„Nicht jeder Schilddrüsenknoten muss operiert werden.“

Foto: Forum Schilddrüse e.V.

„Nicht jeder Schilddrüsenknoten muss operiert werden.“ Experten gaben Tipps zur Schilddrüsengesundheit.

(pr-nrw) Schilddrüsenerkrankungen sind weit verbreitet: Bei jedem dritten Erwachsenen weist das kleine Organ knotige Veränderungen auf – bei über 60-Jährigen ist bereits jeder Zweite betroffen. Nach Angaben des Forum Schilddrüse ließe sich zum einen die Zahl der Schilddrüsenerkrankungen durch Prävention und Früherkennung reduzieren, zum anderen könne auch die Zahl der Operationen gesenkt werden. Wie man einer Schilddrüsenerkrankung vorbeugt, wie sich Kropf und Knoten erfolgreich behandeln lassen und welche Alternativen es zur Schilddrüsenoperation gibt, dazu informierten die Experten am Lesertelefon. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Nachlesen:

Was ist der Unterschied zwischen einer Schilddrüsenüberfunktion und einer -unterfunktion?
Dr. med. Mathias Beyer: Der wesentliche Unterschied besteht in der allgemeinen Steigerung oder Verlangsamung des Stoffwechsels. Entsprechend sind die Symptome: Bei der Überfunktion werden Herzfrequenz und Darmtätigkeit angeregt, vermehrt Kalorien verbraucht, bei vielen Patienten steigt das Hungergefühl. Es kann zu verstärktem Haarausfall kommen, einem Abbau von Muskulatur sowie zu Unruhezuständen und Konzentrationsstörungen. Eine Unterfunktion macht hingegen eher träge und müde, der Herzschlag verlangsamt sich, die Verdauung wird gebremst. Eines ist beiden Störungsarten gemeinsam: Sie gehören in ärztliche Behandlung.

Sind bei einem Kropf immer Knoten in der Schilddrüse?
Dr. med. Mathias Beyer: Der Ausdruck Kropf war früher eine allgemeine Bezeichnung für eine Struma, also eine von außen sichtbar vergrößerte Schilddrüse, meist mit Ausbildung von Knoten. Heute, im Zeitalter des Ultraschalls, trennen wir eine Vergrößerung der Schilddrüse von der Knotenbildung. Eine vergrößerte Schilddrüse muss nicht zwangsläufig auch Knoten aufweisen. Wichtig zu wissen ist, dass sich die meisten Knoten nur mit dem Ultraschall erkennen lassen.

Ich habe zwar eine durch Jodmangel vergrößerte Schilddrüse, aber keinerlei Beschwerden...
Dr. med. Mathias Beyer: Bei einer nur gering vergrößerten Schilddrüse kann man durchaus abwarten und die Entwicklung beobachten. Ansonsten ist eine medikamentöse Behandlung mit Jodid, bei Bedarf auch mit nicht zu großen Dosen des Schilddrüsenhormons L-Thyroxin möglich.

Kann ich einen Jodmangel allein über die Ernährung ausgleichen?
Dr. med. Mathias Beyer: Bei einer ausgewogenen und vielseitigen Ernährung, die tierische Produkte einschließt, nehmen Sie Jod sowohl über jodiertes Speisesalz zu sich als auch indirekt über die Jodierung des Nutztierfutters. Das gleicht einen Jodmangel zwar nicht vollständig aus, reicht aber in der Regel aus, um eine Struma- oder Knotenbildung zu verhindern. Wer wenig oder gar kein Fleisch und tierische Produkte zu sich nimmt, sollte an eine zusätzliche Jodversorgung denken.

Gehört die Untersuchung der Schilddrüse zum regelmäßigen Gesundheits-Check beim Hausarzt?
Dr. med. Mathias Beyer: Mittlerweile gehört bei vielen Hausärzten zumindest die Bestimmung des TSH-Werts aus dem Blut zum Programm der Routine-Untersuchung. Sie gibt einen ersten Hinweis auf eine Über- oder Unterfunktion. Wünschenswert wären aus fachärztlicher Sicht außerdem ein Tastbefund und eine Ultraschall-Untersuchung, die allerdings eine entsprechende Qualität des Ultraschall-Geräts voraussetzt. Mein Tipp: Fragen Sie Ihren Arzt beim Routine-Check auf jeden Fall, ob mit Ihrer Schilddrüse alles in Ordnung ist.

