Emotionale Debatte um Ortsreferenten-Modell
„Chapeau, dass du dich engagieren willst“

Luis Burkhardt aus Kleinvillars möchte Ortsreferent von Kleinvillars werden. | Foto: hk
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Knittlingen-Kleinvillars (hk) Am vergangenen Donnerstag fand im städtischen Kindergarten Kleinvillars die jüngste Einwohnerversammlung für die Bürgerinnen und Bürger von Kleinvillars statt. Die Veranstaltung, die um 18 Uhr begann, zog rund 50 Einwohnerinnen und Einwohner an. Ein zentraler Tagesordnungspunkt war die Vorstellung der Interessenten für die Wahl des Ortsreferenten. Als einziger Kandidat präsentierte sich der 20-jährige Luis Burkhardt für dieses Amt. Burkhardt, der als Chemielaborant tätig ist, zeigte in seiner kurzen Ansprache an die Kleinvillarser Bürger seinen Wunsch, sich kommunalpolitisch engagieren zu wollen und dabei "etwas für die Gemeinde zu tun". Im September findet dann die Ortsreferentenwahl im Knittlinger Gemeinderat statt.

Hitzige Diskussion zwischen Einwohnern und Bürgermeister

Der Vorstellung von Burkhardt war eine hitzige Diskussion zwischen dem Knittlinger Bürgermeister Alexander Kozel und den anwesenden Einwohnern vorausgegangen, bei der die Kleinvillarser ihre Unzufriedenheit über das Fehlen eines Ortschaftsrats in Kleinvillars erneut zum Ausdruck brachten. Auf die Hintergründe, die zur heutigen Situation führten, war Bürgermeister Kozel zunächst eingegangen.
Der Gemeinderat beschloss 2008 mit Mehrheit, die Unechte Teilortswahl ab der Kommunalwahl 2009 abzuschaffen. Dies wurde mit dem erhöhten Aufwand, der Fehleranfälligkeit und dem Wunsch nach Integration aller Stadtteile zu einer Gesamtstadt begründet, so Kozel. Im Jahr 2022 erging, so Kozel weiter, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur Unechten Teilortswahl in Tauberbischofsheim, die strenge Vorgaben hinsichtlich der Berücksichtigung der Einwohnerzahl bei dieser Art der Wahl festlegte. Unter diesen Bedingungen wäre es bei einer theoretischen Wiedereinführung der Unechten Teilortswahl in Knittlingen lediglich möglich, einen Sitz und nicht, wie früher, zwei Sitze für Kleinvillars rechtlich zu berücksichtigen, erklärte der Knittlinger Bürgermeister.

Seit 2019 kein Vertreter aus Kleinvillars im Gemeinderat

Seit der letzten Gemeinderatswahl im Jahr 2019 sei kein Vertreter aus Kleinvillars im Gemeinderat vertreten. Dies führte schließlich dazu, dass in der Einwohnerversammlung im Februar 2023 der Wunsch nach der Wiedereinführung der Unechten Teilortswahl oder der Einführung einer Ortschaftsverfassung, ähnlich der in Freudenstein-Hohenklingen, von den Kleinvillarsern geäußert wurde. Eine Ortschaftsverfassung würde die Notwendigkeit eines Ortsvorstehers oder einer Ortsvorsteherin sowie eines Ortschaftsrats mit sich bringen, sagte Kozel.

"Im Vergleich zum Status Quo eine klare Verbesserung"

Der Bürgermeister verglich anschließend die beiden Modelle des Ortsreferenten und der Ortschaftsverfassung miteinander. Dabei stellte er Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Gemeinsam ist beiden Modellen, dass der Ortsreferent ähnlich wie ein Ortsvorsteher agieren würde und eine Vertretung im Gemeinderat gewährleistet wäre. Der Gemeinderat und der Bürgermeister würden weiterhin ihre Funktion als Vertretungsorgane behalten. Es gäbe jedoch auch Unterschiede, wie etwa die Zusammensetzung des Gremiums. Während der Ortsreferent allein agiert, würde der Ortschaftsrat aus mindestens sechs bis acht Personen bestehen, jedoch ohne Vetorecht gegenüber dem Gemeinderat. Zudem wäre ein Budget in niedriger vierstelliger Höhe für den Ortschaftsrat denkbar, so Kozel. Der Ortsvorsteher würde eine höhere Entschädigung erhalten, während der Ortsreferent monatlich 150 Euro plus Sitzungsgeld erhalten würde. In seinen vergangenen Sitzungen habe sich der Gemeinderat schließlich für die Einführung des Ortsreferenten-Modells entschieden. "Für uns stellt dies im Vergleich zum Status Quo eine klare Verbesserung dar", betonte Kozel.

