Ratsbeschluss in "historischer Sitzung"
Oberderdingen strebt Verleihung des Titels „Stadt“ an

Am Dienstagabend trafen die Oberderdinger Räte die Entscheidung, beim Land Baden-Württemberg zu beantragen, der Gemeinde Oberderdingen die Bezeichnung „Stadt“ zu verleihen. | Foto: hk
  • Am Dienstagabend trafen die Oberderdinger Räte die Entscheidung, beim Land Baden-Württemberg zu beantragen, der Gemeinde Oberderdingen die Bezeichnung „Stadt“ zu verleihen.
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Oberderdingen (hk) "Der heutige Tagesordnungspunkt ist einer der bedeutendsten im Laufe des Sitzungsjahres 2023. Wenn die Landesregierung unserem Antrag stattgibt, dann ist das aus meiner Sicht sogar eine historische Sitzung." Mit diesen Worten eröffnete der Oberderdinger Bürgermeister Thomas Nowitzki die Gemeinderatssitzung am Dienstagabend und verwies dabei auf die zu erwartende Entscheidung des Rates, einen Antrag an die Landesregierung Baden-Württemberg zu stellen, der Gemeinde Oberderdingen die Bezeichnung „Stadt“ zu verleihen. Laut Nowitzki erfülle die Gemeinde mittlerweile alle Kriterien, um den Titel zu tragen, die er in der Folge näher beleuchtete.

Marke von 12.000 Einwohnern wird im Jubiläumsjahr überschritten

Ein halbes Jahrhundert ist seit der Verwaltungsreform Anfang der 1970er-Jahre vergangen, die Oberderdingen und die damals eingemeindeten Orte Flehingen und Großvillars zu einer Gemeinde vereinte. Seitdem, so Nowitzki, habe sich Oberderdingen „hervorragend entwickelt und über Jahrzehnte eine Struktur mit Wohn- und Lebensqualität geschaffen.“ Noch in diesem Jahr, im Jubiläumsjahr der Gemeinde, werde Oberderdingen zudem die Marke von 12.000 Einwohnern überschreiten.

"Zentralörtliche Bedeutung von Oberderdingen"

Die zentralörtliche Bedeutung von Oberderdingen sei bereits Anfang der 1980er-Jahre durch den Regionalverband Mittlerer Oberrhein bestätigt worden. Auch im Regionalplan 2003 wurde die Gemeinde als eine der Schwerpunktstandorte in der Region für Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen ausgewiesen. Diese Ausweisung verdanke man nicht zuletzt der starken Oberderdinger Industrie und den Entwicklungsoptionen der interkommunalen Wirtschaftsförderung, insbesondere dem interkommunalen Industriegebiet Oberderdingen (Kreuzgarten) auf Gemarkung Flehingen. Diese Einstufung als Schwerpunktstandort bleibe auch im neuen Regionalplan erhalten, der sich derzeit im Verfahren befinde. „Dies ist für die zukünftigen Entwicklungen eminent wichtig und bestätigt die Fortsetzung der interkommunalen Zusammenarbeit der Wirtschaftsförderung mit den Nachbargemeinden Sulzfeld, Kürnbach und Zaisenhausen bis ins Jahr 2050“, so Nowitzki.

Funktion für umliegende Gemeinden

Der Bürgermeister teilte mit, dass die Bezeichnung „Stadt“ von Gemeinden verwendet wird, denen diese Bezeichnung nach bisherigem Recht zusteht. Die Landesregierung könne die Bezeichnung aber auch auf Antrag an Gemeinden verleihen, die nach Einwohnerzahl (mindestens 10.000), Siedlungsform und ihren kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnissen städtisches Gepräge tragen – das heißt, es müssen beispielsweise genügend Straßen, Gehwege, Parkplätze, Grünanlagen, Ver- und Entsorgungseinrichtungen, Kultur-, Bildungs-, Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie eine angemessene ärztliche Versorgung und Einkaufsmöglichkeiten vorhanden sein, ebenso wie Industrie- und Gewerbebetriebe "in maßgeblicher Zahl und Größe", heißt es in der Vorlage zur Ratssitzung. Die Kriterien der Landesregierung sehen auch vor, dass die Gemeinde Mittelpunkt ihres Verwaltungsraumes ist. Das heißt, sie muss für die umliegenden Gemeinden eine zentralörtliche Funktion erfüllen, etwa im Schulbereich oder bei der ärztlichen Versorgung. Wichtig seien auch die Entwicklungsmöglichkeiten in Bezug auf die Erschließung von neuem Bau-, Industrie- und Gewerbegelände, so Nowitzki.

