Bewusstsein schärfen und Sicherheit erhöhen
Enzkreis wird Modellregion für Wildunfallprävention

Freuen sich über die neuen digitalen Warnschilder: Landwirtschaftsdezernent Holger Nickel (Mitte), Bürgermeister Michael Schmidt (rechts) sowie Wildtierbeauftragter Bernhard Brenneis (links).  | Foto: hk
  • Freuen sich über die neuen digitalen Warnschilder: Landwirtschaftsdezernent Holger Nickel (Mitte), Bürgermeister Michael Schmidt (rechts) sowie Wildtierbeauftragter Bernhard Brenneis (links).
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Bretten/Neulingen (hk) Alle 20 Minuten passiert irgendwo in Baden-Württemberg ein Wildunfall. Insgesamt ereignen sich in Baden-Württemberg pro Jahr durchschnittlich rund 25.000 Wildunfälle. Wie kann man mit gezielten Maßnahmen die Straßen für Mensch und Tier gleichermaßen sicherer machen?

Entwicklung neuer Strategien zur Wildunfallprävention

Antworten auf diese Fragen will auch das Land Baden-Württemberg finden. Um die Zahl der Wildunfälle zu reduzieren, hat das Land bereits im Jahr 2020 einen Schritt unternommen und den Arbeitskreis "Verkehrssicherheit & Wildtiere" ins Leben gerufen, der Vertreter des Verkehrsministeriums, des Innenministeriums und des Ministeriums für Ländlichen Raum sowie der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) und der Jagdverbände vereint. Gemeinsames Ziel ist die nachhaltige Dokumentation von Wildunfällen und die Entwicklung neuer Strategien zur Wildunfallprävention.

Enzkreis als Modellregion

In diesem Bestreben hat der Arbeitskreis den Enzkreis als eine von landesweit zwei Modellregionen ausgewählt, in denen Maßnahmen zur Prävention von Wildunfällen erprobt werden sollen. Neben dem Enzkreis gilt auch der Bodenseekreis als Hoffnungsträger, dass die gesammelten Ergebnisse als Blaupause für das gesamte Bundesland dienen können, wobei nicht nur die Verbesserung der Verkehrssicherheit, sondern auch die Vermeidung von Tierleid im Fokus stehen. Die wissenschaftliche Begleitung des Projektes erfolgt durch das Wildtierinstitut der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) BW Freiburg.

Neue Dialog-Displays zwischen Bauschlott und Bretten

Eine dieser Maßnahmen betrifft die als Wildunfallstrecke bekannte Bundesstraße 294 zwischen Neulingen-Bauschlott und Bretten. Dort wurden am vergangenen Montagvormittag zwei neue Dialog-Displays aufgestellt, die die Autofahrer auf die besondere Gefahr des Wildwechsels an dieser Stelle hinweisen: Ab einer Geschwindigkeit von 70 Stundenkilometern warnt ein leuchtendes Hirschsymbol vor Wildwechsel. Holger Nickel, Dezernent für Landwirtschaft, Forsten und öffentliche Ordnung, präsentierte vor Pressevertretern die Inbetriebnahme der beiden Warntafeln jeweils in Fahrtrichtung.

Wildunfälle fordern jährlich zehn tote und 2.500 verletzte Menschen

Für Falko Brieger von der FVA war dieser Tag "historisch": "Erstmals sitzen alle Entscheidungsträger an einem Tisch", sagte er mit Blick auf den Arbeitskreis. Laut Brieger fordern Wildunfälle in Deutschland jährlich rund zehn Tote und 2.500 Verletzte, wobei die meisten Unfälle für die Fahrzeuginsassen glimpflich ausgingen, so tragisch dies für die Tiere auch sei. Eine der Haupt-unfallursachen sei überhöhte Geschwindigkeit.

Dynamische Schilder gegen Gewöhnungseffekt

Oliver Müller, Leiter des Straßenverkehrs- und Ordnungsamtes im Enzkreis, kennt die Herausforderungen: „Bei Autofahrern tritt oft ein Gewöhnungseffekt ein.“ Verkehrsschilder würden mit der Zeit weniger wahrgenommen werden. Das dynamische Display soll für mehr Aufmerksamkeit sorgen. „Wir sind nun gespannt, wie sich die Zahlen in einer hoffentlich positiven Statistik niederschlagen“, so Müller. Für den Wildtierbeauftragten des Enzkreises, Bernhard Brenneis, ist ein Bewusstseinswandel bei den Autofahrern wichtig: „Tierleid kann man vermeiden. Tierleid sollte nicht klaglos hingenommen werden“, sagte er.

Auch an B35 zwischen Lienzingen und Illingen Displays

Für den Enzkreis als Modellregion sprach laut Nickel neben der vielfältigen Struktur der Landschaft auch die Tatsache, dass der Enzkreis über einen erfahrenen und engagierten Wildtierbeauftragten sowie über gute Kenntnisse über die Lage der Unfallschwerpunkte im Landkreis verfüge. Zur Umsetzung des Projektes wurde auf Kreisebene eine Arbeitsgemeinschaft (AG) gegründet, darunter Vertreter des Landratsamts und der Gemeinden, aber auch der Jägerschaft und der Polizei. Acht Strecken mit den meisten Wildunfällen habe die AG bereits identifiziert, so Brenneis, darunter die Kreisstraße zwischen Knittlingen und Freudenstein, die Bundesstraße zwischen Illingen und Lienzingen und eben die Bundesstraße 294 bei Bauschlott. Die Maßnahmen zur Wildunfallprävention sollen individuell auf die acht verschiedenen Straßentypen zugeschnitten werden. An der B35 zwischen Lienzingen und Illingen wurden in beiden Fahrtrichtungen auch zwei neue Dialog-Displays installiert.

"Einen Wildunfall vergisst man nie"

Roland Bäuerle vom Polizeipräsidium Pforzheim erklärte: „Man verunfallt oft nicht wegen des Tieres, sondern versucht bei einem drohenden Zusammenstoß reflexartig auszuweichen und kollidiert dabei zum Beispiel mit einem Baum – dadurch entstehen Verletzungen.“ Brenneis ergänzte: „Einen Wildunfall vergisst man nie. Es ist ein extrem belastender psychischer Ausnahmezustand.“ Daher erinnerte Polizist Bäuerle: „In der Dämmerung muss man mit Wildwechsel rechnen. Viele vergessen das, obwohl es eigentlich fest im Gedächtnis verankert sein sollte.“

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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