Dialekttagung: Pfinzfränkisch im Staatsministerium
Das hat es so wohl noch nie zuvor in der Landeshauptstadt gegeben: Unüberhörbar tummelten sich Mundartsprecherinnen und -sprecher vom Hohenlohischen bis zum Hotzenwaldalemannischen Zungenschlag im Neuen Schloss in Stuttgart. Und mittendrin Rosie und Wolfgang Müller aus Pfinztal. Der Ministerpräsident hatte das Ehepaar zu der Dialekttagung „Daheim schwätzen die Leut...“ eingeladen.
Pfinztal (wm) Rosie Müller nahm am Thementisch „Dialekt im sprachlichen Alltag in Kommune, Kirche, Arbeitsleben und Vereine“ Platz und Wolfgang Müller steuerte seine Expertise am Thementisch „Dialekt in Schule und Bildung“ bei. Er berichtete von seinen Mundartprojekten in Schulen und der Erwachsenenbildung und ermutigte die Diskutanten – darunter auch den Ministerpräsidenten – zum Lesen eines typischen pfinzfränkischen Satzes: „Du hättsch mer jo helfe lipfe kenne, dann hätt e’s net blotze losse mieße.“ Dieser Satz diente ihm auch als Appell für ein Miteinander in der Sprache, wo auch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Gebrauchssprachen zu einem tragfähigen Ergebnis führen kann. Voraussetzung ist die Bereitschaft auf beiden Seiten, einander wohlwollend und nicht ablehnend zuzuhören.
Uneingeschränkte Wertschätzung der in den Regionen verwurzelten Dialekte
Der breit gefächerte Meinungskatalog der Teilnehmenden wurde im Fazit des Ministerpräsidenten auf den Punkt gebracht: Für die beobachtbare Diskriminierung der Dialekte gibt es keine haltbaren Argumente. Sie sei daher kaum nachvollziehbar und unberechtigt. Sinn mache vielmehr die uneingeschränkte Wertschätzung und praktizierte Mundhabung der in den Regionen verwurzelten Dialekte. Sie sollten als voll akzeptierte gesprochene Verständigungsform neben der Hochsprache neu gestärkt werden. Wichtig sei die Abkehr vom „Entweder – Oder“ hin zum situationsbezogenen „Sowohl – als auch“.
Keine Schwundstufe der Standardsprache
Der von der Rektorin einer Pädagogischen Hochschule vorgeschlagene Ansatz, die regionalen Mundarten im Unterricht der baden-württembergischen Bildungseinrichtungen nicht länger als unerwünschtes, weil (angeblich) für die Zukunftschancen hinderliches Mitteilungsinstrument zu brandmarken, sondern in der Lehrerausbildung wieder das Augen- und Ohrenmerk auf das Zulassen beziehungsweise das Erlernen mundartlicher Ausdrucksweisen zu legen, fand breite Zustimmung. Und noch einmal eine Einschätzung von Ministerpräsident Kretschmann, der sich Rosie und Wolfgang Müller gerne anschließen: Der Dialekt sei keine Schwundstufe der Standardsprache. Vielmehr habe er als originelle und attraktive Form des gesprochenen Miteinanders eine hohe Bedeutung und die regionalen Mundarten seien es allemal wert, in ihrer Artenvielfalt geschützt und erhalten zu werden.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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