Überwältigende Resonanz auf Veranstaltung
Kinder mit Autismus in Kindertageseinrichtungen besser verstehen und begleiten

Wie Kinder mit autistischem Verhalten besser verstehen und begleiten? Zu dieser Frage hatte das Jugendamt des Enzkreises einen Fachtag mit Expertinnen und Experten angeboten.  | Foto: Enzkreis, Elmas Bayram-Yildiz
  • Wie Kinder mit autistischem Verhalten besser verstehen und begleiten? Zu dieser Frage hatte das Jugendamt des Enzkreises einen Fachtag mit Expertinnen und Experten angeboten.
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Region (enz) „Offenbar haben wir mit dieser Veranstaltung einen Nerv getroffen.“ So jedenfalls erklärt sich Alice Zahorneanu vom Jugendamt des Enzkreises die überwältigende Resonanz auf einen Fachtag im Landratsamt Mitte April, bei dem sich alles um das Thema „Kinder mit Autismus in Kindertageseinrichtungen“ drehte. „Mit rund 100 teilnehmenden Fachkräften war die Veranstaltung ausgebucht, das zeigt in unseren Augen den enormen Bedarf an Information und Vernetzung.“ Dabei sei die zeitliche Nähe zum 2. April, dem Internationalen Autismus-Tag, absichtlich gewählt gewesen – an diesem Tag wird weltweit auf die Situation und Bedürfnisse von Menschen mit autistischen Zügen aufmerksam gemacht.

Nichtsichtbarkeit kann zu Ausgrenzung führen

„Der diesjährige Autismus-Tag stand unter dem Motto 'not invisible'. Und entsprechend war und ist es unser Ziel, Autismus noch mehr in den Fokus und ins Rampenlicht zu rücken. Denn allzu oft wird er als eine nicht sichtbare Behinderung dargestellt. Viele Betroffene verstecken sich, um nicht aufzufallen“, erklärt Anne Marie Rouvière-Petruzzi, Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung im Enzkreis. Diese „Nichtsichtbarkeit“ führe in vielen Bereichen immer wieder zu Ausgrenzungen. Deshalb sei es wichtig, auch schon die Bedürfnisse von Kindern mit Autismus sichtbar zu machen, „damit sie von klein auf, also möglichst frühzeitig, in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt werden.“

Mobiler Fachdienst Inklusion berät

Dass Kita-Fachkräften hierbei eine entscheidende Rolle zukommt, sie aber angesichts von Personalmangel, steigenden Gruppengrößen und räumlichen Rahmenbedingungen oft vor großen Herausforderungen stehen, betonte Katja Kreeb, die Enzkreis-Dezernentin für Familie und Soziales, in ihrer Begrüßung. „Als Landkreis ist es uns deshalb ein besonderes Anliegen, Sie in Ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen.“ Neben regelmäßigen Fachveranstaltungen könnten sich Kitas im Enzkreis beispielsweise auch durch den Mobilen Fachdienst Inklusion (kurz: MoVeIn) beraten und begleiten lassen.

Überblick über Autismus-Spektrum

Sabine Jurgan vom Kinderzentrum Maulbronn und Katja Jansen vom Heilpädagogischen Zentrum des Caritasverbandes Pforzheim gaben bei der Tagung auch einen fachlichen Überblick über das Autismus-Spektrum sowie praktische Tipps für die Begleitung von betroffenen Kindern im Kita-Alltag: Autismus sei ein Sammelbegriff für verschiedene Entwicklungsstörungen. Die meisten Betroffenen hätten Probleme mit sozialen Kontakten sowie mit Kommunikation und Sprache. Viele zeigten auch wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und Interessen. Kindern mit Autismus werde oftmals unterstellt, sie wollten etwas nicht. „Dabei wird meist übersehen, dass es sich eigentlich um ein Nicht-Können handelt. Lachen, wenn sich ein anderes Kind weh getan hat, liegt also nicht daran, dass das autistische Kind schadenfroh ist, sondern daran, dass es sich einfach nicht in die Lage seines Gegenübers hineinversetzen kann.“

Situation der Eltern im Blick behalten

Katja Jansen empfahl, betroffenen Kindern Rückzugsmöglichkeiten anzubieten. Auch die Visualisierung von Abläufen mittels Symbolen würde bei der Orientierung im Alltag helfen. „Oder einfach mal versuchen, den morgendlichen Stuhlkreis anders anzugehen, zum Beispiel mit dem Ziel, dass das Kind es schafft, die letzten drei Minuten still zu sitzen. Solche vermeintlich kleinen Erfolgserlebnisse sind für alle Beteiligten wichtig.“ Jurgan appellierte schließlich, auch die Situation der Eltern und entsprechende Hilfsangebote nicht aus den Augen zu verlieren: „Sie sind oft verunsichert, erschöpft oder verletzt - sei es, weil sie sich für nicht kompetent genug halten oder immer wieder mit Ausgrenzungen zu kämpfen haben, wenn sich ihr Kind auffällig verhält.“

Beim anschließenden Markt der Möglichkeiten nutzten die Fachkräfte, darunter auch die „Praxis Autismus“, das „Netzwerk unterstützte Kommunikation“ und die Sonderpädagogische Beratungsstelle an der Gustav-Heinemann-Schule die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. „Viele Köche verderben hier ausnahmsweise einmal nicht den Brei, im Gegenteil“, so Katja Kreeb abschließend. „Die zahlreichen Akteurinnen und Akteure verfolgen gemeinsam nur ein Ziel: Kinder mit autistischem Verhalten und ihre Familien künftig noch besser zu verstehen und zu begleiten.“

Abgerundet wurde die Fachveranstaltung mit einem Besuch des Films „Wochenendrebellen“ im Kommunalen Kino Pforzheim. Der Film handelt von einem autistischen Jungen, seinen Einschränkungen, seinen besonderen Fähigkeiten und davon, wie seine Familie damit umgeht und ihn begleitet.

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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