Aus für Ortschaftsräte zeichnet sich ab: Umfrage vor der Beratung im Oberderdinger Gemeinderat
Der Plan, in Flehingen und Großvillars die Ortschaftsräte abzuschaffen, ist umstritten. Vor der Beratung am 17. Oktober im Oberderdinger Gemeinderat haben wir uns bei den Fraktionen nach ihrer Haltung erkundigt.
OBERDERDINGEN (ch) Der Plan, in Flehingen und Großvillars die Ortschaftsräte abzuschaffen, ist umstritten. Eigentlich wollte der Oberderdinger Gemeinderat schon am 26. September darüber beraten. Das Thema wurde aber verschoben, weil einige Gemeinderäte nicht anwesend sein konnten. Bevor die Debatte am kommenden Dienstag nachgeholt wird, haben wir uns bei den Fraktionen nach ihrer Haltung erkundigt.
Eine von zwei Besonderheiten abschaffen?
Ortschaftsräte ebenso wie die sogenannte unechte Teilortswahl sollten nach der Gemeindereform der 1970er Jahre die Integration der eingemeindeten Ortsteile in die neue Gesamtgemeinde erleichtern. Seitdem sind rund 45 Jahre vergangen. Genug Zeit, um darüber nachzudenken, ob nicht eine der beiden Besonderheiten wieder abgeschafft werden könnte, meinte Bürgermeister Thomas Nowitzki kürzlich während der Bürgerinformationsveranstaltungen, die in allen drei Ortsteilen stattfanden. Zumal die ursprünglich festgelegte Möglichkeit, Ortschaftsräte und unechte Teilortswahl ab 1984 wieder abzuschaffen, inzwischen 33 Jahre überfällig sei.
CDU für Auflösung der Ortschaftsräte
So sieht es auch die Fraktionsvorsitzende der CDU im Oberderdinger Gemeinderat, Brigitte Harms-Janssen. Ihre aus acht Mitgliedern bestehende Fraktion sei der Auffassung, dass nach so langer Zeit „eine der beiden in unserer Hauptsatzung seinerzeit festgelegten Sonderformen, also entweder unechte Teilortswahl oder Ortschaftsverfassung, aufgelöst werden kann.“ Obwohl die CDU seit 1973 stets Listen für die Ortschaftsräte aufgestellt und meistens auch den Ortsvorsteher gestellt habe. Sie plädiert zugleich für die Beibehaltung der unechten Teilortswahl, weil diese den Ortsteilen, vor allem dem kleinsten Ortsteil Großvillars eine Vertretung im Gemeinderat sichere.
Freie Wähler für Kompromiss
Auch die sechsköpfige Freie Wähler-Fraktion hat sich nach Auskunft ihres Vorsitzenden Uwe Schneider „einstimmig für die Abschaffung der Ortschaftsräte“ ausgesprochen. Mehr noch: Ein Großteil seiner Fraktionskollegen sei dafür, zusätzlich auch die unechte Teilortswahl abzuschaffen. Bei der FWV herrsche die Meinung vor, so Schneider: „Wir sind nun schon so lange zusammen, dass alle Ortsteile im Gemeinderat gut vertreten sind.“ Allerdings habe man auch zur Kenntnis genommen, dass es in der Bevölkerung Bedenken gebe, ob Großvillars beim Wegfall der unechten Teilortswahl weniger gut vertreten sein könnte. Deshalb unterstützten die Freien Wähler den Kompromiss, dass die unechte Teilortswahl „mindestens für die nächsten fünf Jahre“ noch bestehen bleiben solle.
SPD gegen „zahnlosen Tiger“
Sowohl der SPD-Ortsverein als auch die aktuell fünfköpfige Gemeinderatsfraktion plädieren laut Fraktionschef Markus Müßig „seit Jahren für eine Auflösung der Ortschaftsräte“. Für diesen „zahnlosen Tiger mit wenig Entscheidungsbefugnissen“ stelle die SPD bewusst keine Kandidaten mehr auf. Die Auflösung bringe keine Nachteile, manche Abläufe würden sogar beschleunigt und Bürokratie abgebaut. Durch die unechte Teilortswahl seien die Interessen aller Ortsteile im beschließenden Gemeinderat gut vertreten. Das zeige der kontinuierliche und zeitgemäße Ausbau der Infrastruktur. Als Gemeinderatskandidat oder durch Mitarbeit in den Parteien könne jeder für seinen Ortsteil aktiv werden.