„Das Stadtrecht ist eine besondere Ehre“

Nach Vorgesprächen über das formale Vorgehen wurde laut Nowitzki dem Innenministerium im Juli 2022 eine Aufstellung mit Strukturdaten der Gemeinde für eine Ersteinschätzung vorgelegt. Zu diesen Daten gehören unter anderem Angaben zur Infrastruktur, etwa zur Einwohnerentwicklung, aber auch beispielsweise zum Einzugsgebiet der Oberderdinger Schulen. Nach der Sichtung und Prüfung habe eine Abordnung mit verantwortlichen Vertretern aus der Ministerialverwaltung im Februar 2023 Oberderdingen besucht und vor Ort die strukturellen Voraussetzungen für eine mögliche Stadterhebung geprüft. Inzwischen habe Nowitzki die Rückmeldung erhalten, dass von einer Antragsstellung nicht abgeraten werde. Es sei jedoch wichtig zu betonen, dass die Bezeichnung „Stadt“ keine Auswirkungen auf die gemeinderechtlichen Verhältnisse habe, merkte Nowitzki an. Die Gemeinderäte, der Bürgermeister oder Mitarbeitende der Gemeinde hätten keine finanziellen Vorteile. „Das Stadtrecht ist jedoch eine besondere Ehre“, so Nowitzki. Mit einer Gegenstimme (Reinhard Schiek, Unabhängige Bürger Oberderdingen) und einer Enthaltung (Udo Walter, AfD) ebnete der Rat mehrheitlich mit seinem Beschluss die Antragsstellung. Die Entscheidung für eine Stadterhebung trifft die Landesregierung Baden-Württemberg durch eine Beschlussfassung in einer Kabinettssitzung mit dem Ministerpräsidenten, teilte der Bürgermeister weiter mit.

Neues Pachtverhältnis in der Gaststätte "Lamm"

Der Gemeinderat befasste sich auch mit der ehemaligen Gaststätte Lamm, die sich im Besitz der Kommunalbau befindet. Nach "langwierigen und vergeblichen Verhandlungen" mit dem ehemaligen Pächter, so Nowitzki, wurde das Pachtverhältnis bereits zum 31. März 2015 beendet. Seitdem seien große Bemühungen unternommen worden, einen Nachpächter zu finden. Immer wieder habe es Anfragen von Betreibern von Spielhallen oder Imbiss-Buden gegeben. Durch die Vermittlung von Gemeinderat Sönke Heim wurde laut Nowitzki nun der Kontakt zu einem am "Lamm" interessierten Gastwirt hergestellt: Dieser ist Koch und seit 1991 in der Gastronomie tätig. Seit vielen Jahren betreibe er eine Gaststätte in Waghäusel und biete dort gutbürgerliche deutsche Küche an. Laut Nowitzki wurde mit dem Interessenten ein zehnjähriger Pachtvertrag mit Option auf Verlängerung besprochen.

Eröffnung ist für November 2023 geplant

Nach der Kostenberechnung von Architekt Günther Meerwarth liegen die Modernisierungs- und Sanierungskosten für die Wohnung bei circa 225.966 Euro brutto, für die Gaststätte (Bestand) bei circa 168.481 Euro netto und für den Anbau für eine mögliche spätere Erweiterung bei circa 231.520 Euro netto. Das Fachwerk, so Architekt Meerwarth, sei noch intakt. Die historischen Fenster werden, wo nötig, ebenfalls saniert. Entgegen früherer Planungen werden im Obergeschoss keine Gästezimmer entstehen. Stattdessen wolle der Interessent die Räume im Obergeschoss und Dachgeschoss mit seiner Partnerin und deren Kindern zusätzlich mieten. Die Modernisierungs-, Sanierungs- und Anbauarbeiten werden aus dem Landessanierungsprogramm „Lindenplatz“ gefördert. Für den gastronomischen Bereich werden 150.000 Euro und für die Wohnung 100.000 Euro Fördermittel erwartet. Die Eröffnung ist laut Meerwarth für November 2023 geplant. Einstimmig beschloss der Rat die Durchführung der Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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