Was sind frühe Anzeichen für eine Störung der Schilddrüsenfunktion?
Priv.-Doz. Dr. med. Joachim Feldkamp: Mögliche frühe Anzeichen einer Überfunktion sind unter anderem innere Unruhe, schneller Pulsschlag, vermehrtes Schwitzen oder Schlaflosigkeit. Frühe Zeichen einer Schilddrüsenunterfunktion können ein erhöhtes Schlafbedürfnis, die Neigung zum Frieren, Verstopfung, trockene Haut oder Haarausfall sein.

Reicht eine Tastuntersuchung aus oder sind zusätzlich Laboruntersuchungen notwendig?
Priv.-Doz. Dr. med. Joachim Feldkamp: Bei Verdacht auf eine Funktionsstörung der Schilddrüse sollte zusätzlich der TSH-Wert gemessen werden, der sehr zuverlässig über eine Funktionsstörung der Schilddrüse Auskunft gibt.

Was sagen die Laborwerte über die Gesundheit meiner Schilddrüse aus?
Priv.-Doz. Dr. med. Joachim Feldkamp: Die Laborwerte können sehr gut den Funktionszustand der Schilddrüse wiedergeben. Sowohl die Werte für die Überfunktion wie auch die Unterfunktionen sind recht verlässlich. Ob Schilddrüsenknoten vorhanden sind, können die Laborwerte aber nur in ganz seltenen Fällen wiedergeben. Dazu bedarf es einer Ultraschalluntersuchung.

Was bedeutet „heißer Knoten“?
Prof. Dr. Frank Grünwald: Der Begriff bezieht sich auf die Szintigraphie, eine Untersuchung, die beim Nuklearmediziner angefertigt wird. Dazu wird eine schwach radioaktive Substanz intravenös verabreicht, die sich für kurze Zeit in der Schilddrüse anreichert und die Produktion von Schilddrüsenhormonen widerspiegelt. Wenn Gewebe mehr Hormone als die übrige Schilddrüse produziert, so stellt es sich als heißer Knoten dar. Meist handelt es sich dabei um autonomes Gewebe. Nehmen diese autonomen Anteile der Schilddrüse eine gewisse Größe an, kommt es zu einer Schilddrüsenüberfunktion. Erste Wahl bei der Behandlung heißer Knoten ist die Radiojodtherapie.

Bei mir soll ein Schilddrüsenknoten operativ entfernt werden. Gibt es vielleicht Alternativen?
Prof. Dr. Frank Grünwald: Nicht jeder Schilddrüsenknoten muss operiert werden, zumal es verschiedene Alternativen gibt: Heiße Knoten lassen sich sehr schonend mit einer Radiojodtherapie behandeln. Bei heißen und kalten Schilddrüsenknoten kommt eine so genannte Thermoablation in Frage, sofern kein Verdacht auf eine Bösartigkeit besteht. Dabei stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung: Ultraschallbehandlung, Radiofrequenzablation und Mikrowellenbehandlung. Diese Verfahren bieten den Vorteil, dass nur das erkrankte Gewebe des Knotens erfasst wird. Eine Vollnarkose ist für diese Verfahren nicht notwendig. In einigen Fällen ist eine örtliche Betäubung, ähnlich der Behandlung beim Zahnarzt, erforderlich.

Ich nehme seit Jahren L-Thyroxin zur Behandlung der Schilddrüse. Nun habe ich gelesen, dass es das Medikament auch in Kombination mit Jod gibt. Was bringt das?
Prof. Dr. med. Onno E. Janßen: Die Kombination von L-Thyroxin mit Jodid kann zur Behandlung von Schilddrüsenknoten oder einer Vergrößerung der Schilddrüse – also einer Struma – eingesetzt werden. In beiden Fällen ist die Kombination mit Jodid wirksamer als L-Thyroxin allein.

Was sind die Risiken einer Schilddrüsen-Operation?
Dr. med. Andreas Pfestroff: In seltenen Fällen kann es zu einer Schädigung der beidseitig vorliegenden Stimmbandnerven kommen. Eine einseitige Nervenschädigung kann Heiserkeit verursachen, eine beidseitige kann zu Luftnot führen, kommt jedoch sehr selten vor. Sehr unwahrscheinlich ist auch der Verlust oder die dauerhafte Schädigung der Nebenschilddrüsen, die sich nahe der Schilddrüse befinden. Möglich, wenn auch selten, ist der Verlust der Nebenschilddrüsen bei einer kompletten Entfernung der Schilddrüse, vor allem bei einer Krebsoperation. Weitere – ebenfalls seltene – Risiken der Operation sind Blutungen und Infekte, die jedoch in der Regel gut behandelbar sind.