Grüne für mehr Teilhabe der Bürger
Dagegen setzen sich die beiden kleinsten Gruppierungen, die Unabhängigen Bürger Oberderdingen (UBO) und die Grünen mit jeweils zwei Vertretern im Rat, vehement für die Beibehaltung der Ortschaftsräte ein. Diese seien am nächsten am Bürger, heißt es in einer Stellungnahme von Grünen-Gemeinderat Julian Breitschwerdt. „Gerade in Zeiten von Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit sollten die Bürger teilhaben und sich einbringen können.“ Hierzu sollten nach Ansicht der Grünen „die Ortschaftsräte genutzt und mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden.“
UBO: Ortschaftsräte „ausgebremst“
Ähnlich argumentiert UBO-Gemeinderat Christian Strohmenger. Die größere Bürgernähe sehe man schon daran, dass zu seiner Zeit „immer sechs bis 15 Zuhörer“ an den Ortschaftsratssitzungen in Flehingen teilgenommen hätten. Anders im Gemeinderat, über den er sagt: „Da geht ja kaum jemand hin.“ Das Gegenargument, die Arbeit der Ortschaftsräte habe nichts gebracht, beantwortet Strohmenger mit einem Vorwurf an die Adresse des Bürgermeisters. Dieser habe den Ortschaftsrat „ausgebremst“, indem er keinen der „oft einstimmig“ eingereichten Anträge des Ortschaftsrats dem Gemeinderat vorgelegt habe. Seine Schlussfolgerung: „Die Flehinger Ortschaftsräte wurden nicht ernst genommen.“
Pro und Contra unechte Teilortswahl
Stattdessen sehen sowohl Grüne als auch UBO die unechte Teilortswahl kritisch. Besser sei es, diese abzuschaffen, findet Christian Strohmenger, denn sie sei ja „nur Quotenpolitik“. Und auch der Grüne Julian Breitschwerdt bemängelt „ihr äußerst kompliziertes Wahlverfahren mit einer hohen Fehlerquote“, das zu einer „Verfälschung des Ergebnisses“ und bei vielen dazu führe, „erst gar nicht wählen zu gehen.“ Natürlich mache die Beschränkung der Stimmvergabe auf die Zahl der Gemeinderäte aus dem jeweiligen Ortsteil die unechte Teilortswahl schwieriger, räumt CDU-Fraktionschefin Brigitte Harms-Janssen ein. Aber die Kommunalwahlen seien „nun mal generell komplexer“. Und da es die unechte Teilortswahl schon mehr als 150 Jahre gebe, sei dies „kein neues Argument“.
Wer ist bürgernäher?
Die CDU-Fraktionschefin bestreitet, dass die Ortschaftsräte näher am Bürger seien. Entscheidend für Bürgernähe sei „die Präsenz des Einzelnen“. Außerdem seien die Gemeinderäte „in der gesamten Gemeinde unterwegs.“ Einzig der Ortsvorsteher, so Harms-Janssen, werde „im Rahmen seiner Aufgaben und Vertretungen des Bürgermeisters im Ortsteil wohl öfters angesprochen.“ Die SPD bedauert daher nur den Wegfall der Ortsvorsteher, „die in den vergangenen Jahren der Verwaltung einige Arbeit abgenommen haben.“ Zur Bürgernähe sagt Markus Müßig: Wenn das Argument stimmen würde, „dann wäre der Ortsteil Oberderdingen ganz arm dran, denn die Oberderdinger haben seit über 20 Jahren keinen Ortschaftsrat mehr.“
Mehr über Ortschaftsräte lesen Sie auf unserer Themenseite
Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.