Gemeinderat Oberderdingen
Integrationsbeauftragte informiert über Flüchtlingslage
Oberderdingen (kuna) Der Krieg in der Ukraine hat viele Menschen zur Flucht in andere Länder, auch nach Deutschland, gezwungen. Dabei hat sich in den Monaten seit dem Überfall Russlands herauskristallisiert, dass sich die Situation für Geflüchtete aus der Ukraine deutlich von der unterscheidet, die Flüchtlinge erlebt haben, die 2015/2016 nach Deutschland gekommen sind. Das hat die Integrationsbeauftragte der Gemeinde Oberderdingen, Michaela Kallenbach, in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates auch für ihre Gemeinde festgestellt.
Ukrainer vor allem privat untergebracht
Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine habe es „in Deutschland und in Oberderdingen eine Welle der Hilfsbereitschaft gegeben, wie man sie nicht für möglich gehalten hätte", so Bürgermeister Thomas Nowitzki. Bereits während der Flüchtlingskrise von 2015/2016 sei die Gemeinde engagiert gewesen und habe „nicht stur nach gesetzlichen Verpflichtungen gehandelt.“ So hatte man beispielsweise eine Flüchtlingsunterkunft in der Flehinger Straße gebaut, damit Geflüchtete nicht in Hallen oder anderweitigen Unterkünften untergebracht werden mussten. Die Situation für Ukrainer gestalte sich nun aber anders. Sie seien vor allem in privaten Wohnungen untergebracht und somit weniger auf kommunale Unterkünfte angewiesen.
Ungleiche Aufnahmeverfahren
Die unterschiedlichen Verfahren beginnen nach den Ausführungen von Kallenbach bereits damit, dass sich Flüchtlinge von 2015/2016 in Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) mit Foto, Fingerabdruck und weiteren Daten registrieren lassen mussten. Erst danach erfolgte die Verteilung in die Stadt- und Landkreise. Für Geflüchtete aus der Ukraine gebe es andere Verfahren. Da für sie die Massenzustrom-Richtlinie gelte, müssten sie keinen Asylantrag stellen und würden somit in der Regel nicht in LEAs untergebracht werden. In Oberderdingen seien sie im Bürgerbüro registriert worden, was aufgrund der Sprachbarriere „eine schwierige Aufgabe“ gewesen sei. Auf Nachfrage von Andrea Schwarz (Grüne) seien aber keine Unstimmigkeiten unter den Flüchtlingen aufgrund der ungleichen Abläufe spürbar. Diese würden sich „weitgehend ignorieren“, so Kallenbach. Auch Thomas Nowitzki bestärkte diese Einschätzung und meinte, dass es zwischen den Geflüchteten anderer Nationen „nicht viele Verbindungen“ geben würde.
Geflüchtete sind überwiegend weiblich
Die ukrainischen Flüchtlinge in Oberderdingen sind überwiegend weiblich. „Die Frauen aus der Ukraine sind meist etwas älter, viele sind schon im Rentenalter“, so die Integrationsbeauftragte. Zur Betreuung der Kinder habe die Strombergschule zwei Vorbereitungsklassen für Ukrainer eingerichtet, in denen auch Geflüchtete aus Kürnbach, Sulzfeld und Zaisenhausen beschult werden. An der Leopold-Feigenbutz-Realschule (LFR) seien fünf Flüchtlingskinder untergebracht. Nowitzki beschrieb diese als „sehr diszipliniert“. Sie würden zu den Jahrgangsbesten ihrer Klassen gehören.
Sprachkurse "vollkommen ausgebucht"
Die Gemeinde plane weitere Hilfsangebote, erklärte Kallenbach. Dazu gehören Sprachkurse für Frauen, parallel werde eine Kinderbetreuung angeboten. Die Räume seien bereits vorhanden, so die Integrationsbeauftragte, allerdings fehle es an Personal. Eine bisherige Überlegung sehe die Anwerbung von Studenten der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe vor, welche sich die Tätigkeit als Praktikum anrechnen lassen könnten. Insgesamt seien Sprachkurse für Geflüchtete momentan "vollkommen ausgebucht". Viele Interessenten stünden daher auf Wartelisten. Die konkrete Wartezeit konnte Kallenbach auf Nachfrage von Armin Schäufele (Grüne) nicht genau beziffern. Laut Nowitziki sind viele der Ukrainer „sehr selbstständig und mobil“ und würden bereits Deutschkurse aus benachbarten Ortschaften, beispielsweise Bretten, besuchen.
Erleichterte Integration
Auf Nachfrage von Michael Blankenhorn (FWV) zur Integration der Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt berichtete Kallenbach, dass es die Flüchtlinge aus der Ukraine auch in diesem Bereich einfacher hätten. Die Fiktionsbescheinigung, die Voraussetzung für die Arbeitserlaubnis ist, werde für Ukrainer oftmals innerhalb weniger Tage ausgestellt. Lediglich die Bewilligung des Aufenthaltstitels nehme mehr Zeit in Anspruch. Die Integration von Kindern in das Alltagsleben finde vor allem in Sportvereinen statt. Das erklärte Kallenbach auf eine Frage von Julian Breitschwerdt (Grüne). Dort seien vor allem Kinder, die schon vor dem Krieg in der Ukraine nach Oberderdingen kamen, eingegliedert. Nowitzki berichtete zudem, dass beim Peter-und-Paul-Fest in Bretten Geflüchtete bei organisatorischen Aufgaben, etwa an der Kasse oder bei den Eingangskontrollen, ausgeholfen hätten. Diese seien über das Jobcenter dorthin vermittelt worden.
Aufnahmestopp bei der Tafel
Die Gemeinde habe des Weiteren 5.360 Euro an Spendengeldern für Geflüchtete aus der Ukraine erhalten, berichtete Kallenbach. Davon seien bereits 1.000 Euro für die Anschaffung von Haushaltswaren für die Flüchtlingsunterkunft in der Flehinger Straße aufgewendet worden. Weitere 1.000 Euro hätte die Gemeinde an die Tafel gespendet. „Die Tafel leistet momentan Enormes“, unterstrich Nowitzki. „Normalerweise kaufen bei der Tafel in Oberderdingen 30 Familien in der Woche ein. Mittlerweile sind es aber 70 Familien und damit mehr als doppelt so viele", so der Bürgermeister weiter. Das Geld habe der Tafelladen deswegen dringend notwendig, da die Verbrauchermärkte vorsichtiger agieren und somit weniger Lebensmittel bei der Tafel ankommen würden. Dort müsse man somit selbst Lebensmittel zukaufen. Seit der Pandemie seien zudem auch private Lebensmittelspenden „zum Erliegen gekommen“, so Nowitzki. Aufgrund der angespannten Lage gebe es momentan einen Aufnahmestopp.
Autor:Kathrin Kuna aus Bretten |
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