Der unbekannte Tote: Auf der Suche nach der Identität eines gefallenen Soldaten
5. April, 1945: Beim Einmarsch der französischen Soldaten werden in einer süddeutschen Gemeinde drei deutsche Soldaten erschossen. 72 Jahre lang ruht einer der getöteten Soldaten als „unbekannter Feldwebel“ in einem Grab, das er mit den anderen beiden Soldaten teilt. Seine Identität bleibt ein Mysterium, bis der in Norddeutschland lebende Rüdiger Kaufmann den vielleicht entscheidenden Hinweis in einem Fotoalbum findet.
Neulingen-Nußbaum (hk) 5. April, 1945: Beim Einmarsch der französischen Soldaten werden in einer süddeutschen Gemeinde drei deutsche Soldaten erschossen. 72 Jahre lang ruht einer der getöteten Soldaten als „unbekannter Feldwebel“ in einem Grab, das er mit den anderen beiden Soldaten teilt. Seine Identität bleibt ein Mysterium, bis der in Norddeutschland lebende Rüdiger Kaufmann den vielleicht entscheidenden Hinweis in einem Fotoalbum findet.
Fotoalbum mit Kriegsaufnahmen weckt Interesse
In der norddeutschen Gemeinde Dalldorf lebt Rüdiger Kaufmann. In seiner Freizeit engagiert sich der 54-jährige Diplom-Ingenieur für den Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Kein Wunder also, dass ein Fotoalbum mit Kriegsaufnahmen sein Interesse weckte. Das Fotoalbum gehörte dem aus dem Nachbarort stammenden Soldaten und späteren Bäckermeister Theodor Dießel. Dieser hatte im zweiten Weltkrieg zahlreiche Aufnahmen mit seiner Kamera gemacht und in jenem Album aufbewahrt. Bei der Durchsicht des Albums fiel Kaufmann ein Foto auf, auf dem ein gemeinsamer Grabstein dreier Soldaten mit folgender Inschrift zu sehen ist: „Lt. Helmut Tute“, „Lt. Bernhard Driller“ und „Feldw. unbekannt“. Auf einem Foto darunter sind drei Holzgrabkreuze abgebildet. Zu lesen sind „Helmut Tute, Leutnant“, „Bernhard Driller, Leutn.“ und „Erich Stieghorst“. Nur zwei der drei Namen auf den Holzgrabkreuzen decken sich also mit den Inschriften auf dem Grabstein. Kaufmann rätselte, warum aus dem Soldaten Stieghorst später der „unbekannte Feldwebel“ wurde. Er vermutete, dass Dießel ein Kamerad eines oder mehreren Gefallenen war. Seine Aufnahmen habe er sehr wahrscheinlich bei zwei Besuchen vor Ort gemacht.
Spurensuche auf kraichgau.news
Während der Suche nach einem der drei Namen im Internet stieß Kaufmann auf einen Artikel auf dem Online-Portal der Brettener Woche, kraichgau.news. „Da staunte ich“, erinnert sich Kaufmann: Der Artikel (kraichgau.news/212) zeigte den Grabstein der drei gefallenen Soldaten wie im Fotoalbum von Dießel. Und: Der Feldwebel ruhte dort offensichtlich Jahrzehnte später immer noch als Unbekannter. Der Artikel stammt von einem Autor mit dem Kürzel pd. Das Foto aus dem Jahr 2015 wurde laut Bildunterschrift auf dem Friedhof in Neulingen-Nußbaum geschossen. Außerdem verrät der Artikel weshalb und wie die drei Soldaten in einem gemeinsamen Grab bestattet wurden: „Auf Anordnung der Besatzungsmacht, wurden die drei Soldaten am 7. April 1945 auf dem Nußbaumer Friedhof ohne Särge, in ihren Uniformen und in Zeltplanen eingewickelt, in einem gemeinsamen Grab beigesetzt.“
An Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge gewandt
Mit diesen Erkenntnissen wandte sich Kaufmann an den Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge in Kassel – mit einem überraschenden Ergebnis. Laut Volksbund wurde in der Nähe der Leiche des Feldwebels ein Soldbuch auf den Namen Erich Stieghorst gefunden. Daraufhin sei das Holzgrabkreuz vermutlich aufgrund des aufgefundenen Soldbuches mit dem Namen Erich Stieghorst in Verbindung gebracht und so beschriftet worden. Die Ehefrau von Stieghorst jedoch teilte dem Volksbund mit, dass ihr Mann ihr aus der Kriegsgefangenschaft geschrieben habe. Demnach könne es sich bei dem unbekannten Feldwebel definitiv nicht um Stieghorst handeln. Auch eine eidesstattliche Erklärung aus dem Archiv der Gemeinde Neulingen, die der Brettener Woche vorliegt, bestätigt diese Verwechslung. Weiterhin geht aus den Akten hervor, dass der Feldwebel erschossen wurde, als er sich ergeben hatte.
Identität konnte nicht geklärt werden
„Aus den Akten wird auch deutlich, dass der damalige Bürgermeister durchaus weitere Nachforschungen angestellt hat“, so das Ordnungsamt der Gemeinde auf Anfrage der Brettener Woche. Denn das Sammelgrab auf dem Friedhof in Nußbaum wurde am 13. April 1967 zur Identifizierung des unbekannten Feldwebels geöffnet. Bei den sterblichen Überresten des vermutlich 30-jährigen Feldwebels wurden ein Anhänger mit einer Muttergottes, schwarze Uniformreste, Schulterklappen sowie ein Trauring mit der Gravur „Ruth“ gefunden. Der damalige Bügermeister der Bürgermeisterei „Bauschlott-Göbrichen-Nußbaum“ Helmut Britsch, wandte sich 1971 mit einem Brief an einen Gustav Kluger. In dem Brief heißt es: „Ende 1948 und Anfang 1949 haben Sie mit der Gemeinde korrespondiert wegen des Todes Ihres Kameraden Walter Schenk, von dem Sie vermutet haben, dass er am 5. April [...] gefallen ist. Wenn Ihr Kamerad Schenk mit einer Frau Ruth verheiratet gewesen ist, könnte man das Schicksal klären. Vielleicht können Sie mir einmal Nachricht geben, ob Sie etwas wissen.“ Die Akte im Archiv enthält hierzu kein Antwortschreiben. Zwar konnte Kaufmann die Identität des Feldwebels nicht klären. Er hofft nun, dass der Hinweis „Ruth“ zur Ehefrau des gefallenen Feldwebels oder zu sonstigen Verwandten führt.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.