„Vorauseilender Gehorsam“
Stadtverwaltung Knittlingen zieht sich aus „Facebook“ zurück

Knittlingen (hk) Das soziale Netzwerk Facebook ist auch für Behörden und Verwaltungen ein wichtiges Instrument, um mit sogenannten „Fanpages“ eine große Reichweite zur Verbreitung von Informationen zu erzielen. Ein im März dieses Jahres veröffentlichtes Gutachten der Datenschutzkonferenz (DSK) zur datenschutzrechtlichen Konformität des Betriebs von Facebook‐Fanpages kommt nun aber zu einem Ergebnis, das viele Behörden aufhorchen lassen dürfte. Dort heißt es unter anderem, dass "für die bei Besuch einer Fanpage ausgelöste Speicherung von Informationen in den Endeinrichtungen der Endnutzer:innen […] sowie für die Verarbeitungen personenbezogener Daten, die von Seitenbetreibern verantwortet werden, keine wirksamen Rechtsgrundlagen gegeben sind. Darüber hinaus werden die Informationspflichten aus Art. 13 DSGVO nicht erfüllt."

LfDI rät zu Alternativen statt zu Facebook

Im Klartext: Behörden, die mithilfe dieser Plattformen Bürger informieren wollen, würden mit dem Betrieb einer Facebook-Fanpage dazu beitragen, dass die Rechte der Nutzer verletzt werden. Das macht der baden-württembergische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) Stefan Brink in einer Pressemitteilung deutlich. "Wer dieses ‚Geschäftsmodell‘ unterstützt, macht sich mitverantwortlich für die daraus resultierenden Verstöße." Als wichtigste Konsequenz für Behörden nennt Brink die Einstellung des Betriebs von Facebook-Fanpages, wenn diese die datenschutzrechtliche Konformität ihrer Fanpage-Nutzung nicht nachweisen könnten. Öffentliche Stellen sollten sich daher nach Alternativen umsehen, rät der LfDI, wie etwa eine "gut betreute Homepage, die alle relevanten Informationen zur Verfügung stellt."

"Mit gutem Beispiel vorangehen"

Bislang hat auch die Stadtverwaltung Knittlingen auf ihrem Facebook-Kanal „Stadt Knittlingen“ für mehrere hundert „Follower“ Neuigkeiten aus der Fauststadt geteilt – doch damit soll nun Schluss sein, wie Bürgermeister Alexander Kozel auf Anfrage der Brettener Woche/kraichgau.news betont. Zwar gebe es keine "direkte Anweisung", die Facebook-Fanpage nicht mehr zu betreiben, man wolle jedoch als Stadtverwaltung "mit gutem Beispiel vorangehen" und der "dringenden Empfehlung" des LfDI folgen. Bürgermeister Kozel beschreibt diese Entscheidung als "vorauseilenden Gehorsam, weil wir die Rechtsauffassung des LfDI teilen." Um die Facebook-Fanpage zu betreiben, müsste die Stadtverwaltung beispielsweise einen "Abschluss einer Vereinbarung nach Art. 26 DSGVO über die gemeinsame Verantwortlichkeit mit Facebook" nachweisen, ebenso wie die "Zulässigkeit der Übertragung personenbezogener Daten in den Zugriffsbereich von Behörden in Drittstaaten", heißt es im Beschluss der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vom März 2022.

„Das Problem an der Wurzel packen“

"Dazu sind wir als Stadtverwaltung faktisch nicht in der Lage", so Kozel. Da die deutschen Bundes- und Landesdatenschutzbeauftragten direkt bei Facebook nichts erreichen könnten, würden diese, wie der baden-württembergische LfDI, auf die Behörden zugehen. Sinnvoller sei es jedoch, so Kozel, "das Problem an der Wurzel zu packen"und Facebook zur Einhaltung des europäischen Datenschutzrechts zu bewegen. Kozel selbst wolle nun zumindest über sein privates Facebook-Profil wichtige Informationen aus Knittlingen bekanntmachen. Er gehe davon aus, dass nicht alle Verwaltungen nun ihre Facebook-Seiten schließen werden, da sich Kommunen mit der Nutzung von Facebook noch in einer Grauzone befinden würden.

Kraichtal hat das bislang Notwendige umgesetzt

Die Kraichtaler Verwaltung will hingegen vorerst an der Facebook-Fanpage der Stadt festhalten. Auf Anfrage erklärt man dort, dass die "Brisanz des Datenschutzes bezüglich der gängigen Social-Media-Kanäle nicht neu" sei. Bereits im vergangenen Jahr habe sich die Stadtverwaltung beim Aufbau ihrer Social-Media-Kanäle an den Leitfaden des LfDI gehalten, der im Jahr 2020 erstellt worden ist. "Auf Basis des Leitfadens haben wir die dort genannten Anforderungen an eine Kommune, die auf Social Media aktiv ist, erstellt, zum Beispiel eine sogenannte Datenschutzfolgenabschätzung sowie ein Nutzungskonzept, das online jederzeit eingesehen werden kann", erklärt eine Sprecherin der Verwaltung. Die Grundprämisse der städtischen Öffentlichkeitsarbeit sei seit jeher, dass "Bürgerinnen und Bürger in erster Linie auf anderen Kanälen informiert werden und auf Social Media nur publik gemacht wird, was auch außerhalb der Netzwerke nachgelesen werden kann."“ Die Stadt Kraichtal veröffentliche daher Informationen vorrangig über ihre Webseite, die städtische Bürger-App sowie über das wöchentliche Amtsblatt. Im Hinblick auf den Aufruf von LfDI Brink, "Aktivitäten auf Facebook und weiteren Social-Media-Kanälen genau zu überprüfen" habe die Stadt Kraichtal durch die genannten Maßnahmen das bislang Notwendige umgesetzt.

„Vernünftiges Abwägen aller Interessen und Positionen“

Die Verwaltung in Kraichtal betont, dass ein komplettes Verbot der Social-Media-Arbeit bedauerlich wäre, da "hier eine Zielgruppe in hoher Quantität erreicht werden kann, die andere Kanäle – auch eigens neu eingeführte Netzwerkplattformen – unseres Erachtens nicht bieten. Wir verstehen Öffentlichkeitsarbeit in dem Sinn, dass wir dorthin gehen, wo unsere Bürger sind – und nicht umgekehrt." Dennoch sehe man die Datenschutzproblematik – und die Verwaltung beobachte auch, wie sich die Landesregierung sowie auch die Ministerien und andere übergeordnete Behörden positionieren. Schließlich seien diese auch in den sozialen Medien aktiv und hätten beispielsweise in der Corona-Zeit auf Facebook, Twitter und Instagram einen großen Mehrwert geboten, etwa in Form von "einfach aufbereiteten Grafiken, über die sehr viele Menschen erreicht und aufgeklärt wurden." Netzwerke mit Millionen von Nutzern würden durch die Teilen-Funktion auch Menschen erreichen, die sich nicht primär für Politik interessieren, argumentiert die Kraichtaler Verwaltung, und das sei von großem Vorteil. Man hoffe nun auf ein "vernünftiges Abwägen aller Interessen und Positionen."

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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