Wie wird der Körper nach einer mit OP mit Schilddrüsenhormonen versorgt?
Dr. med. Andreas Pfestroff: Nach der Entfernung eines Schilddrüsenlappens versorgt oftmals die verbliebene, gesunde Hälfte der Schilddrüse den Körper mit Schilddrüsenhormonen. Bei Bedarf sollte zusätzlich Jod verabreicht werden. Nach kompletter Entfernung der Schilddrüse benötigt der Patient Levothyroxin, ein „künstliches“ Schilddrüsenhormon, das auch fT4 genannt wird und als Tablette eingenommen wird. Die erforderliche Dosis wird über Laborwerte eingestellt und regelmäßig kontrolliert. Zusätzlich benötigt der Körper noch das Schilddrüsenhormon fT3, das er jedoch selbst aus fT4 herstellt.

Warum ist für Frauen eine ausreichende Jodaufnahme vor und während der Schwangerschaft und Stillzeit wichtig?
Prof. Dr. med. Onno E. Janßen: Deutschland gilt mit einer durchschnittlichen täglichen Aufnahme von 130 Mikrogramm Jodid noch immer als Mangelgebiet. In der Schwangerschaft ist jedoch die Aufnahme von 250 Mikrogramm empfohlen. Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass Kinder von einer ausreichenden Jodeinnahme profitieren: Auffassungsgabe, Sprachverständnis und Leseleistung werden positiv beeinflusst. Da es einige Monate dauern kann bis die Jodspeicher gefüllt sind, sollte die Jodeinnahme bereits bei Kinderwunsch erfolgen und nicht erst in der Schwangerschaft. Übrigens sind negative Auswirkungen der Jodeinnahme für die Mutter nicht zu befürchten. Die zusätzliche Jodzufuhr verursacht keine Schilddrüsenerkrankungen und verschlimmert bestehende nicht. Einzig bei manifester Hyperthyreose, zum Beispiel bei Morbus Basedow, sollte keine Jodgabe erfolgen, sie ist dann für das Kind auch nicht erforderlich.

Wann ist eine Radiojodtherapie sinnvoll?
Dr. med. Andreas Pfestroff: Als Nachbehandlung bei den meisten bösartigen Tumoren der Schilddrüse ist eine Radiojodtherapie die Regel, um alle noch im Körper befindlichen Schilddrüsenzellen – ob gut- oder bösartig – zu vernichten. Je nach Art des Tumors liegen die Heilungschancen damit bei 90 bis 95 Prozent. Sinnvoll kann die Radiojodtherapie auch bei Formen der Überfunktion wie Morbus Basedow oder „heißen Knoten“ sein. Nicht zuletzt kann sie eine sinnvolle Alternative zur Operation sein, wenn eine zu große Schilddrüse Beschwerden verursacht. Das gilt insbesondere für ältere oder stärker erkrankte Patienten oder falls die Schilddrüse schon einmal operiert wurde.

Warum werden die Patienten bei der bei der Radiojodtherapie so streng abgeschirmt? Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Dr. med. Andreas Pfestroff: Unser im internationalen Vergleich eher strenger Strahlenschutz ist vor allem vorbeugender Natur: Er soll sicher ausschließen, dass Unbeteiligte mit Strahlung in Kontakt kommen. Das führt zum Beispiel dazu, dass Patienten die ersten zwei Tage in einer eigenen Abteilung mit abgeschirmten sanitären Anlagen verbringen. Als Nebenwirkungen der Therapie gelten, vor allem bei Patienten mit Tumornachweis, mögliche Schädigungen der Speicheldrüsen. Sind mehrere Radiojodtherapien erforderlich, kann es theoretisch zu Spätschädigungen kommen, die das Blut oder die blutbildenden Organe betreffen. Bei der Behandlung von gutartigen Erkrankungen der Schilddrüse sind diese Risiken vernachlässigbar.

Die Experten am Lesertelefon waren:

• Prof. Dr. med. Frank Grünwald; Facharzt für Nuklearmedizin, Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum der Goethe-Universität Frankfurt/Main
• Prof. Dr. med. Onno E. Janßen; Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie (DDG), Fachbereichsleiter Innere Medizin und Stellvertretender Standortleiter des MVZ Endokrinologikum Hamburg
• Dr. med. Mathias Beyer; Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie, Osteologie (DVO), Praxis für Endokrinologie, Nürnberg
• Priv.-Doz. Dr. med. Joachim Feldkamp; Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Intensivmedizin und Pneumologie, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie, Pneumologie, Infektiologie des Klinikum Bielefeld
• Dr. med. Andreas Pfestroff; Facharzt für Nuklearmedizin, Klinik für Nuklearmedizin des Universitätsklinikums der Philipps Universität Marburg

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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