"Nur ein Ortschaftsrat ist geeignet"

Die Erklärungen des Bürgermeisters konnten jedoch nicht dazu beizutragen, die Wogen zu glätten. Werner Wuhrer beharrte erneut darauf, dass die Bürger von Kleinvillars sich keinen Ortsreferenten, sondern einen Ortschaftsrat wünschen würden. Er stellte vehement die Frage nach der Würde der Kleinvillarser. Wuhrer verwies zudem auf das Gleichheitsgebot, das in der Eingliederungsvereinbarung von 1972 festgelegt worden sei. Bisher sei dieses jedoch nur dem Stadtteil Freudenstein-Hohenklingen zugutegekommen. Um die Identität von Kleinvillars zu stärken, sei seiner Meinung nach nur ein Ortschaftsrat geeignet.

Bürgermeister Kozel erteilte Forderung eine klare Absage

Bürgermeister Kozel erteilte dieser Forderung allerdings eine klare Absage: "Das ist Ihre Auffassung. Das Entscheidungsorgan ist der Gemeinderat, und dieser hat sich gegen die Wiedereinführung der Unechten Teilortswahl und für einen Ortsreferenten entschieden. Wenn Sie unzufrieden sind, haben Sie die Möglichkeit, einen Bürgerentscheid anzustreben." Kozel betonte weiter, dass es nicht mehr die eigenständige Gemeinde Kleinvillars gebe, sondern die Stadt Knittlingen mit den Stadtteilen – dies sei rechtlich eindeutig. Es gebe zudem keine rechtlichen Ansprüche auf einen Ortschaftsrat. Die Eingliederungsvereinbarung schreibe nicht vor, dass Kleinvillars einen solchen haben müsse. Darüber hinaus könne die Unechte Teilortswahl, wie bereits geschehen, gesetzlich abgeschafft werden. Kozel sagte, er könne nur Vermutungen über den damaligen Abwägungsprozess, der zur Abschaffung der Teilortswahl führte, anstellen. Man müsse jedoch demokratische Entscheidungen akzeptieren.

"Warum will der Gemeinderat einen Ortschaftsrat verhindern?"

Dass sie mit dieser Antwort nicht zufrieden sind, brachten einige Kleinvillarser anschließend zum Ausdruck. Der Gemeinderat habe den klaren Auftrag erhalten, einen Ortschaftsrat einzuführen, basierend auf der Einwohnerversammlung im Februar dieses Jahres. „Einen Ortsreferenten wollen die Kleinvillarser nicht. Ein Ortsreferent ist wie ein Hund ohne Zähne: Er kann bellen, aber nicht beißen“, so ein Kleinvillarser Bürger über das Modell des Ortsreferenten. „Warum will der Gemeinderat einen Ortschaftsrat verhindern? Wo bleibt die Gleichstellung?“, hieß es aus den Reihen der Versammlung. In der Vergangenheit habe man sich vieles erkämpfen müssen, um die Anliegen von Kleinvillars voranzubringen, sagte ein Bürger.

Verständnis für die Unzufriedenheit

Bürgermeister Kozel zeigte Verständnis für die Unzufriedenheit, betonte aber dennoch, der Gemeinderat habe seine Entscheidung getroffen und sei bisher nicht von dieser abgewichen. Er ermutigte die Unzufriedenen, selbst für den Gemeinderat zu kandidieren, um ihre Stimme einzubringen. Kozel wies darauf hin, dass auch bei einem Ortschaftsrat mit Ortsvorsteher die Kleinvillarser Vertretung im Gemeinderat kein Stimmrecht hätte. Er reagierte mit Unverständnis auf den Vorwurf, dass die Würde der Kleinvillarser Bürgerinnen und Bürger angetastet werde: „Ich finde das sehr weit hergeholt und nicht nachvollziehbar. Es ist niemand gegen Kleinvillars. Wenn Sie das nicht so sehen, tut es mir leid.“

Abstimmung über den Kandidaten Luis Burkhardt

Im Anschluss an die Diskussion fand eine Abstimmung über den Kandidaten Luis Burkhardt statt, bei der eine überwiegend positive Stimmung erkennbar war. „Dieses Signal geben wir gerne an den Gemeinderat weiter“, sagte Bürgermeister Kozel. Einige Einwohner äußerten ihre Unterstützung für Burkhardt und es gab auch Stimmen, die das Ortsreferenten-Modell befürworteten, um zunächst seine Funktionalität zu testen. Ein Einwohner äußerte jedoch Bedenken und sagte: „Wir haben Angst, dass du von den Gemeinderäten zermahlen wirst.“ SPD-Stadtrat und Ortsvorsteher von Freudenstein-Hohenklingen, Timo Steinhilper, sagte abschließend: „Chapeau, dass du dich engagieren willst. Es wird nicht leicht sein, wie du an der Stimmung hier sehen kannst. Meine Unterstützung hast du.“

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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