käse und Wurst! Da ist meist viel Salz drin. Kochen Sie lieber selbst und backen Sie Ihr eigenes Brot – dann bestimmen Sie, wie hoch der Salzgehalt ist. Wenn Sie den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (www.dge.de) folgen, Ihr Normalgewicht anstreben und außerdem für ausreichend körperliche Aktivität sorgen, wird Ihr Blutdruck es Ihnen danken.

Muss ich blutverdünnende Medikamente bei Vorhofflimmern auf Dauer einnehmen?
Dr. med. Erwin Häringer: Unabhängig davon, ob ein Vorhofflimmern dauerhaft oder auch nur zwischenzeitlich vorkommt: Es handelt sich dabei um eine chronisch fortschreitende Erkrankung. Deshalb sind gerinnungshemmende Medikamente im Allgemeinen – in Absprache mit den behandelnden Ärzten – ein Leben lang einzunehmen.

Ich habe große Schwierigkeiten, meine gut 15 Tabletten über den Tag verteilt nach Verordnung einzunehmen. Wie behalte ich den Überblick?
Dr. med. Rüdiger Buschfort: Wie gut Ihre medikamentöse Therapie wirkt, hängt unmittelbar davon ab, dass Sie die Medikamente nach Verordnung einnehmen. In der Medizin sprechen wir hier von Therapietreue. Bei Patienten mit mehreren Erkrankungen kommt es hier nicht selten zu Schwierigkeiten. Wenn Sie mit der Anzahl und Einnahmefrequenz der Medikamente überfordert sind, sollten Sie die Medikation mit dem Hausarzt besprechen. Das Ziel sollte sein, die Medikamente auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren.

Es fällt mir schwer, das Eigentraining in der Schlaganfall-Reha einzuhalten. Wie kann ich mich besser motivieren?
Dr. med. Rüdiger Buschfort: Das Selbsttrainingsprogramm in der Reha-Klinik sollte die Patienten genau anleiten und mit den entsprechenden Trainingsunterlagen problemlos ins häusliche Umfeld zu übertragen sein. Ein echter Motivationshemmer ist die Monotonie eines Trainings im Alltag. Setzen Sie sich immer wieder neue Ziele, um ihr zu entgehen und den gewünschten Therapieerfolg zu erreichen.

Ich hatte schon einen leichten Schlaganfall – wie verhindere ich einen zweiten?
Dr. med. Rüdiger Buschfort: Das hängt wesentlich von der Ursache des ersten Schlaganfalls ab. Eine ausführliche Beratung durch einen Spezialisten oder eine Fachklinik kann hier Aufschluss geben. Insbesondere die passende medikamentöse Einstellung der Risikofaktoren wird das Auftreten eines erneuten Schlaganfalls deutlich reduzieren. Hier ist die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Klinik, Hausarzt, Facharzt und Ihnen als Patient gefragt.

Mein Problem ist, dass ich mich alleine nicht zum Sport aufraffen kann…
Dr. Bettina Begerow: Für gesellige, anschlussmotivierte Typen sind Gruppenangebote eine gute Option oder ein regelmäßiger Termin mit einem angenehmen Menschen. Das macht diese Zeit zu einer festen Einrichtung und unterdrückt die wiederkehrende innerliche Debatte „Soll ich oder soll ich nicht…?“. Machen Sie Ihr Vorhaben öffentlich, indem Sie möglichst vielen in Familie und Freundeskreis davon erzählen. Das erhöht ebenfalls die Verbindlichkeit und vielleicht finden Sie auf diesem Weg Unterstützer.

Wo bekomme ich Unterstützung nach der Schlaganfall-Reha?
Dr. Bettina Begerow: Erste Anlaufstelle kann die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe sein. Zum einen erhalten Sie dort viele Informationen und eine telefonische Beratung. Zum anderen können Sie das große Netzwerk der Stiftung nutzen, die Sie an entsprechende Stellen oder Hilfen vor Ort verweisen kann. Eine weitere wichtige Unterstützung bietet die Selbsthilfe. Von diesen Gruppen haben schon viele profitiert, die das vorher nicht für möglich gehalten hätten.

Die Experten am Lesertelefon waren:

• Dr. Bettina Begerow; Sport- und Rehabilitationswissenschaftlerin, Präventionsexpertin bei der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
• Dr. med. Erwin Häringer; Facharzt für Allgemeinmedizin, Experte der „Initiative Schlaganfallvorsorge. Bei Vorhofflimmern handeln!“
• Dr. med. Rüdiger Buschfort; Facharzt für Neurologie, Chefarzt der Aatalklinik Bad Wünnenberg und Regionalbeauftragter der Deutschen Schlaganfall-Hilfe
• Susanne Ridder; Dipl.-Ökotrophologin, Leitung Ernährungsberatung an der MediClin Fachklinik Rhein/Ruhr, Essen
• Vathsalan Sriskandarajah; Dipl.-Psychologe, Bezugs- und Gruppentherapeut, Bernhard-Salzmann-Klinik Gütersloh

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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